Deutschland

Kritik nach Datenklau: Bürger sind zu spät informiert worden

Seit Dezember wussten die Behörden über den Diebstahl von E-Mail-Adressen Bescheid. Dennoch hält Innenminister de Maiziere die verspätete Information für „eine vorzügliche Aktion zum Schutz der Bürger“.
22.01.2014 18:48
Lesezeit: 2 min

Im Umgang mit den 16 Millionen gestohlenen Online-Nutzerdaten steht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in der Kritik. Dieses hatte eingeräumt, die Bevölkerung erst Wochen nach Bekanntwerden des Datenklaus informiert zu haben (mehr hier). Innenminister Thomas de Maiziere nahm die Behörde am Mittwoch allerdings in Schutz und bescheinigte ihr eine gute Arbeit. Mehr als 14 Millionen Bürger nutzten bis Mittwoch die Internetseite des BSI, um ihre E-Mail-Adresse überprüfen zu lassen. 933.000 von ihnen bekamen in einer Antwortmail mitgeteilt, dass ihr Account vom Datenklau betroffen ist.

„Das war eine wohlvorbereitete und vorzügliche Aktion zum Schutz und zur Warnung der Bürger“, sagte de Maiziere im brandenburgischen Meseberg. Das BSI war in die Kritik geraten, weil es bereits im vergangenen Jahr von dem Massen-Diebstahl wusste, aber erst am Dienstag die Öffentlichkeit informierte, dass rund 16 Millionen E-Mail-Adressen und zugehörige Passwörter in falsche Hände geraten sind. Parallel schaltete das Institut die Internetseite frei. Gefährlich wird der Diebstahl laut dem Branchenverband Bitkom unter anderem deshalb, weil viele Bürger ein und dasselbe Passwort für mehrere Portale benutzen.

„Wir wussten seit Dezember davon“, räumte BSI-Präsident Michael Hange im Bayerischen Rundfunk ein. Ein derartiges Verfahren zur Information der Bürger müsse aber einer großen Zahl von Anfragen gewachsen sein und bedürfe daher einer Vorbereitungszeit. Eine Sprecherin verwies darauf, dass dazu eine technische Infrastruktur aufgebaut werden müsse.

Vor allem in Internetforen wurde Empörung über die erst später erfolgte Information der Bürger laut. Die Linken-Netzpolitikerin Halina Wawzyniak twitterte, dies spreche nicht für Verbraucherschutzkompetenz beim BSI. Justiz- und Verbraucherminister Heiko Maas wollte den konkreten Vorgang nicht bewerten, betonte aber allgemein: „Wenn man entsprechende Hinweise bekommt und wenn es ein Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit gibt, dass das ernst zu nehmen ist, muss auch schnell darüber informiert werden.“

BSI-Präsident Hange bezeichnete den Datenklau als schwerwiegende Bedrohung der Bürger. „Es handelt sich bei diesem Fall nicht nur um eine Infizierung von Rechnern, sondern um den Diebstahl der kompletten digitalen Identität", sagte er dem Tagesspiegel. Es habe zwar schon ähnliche Vorgänge gegeben, doch sei in diesem Fall die Dimension beachtlich.

Maas sagte, der unfassbare Vorgang zeige, dass sich die Missbrauchsmöglichkeiten in der digitalen Welt schneller entwickelten als der Gesetzgeber darauf reagieren könne. Das Thema Datensicherheit werde die Koalition sehr intensiv beschäftigen, kündigte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk an. Allerdings müsse hier auch die EU tätig werden.

Politiker von Union und SPD plädierten für mehr Investitionen in die Sicherheitsforschung. Notwendig sei zudem ein IT-Sicherheitsgesetz noch in diesem Jahr, sagte Unions-Fraktionsvize Thomas Silberhorn. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kündigte dazu eigene Vorschläge an.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...