Politik

Tepco-Ingenieur: Japanische AKW sind bei Erdbeben akut gefährdet

Ein ehemaliger Ingenieur der Skandal-Firma Tepco von Fukushima sagt: Die Atomreaktoren von Tepco sind nicht erdbebensicher. Tepcos Behauptung, Fukushima sei erst durch den Tsunami zerstört worden, sei eine Lüge - damit die Japaner nicht merken, dass sie von lauter einsturzgefährdeten AKW umgeben sind. Auch in anderen Staaten gibt es AKW dieses Typs. Wenn die Aussagen des Ingenieurs stimmen, dann hat Japan ein Riesen-Problem.
14.12.2013 02:46
Lesezeit: 2 min

Der ehemalige Tepco-Ingenieur Toshio Kimura macht einen Fehler im Kühlsystem für das wahre Ausmaß der Katastrophe verantwortlich. Demnach sei die Kühlung bereits kurz nach dem Beben beschädigt worden, wodurch die Kernschmelze eingeleitet wurde. Er verlangte von Tepco die Herausgabe der Daten, um seine Hypothese zu bestätigen. Nachdem die Firma dies lange boykottierte, veröffentlichte sie nur unvollständige Daten zu dem Vorfall.

„Während ich bei Tokyo Electric Power Co. (Tepco) war, wurde intern die Frage gestellt, ob ein Mess-Rohr, dass in im Atomkraftwerk von Fukushima installiert war und nur den Durchmesser eines menschlichen Daumes hatte, einem Erdbeben standhalten könnte. Tepco hat immer noch nicht klargestellt, ob dieses Rohr bei dem Erdbeben vom März 2011 beschädigt wurde.“, sagte Kimura in der Japan Times.

Toshio Kimura arbeitete von 1983 bis 2000 für Tepco. 12 Jahre davon war er direkt im AKW von Fukushima tätig. Er vertritt die Auffassung, dass Rohre in der Anlage nach dem Erdbeben und schon vor dem Eintreffen des Tsunami schwer beschädigt wurden.

Aus diesem Grund verlangte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Herausgabe der Daten, die zeigen was am 11. März in der Nähe der Reaktorkerne passierte. Tepco veröffentlichte die Daten erstmals am 19. August 2013. Es zeigte sich jedoch, dass die sie unvollständig waren.

Die Messgeräte zeichnen alle Hundertstel-Sekunde wichtige Daten wie Reaktorleistung, Temperatur, Druck und Funktionsweise des Kühlsystems auf. Die Analyse dieser Daten macht es möglich, genau zurückzuverfolgen was in einem Reaktor passiert.

Nach der Analyse der Daten kam Kimura zu dem Schluss, dass die natürliche Zirkulation der Kühlflüssigkeit sowie ein Isolationskondensator bereits nach dem Erdbeben ausfielen. Die natürliche Zirkulation der Kühlflüssigkeit stellt eine Art Notfallsystem dar. Selbst wenn der Strom komplett ausfällt und die Pumpen versagen, kann damit eine Kühlung von 10 Prozent gewährleistet werden.

Zwei Indizien sprechen für Kimuras Hypothese.

Eine Pumpe, deren Aufgabe es ist, Wasser vom Grund des Reaktorsicherheitsbehälters zu pumpen, sprang nach dem Beben mehrfach an. Dies lässt den Schluss zu, dass Kühlflüssigkeit austrat und sich am Boden des Sicherheitsbehälters sammelte.

Außerdem schritt die radioaktive Verstrahlung viel schneller an, als von Tepco prognostiziert. Bereits vor dem Eintreffen des Tsunami war es einem Ingenieur unmöglich, das Reaktor-Gebäude zu betreten, da die Radioaktivität zu hoch war.

Beide Vorfälle sprechen dafür, dass durch ein Ausfallen des Kühlsystems der Wasserstand im Reaktor rapide gesunken ist. Dadurch erhöhte sich die Temperatur dramatisch, was die Kernschmelze auslöste.

Hinter der Weigerung Tepcos, die betreffenden Daten herauszugeben, steckt Kalkül. Die Firma hofft nach wie vor darauf, dass ihr Kashiwazaki-Kariwa Kraftwerk in der Niigata Präfektur im nächsten Jahr wieder ans Netz geht. Dort liegt eine ähnliche Konstruktionsweise wie in Fukushima vor. Schon im Jahr 2007 hatte ein Beben vor der Küste zu einem Brand innerhalb der Anlage geführt.

Sollte die Theorie von Kimura Fürsprecher gewinnen, hätte das für die Betreiberfirma fatale Folgen. Tepco müsste ein neues Rohrsystem installieren, um die Erdbeben-Sicherheit zu gewährleisten. Es ist ausgeschlossen, dass Tepco eine solche Umrüstung finanzieren kann.

Tepco steht durch die Folgekosten des GAUs in Fukushima unter enormem finanziellen Druck. Das Unternehmen sieht sich hohen Schadensersatzforderungen ausgesetzt und konnte die Insolvenz nur durch die Gelder der japanischen Steuerzahler abwenden (mehr hier).

Doch die japanische Regierung schweigt. Statt die Bevölkerung zu schützen, beschloss das Parlament auf Anraten von Premier Abe erst vor wenigen Tagen die Verschärfung der Zensur (hier).

Demnach hat der Ingenieur ein Staatsgeheimnis verraten.

Er muss mit mehreren Jahren im Kerker rechnen, wenn er seine Aussagen wiederholt.

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