Politik

Freihandel mit Indien: Schweizer Regierung „vergisst“ Schutz der Patente

Pharma-, Chemie- und Uhrenindustrie müssen um ihr geistiges Eigentum fürchten. Die Regierung hat es versäumt, im Freihandelsabkommen mit Indien die Patente der heimischen Industrie zu schützen. Damit laufen die Schweizer Gefahr, vielfach Opfer von Plagiaten und geistigem Diebstahl zu werden.
06.12.2013 02:11
Lesezeit: 2 min

Die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) auf Bali geraten ins Stocken. Indien lehnt den Teil des Bali-Paktes ab, wonach staatliche Subventionen in vielen Entwicklungsländern zur Schaffung von Nahrungsreserven für Arme nur für eine Übergangszeit von vier Jahren erlaubt sein sollen, berichtet die Handelszeitung. Diese Haltung behindert derzeit die Bemühungen um ein bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und Indien, von dem der Schweizer Mittelstand durch den Abbau von Zollschranken profitieren könnte.

Das Label „Swiss made“ könnte dabei aber auch an Authentizität verlieren. In den bisher zwölf Verhandlungsrunden der Schweizer Verhandlungsdelegation über ein Freihandelsabkommen mit Indien konnten die Verantwortlichen zu keiner Einigung für den Schutz der Patente, Marken, Designs und Urheberrechte der Schweizer Industriebetriebe kommen.

Chemie-, Pharma- und Uhrenindustrie sind besorgt, dass ihre Produkte nach einem Freihandelsabkommen ungehemmt kopiert werden könnten. Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie profitieren von einem schnellen Abschluss der Verhandlungen: Schutzzölle sollen abgebaut werden. Der Export nach Indien wird davon profitieren.

In einem Brief an Wirtschaftsminister Hohann Schneider-Ammann haben die Chefs der beiden Pharmakonzerne Novartis und Roche vor der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens gewarnt. Das Abkommen unterminiere „die Bemühungen zur weltweiten Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums“, zitiert Schweiz am Sonntag Novartis-Chef Joe Jimenez und Roche-Chef Severin Schwan.

Der Hintergrund: Die Pharmaindustrie muss ihre Patente schützen. In vielen Ländern, wie den USA, Indien und China, laufen die Patente zahlreicher Medikamente von Novartis, Roche und anderen europäischen Pharmaunternehmen aus. Novartis verlor die Patentrechte für das Krebsmittel Klivec. Roche verlor das Patent für ihr Krebsmittel Herceptin.

Für die Hersteller von Generika ist das der Startschuss dafür, diese Produkte zu kopieren und billig auf dem heimischen Markt anzubieten. Der Schweizer Pharmabranche gehen dadurch Einnahmen verloren. Ein Freihandelsabkommen mit Indien könnte diesen Prozess beschleunigen.

Ähnliche bilaterale Abkommen mit Brasilien, Russland und Indonesien könnten zu einer unerwünschten Kettenreaktion führen, die die Produkte der Schweizer Pharmaindustrie entwertet.

Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie hofft indes auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen. Bei einem Exportvolumen von 873 Millionen Franken würde die Branche dadurch 87 Millionen einsparen: „Für uns steht primär der Abbau der hohen Zollschranken im Vordergrund“, sagte ein Sprecher des Branchenverbandes Swissmem. „Der Schutz des geistigen Eigentums ist für uns erst in zweiter Linie relevant.“

Beim Freihandelsabkommen mit China stehen die Entscheidungsträger vor ganz anderen Hürden. Drei von vier Schweizern ist es wichtig, „dass es keinen Freihandel ohne Menschenrechte geben darf“, berichtet die BAZ. Der über 1.100 Seiten starke Vertrag ist das Ergebnis von zweieinhalb Jahren Verhandlungen und wird voraussichtlich kommende Woche im Nationalrat verhandelt. Die Linke stösst sich aber daran, dass die Menschenrechte im Abkommen nicht erwähnt werden.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Freihandels-Abkommen mit China könnte einer Studie zufolge der Export nach China um bis zu 60 Prozent zunehmen, berichtet Swissinfo. Denn die Patentfrage mit China ist genau geregelt: Die chinesischen Behörden müssen Schweizer Patente eins zu eins in China anerkennen und schützen. So sollen Produktpiraterie und Fälschungen besser vorgebeugt werden können.

Der Import chinesischer Früchte und Gemüsesorten soll auf die Jahreszeiten beschränkt werden, in denen in der Schweiz keine Ernte eingefahren wird. Die Exportbeschränkungen für Schweizer Käse werden im Gegenzug nur langsam abgebaut – und zwar um 50 Prozent binnen zehn Jahren. Dafür wird es bald möglich sein, Krokodilfleisch und lebendige Affen in die Schweiz einzuführen.

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