Deutschland

Gauck: Deutschland muss System der Globalisierung erhalten

Lesezeit: 3 min
01.02.2014 01:43
Bundespräsident Joachim Gauck will eine stärkere Führungsrolle Deutschlands in der Welt. Das oberste Ziel der deutschen Außenpolitik sei die Erhaltung des Systems der Globalisierung. Davon dürfe sich Deutschland auch von Kritikern nicht abbringen lassen. Die Mehrheit der Deutschen lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr ab.
Gauck: Deutschland muss System der Globalisierung erhalten

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Bundespräsident Joachim Gauck hat von Deutschland eine wesentlich aktivere Rolle in der internationalen Politik gefordert. "Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen", sagte Gauck am Freitag zur Eröffnung der 50. Sicherheitskonferenz in München. Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schloss sich dieser Forderung an: "Ich verstehe das Unbehagen der deutschen Bevölkerung vor militärischen Einsätzen vor dem Hintergrund unserer Geschichte", sagte sie in München. "Aber unser Deutschland heute ist eine erwachsene, eine erprobte Demokratie." Es dürfe nicht abseits stehen, wenn seine Hilfe gefragt sei. Allerdings sprachen sich in einer Umfrage fast zwei Drittel der Deutschen gegen eine Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr aus.

Gauck erwies sich bei seiner Rede als Freund des Systems der Globalisierung - eine Position, die er auch schon früher eingenommen hat (mehr zu seiner Forderung nach mehr Bannerträgern - hier).

Gauck kritisierte, die Politik in Deutschland habe jahrzehntelang mit dem Hinweis auf die NS-Vergangenheit die eigene, vor allem militärische Zurückhaltung begründet. Nun müsse erkannt werden, dass zur Verteidigung der von Deutschland vertretenen Werte eine aktivere Rolle nötig sei. Man dürfe nicht die Augen verschließen und "vor Bedrohungen fliehen".

Deutschland sei ein extrem globalisiertes Land und müsse deshalb den Erhalt einer "offenen Ordnung in der Welt" als sein Kerninteresse definieren, mahnte der Präsident. "Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen", sagte Gauck.

Gauck wies zwar den Vorwurf zurück, Deutschland sei ein "Drückeberger der Weltgemeinschaft". Allerdings könne man sich 24 Jahren nach der deutschen Einheit nicht mehr nur in Trippelschritten voranbewegen. "Die Bundesrepublik muss dabei auch bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr von anderen seit Jahrzehnten gewährt wurde", sagte er. Dies sei umso wichtiger, weil die USA ihr globales Engagement überdächten und Europa mit sich selbst beschäftigt sei.

Gauck betonte, wie am Vortag Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass damit nicht unbedingt mehr Militär- oder gar Kampfeinsätze der Bundeswehr verbunden seien. Deutschland werde nie rein militärische Lösungen unterstützen, sondern alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen. "Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird - der Einsatz der Bundeswehr -, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip 'Nein' noch reflexhaft 'Ja' sagen", sagte Gauck.

Der Bundespräsident verteidigte das Recht, notfalls auch in anderen Staaten zu intervenieren. "Das Prinzip der staatlichen Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung dürfen gewalttätige Regime nicht unantastbar machen." Deutschland dürfe nicht zuschauen, wenn Menschenrechtsverletzungen in Völkermord oder ethnische Säuberungen umschlügen.

Gauck forderte, Bundesregierungen dürften nicht vor möglicher Kritik wegen eines Engagements zurückschrecken. Denn Politiker "müssen ... auch die Folgen dessen tragen, was sie unterlassen." Deutschland solle im Übrigen keinen Sonderweg gehen, sondern werde mit mehr Engagement ein "noch besserer Freund und Alliierter" und ein besserer Partner in Europa sein.

Ähnlich argumentierte Verteidigungsministerin von der Leyen laut Redetext: "Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht." Deutschland habe die Verpflichtung, einen Beitrag zu einer schrittweisen Lösung der aktuellen Krisen zu erbringen. Als Beispiel verwies sie auf die Hilfe bei der Zerstörung syrischer Chemiewaffen. Konflikte wie der in Syrien oder Libyen beträfen auch Deutschland. "Daher ist Abwarten keine Option." Sie werde eine engere Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU vorantreiben, kündigte die CDU-Politikerin an.

Auch Merkel hatte die Meinung vertreten, Deutschland müsse sich international stärker einmischen, um bei der Lösung von Konflikten zu helfen. Einen Kampfeinsatz der Bundeswehr etwa in der Zentralafrikanischen Republik hat sie aber ebenso wie von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier abgelehnt. Auch von der Leyen unterstrich, stärkeres Engagement bedeute nicht automatisch mehr Militäreinsätze.

Im am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer sprachen sich 62 Prozent der Befragten gegen eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Kriseneinsätzen aus. Auch im ARD-Deutschlandtrend fand sich mit 61 Prozent eine ähnlich deutliche Mehrheit dagegen.

Die Rede Gaucks war im wesentlichen eine Sonntagsrede: Wenn der Bundespräsident wirklich die Führungsrolle Deutschlands festlegen wollte, würde er den Amerikanern (und allen anderen Geheimdiensten) den Marsch blasen und sie auffordern, das fortgesetzte Ausspionieren der Deutschen zu unterlassen.

Doch soweit wollte sich Gauck nicht aus dem Fenster lehnen. Außerdem wäre das unhöflich gegenüber Gastgeber der militärischen Gedankenaustauschs gewesen: Dieser hatte kürzlich gesagt, Deutschland müsse sich damit abfinden, von den Amerikaner ausspioniert zu werden (mehr dazu hier).

Das wollte sich Gauck nicht antun: Der Bundespräsident leidet ohnehin jetzt schon unter dem enormen Arbeitspensum im Schloss Bellevue (mehr dazu hier).

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Im Kosovo rächen sich jetzt alte Fehler des Westens
04.06.2023

Die jüngsten Ausschreitungen im Kosovo hatten zwar einen aktuellen Anlass. Doch die Lunte an das Pulverfass war schon viel früher gelegt....

DWN
Finanzen
Finanzen Amerikas Bankenkrise, Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?
04.06.2023

DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Diebstahl und Gewalt machen US-Einzelhandel unprofitabel
04.06.2023

Der US-Einzelhandel leidet unter der ansteigenden Kriminalität. Der massive Anstieg von Diebstahl und Gewalt vernichtet den Profit. Das...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietnomaden: So prüfen Vermieter die Bonität
04.06.2023

Die Qualität der Mieter hat großen Einfluss darauf, ob sich eine Mietimmobilie rechnet. Doch wie wählt man einen Mieter richtig aus? Wir...

DWN
Immobilien
Immobilien Die EU will ultimativ alle Häuser ruinieren
03.06.2023

Mit immer strengeren Vorschriften treibt die EU das Dämmen der Häuser voran. Selbst Strafen wie Wohn-Verbote werden diskutiert, damit die...

DWN
Immobilien
Immobilien Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
03.06.2023

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienmärkte: Unter der glitzernden Oberfläche brodelt es
04.06.2023

Oberflächlich betrachtet schlagen sich die US-Aktienmärkte gut. Das Fundament für den Aufschwung ist allerdings schwach. In vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Zinswende: Kommt eine zweite Inflationswelle – und wie schützen sich Anleger?
04.06.2023

Der Markt rechnet mit Zinssenkungen in diesem Jahr. Kritische Ökonomen befürchten eine Rezession und eine zweite Inflationswelle. Was...