Das Bundesverfassungsgericht hat Vorbehalte gegen die neue Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen in Deutschland.
Es bestehe weitgehende Einigkeit darüber, dass bei einer Europawahl jede Sperrklausel einen Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien darstelle, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, am Mittwoch in Karlsruhe bei der Anhörung der Klage kleiner Parteien gegen die seit Oktober gültige Drei-Prozent-Hürde. Trotzdem könne die Beschränkung zulässig sein.
Während Vertreter von Bundestag und Europaparlament die Drei-Prozent-Hürde als Maßnahme für politische Stabilität rechtfertigten, sehen sich die Kläger in ihren demokratischen Rechten beschnitten (mehr hier).
„Dieser Eingriff kann aber aufgrund bestimmter rechtlicher und bestimmter tatsächlicher Verhältnisse gerechtfertigt sein“, sagte Voßkuhle.
Eine solche Rechtfertigung hatte das Gericht 2011 nicht gesehen, als es die Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen kippte. Damals sei nicht erkennbar gewesen, dass die Funktionsfähigkeit des EU-Parlaments bei einem Wegfall der Sperrklausel und damit einer Zunahme der Zahl der vertretenen Parteien maßgeblich beeinträchtigt würde, sagte Voßkuhle.
Bundestag und Bundesrat billigten mit großer Mehrheit im vergangenen Sommer die Drei-Prozent-Hürde. Nun komme es darauf an, inwieweit sie sich „in ihren Auswirkungen von einer Fünf-Prozent-Klausel unterscheidet“ und ob sich die rechtlichen und tatsächlichen Umstände seit 2011 geändert hätten, erklärte der Gerichtspräsident.
Zumindest der Berichterstatter des Zweiten Senats in dem Verfahren, Michael Gerhardt, sagte während der Anhörung, er sehe nicht, „dass neue Umstände zur Rechtfertigung einer Sperrklausel eingetreten sind“.
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sagte, in fast keinem Land der EU könne eine Partei mit weniger als 3 Prozent der Stimmen ins Europaparlament kommen. Würde das Bundesverfassungsgericht nun die Drei-Prozent-Hürde kippen, „dann würde die Bundesrepublik Deutschland ausscheren“. Diese Sperrklausel sei wichtig, damit das EU-Parlament nachhaltige strukturelle Mehrheiten bekomme.
Geklagt haben kleine Gruppierungen wie die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Freien Wähler und die Piratenpartei. Solange das Damoklesschwert einer Sperrklausel vorhanden sei, falle es Kleinparteien viel schwerer, geeignete Kandidaten zu bekommen und Spenden einzuwerben, sagte der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim als Prozessbevollmächtigter der Freien Wähler und der ÖDP.
Es wird erwartet, dass das Urteil im Frühjahr fällt, sodass es noch rechtzeitig vor der nächsten Europawahl am 25. Mai umgesetzt werden könnte.