Politik

Detroit verklagt Banken auf Schadenersatz

Lesezeit: 2 min
25.02.2014 00:22
Detroit verklagt internationale Banken wegen Betrugs. Diese hatten die Stadt durch illegale Transaktionen und riskante Wetten immer tiefer in die Schulden getrieben. Scheitert die Klage, droht der Ausfall von tausenden Pensionen und der Ausverkauf der letzten Vermögenswerte.
Detroit verklagt Banken auf Schadenersatz

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die von der Pleite bedrohte Stadt Detroit verklagt führende Bankinstitute wegen Finanzbetrugs. Die Banken hatten die gesetzliche Schuldenobergrenze durch Scheintransaktionen ausgeheblt und die Stadt so tiefer in die Abhängigkeit gebracht, so der Zwangsverwalter Kevin D. Orr in seiner Klageschrift. Nun verlangt Detroit etwa 300 Millionen Dollar Schadenersatz und versucht dadurch die Folgen der Insolvenz abzuschwächen.

Detroit musste letztes Jahr als bisher größte amerikanische Stadt Insolvenz anmelden. Die Stadt, die in den fünfziger Jahren noch beinahe zwei Millionen Einwohner hatte, ist zur Geisterstadt verkommen. Gerade mal 700.000 Menschen leben noch dort, wo einst Amerikas Automobil-Industrie zu Hause war.

Etwa 100.000 Gebäude in Detroit stehen nun leer und verfallen. Die Stadtverwaltung ist derzeit damit beschäftigt, eine Bestandsaufnahme der Immobilien durchzuführen, wie die New York Times berichtet. Im laufenden Insolvenzverfahren zählt jeder Penny, denn internationale Großbanken bestehen nach wie vor auf Forderungen in Millionenhöhe. Die Stadt hatte sich bei von ihnen mit mehreren Milliarden Dollar verschuldet, um Pensionen ausbezahlen zu können.

Die Commerzbank hatte Detroit dabei Gelder in Höhe von 400 Millionen Euro geliehen. Etwa 310 Millionen davon muss die Bank nun als verloren abschreiben (mehr hier).

Die UBS und die Bank of America Meryll Lynch hatten der Detroit im Jahr 2005 sogar 1,44 Milliarden Dollar geliehen, um die Zahlungsstopp der Pensionen abzuwenden. Kurz vor Weihnachten haben die Institute mit der Stadt einen Vergleich geschlossen. Demnach erklärte sie sich bereit immerhin 165 Millionen Dollar ihrer Schulden aus sogenannten Swap-Derivate-Geschäften zu bezahlen.

Swap-Derivate sind Zinswetten, die von den Wall-Street-Banken an Detroit und andere Städte verkauft wurden. Auch deutsche Städte haben sich bei den Derivaten von den Banken über den Tisch ziehen lassen und massive Verluste gemacht (mehr hier). Die Stadt Bonn musste zum Beispiel eine Haushalts-Sperre verhängen, um den Kollaps zu verhindern (hier).

Der federführende Richter des Insolvenzverfahrens, Steven W. Rhodes, erklärte den Vergleich für unzulässig und forderte die Stadt auf, sich gegen die illegale Geschäftspratik der Banken zur Wehr zu setzen.

„Das Gericht […] wird an hastig ausgehandelten und unvernünftigen Finanzentscheidungen nicht teilnehmen oder diese unterstützen“, sagte Rhodes einem Artikel von Detroit News zufolge. „Es ist einfach zu viel Geld“, so Rhodes weiter.

Stattdessen könne die Stadt von den beiden Finanzinstituten etwa 300 Millionen Dollar wegen Betruges einklagen, signalisierte der Richter. Detroits Zwangsverwalter, Kevin D. Orr, reichte nun Klage gegen die Banken ein. Er hofft auf eine Aufhebung komplexer Transaktionen, die die letzendlich Stadt in den finanziellen Ruin trieben. Vertreter der Stadt sagten, dass die Verträge nur auf Drängen der Investmentbanken zustande kamen, die davon „ansehnlich profitierten“.

Die Banken hatten es der Stadt durch eine Reihe von Scheintransaktionen ermöglicht, sich über die gesetzliche Grenze hinaus zu verschulden. Dabei strichen die Banker allein etwa 70 Millionen Dollar an Gebühren ein. Hinzu kommen immense Zinszahlungen, für die allein sich Detroit immer wieder neu verschulden musste.

Scheitert die Klage, muss der Zwangsverwalter möglichst viel städtisches Vermögen verkaufen, um die Banken und Investoren zu auszuzahlen. Bei denen hatten die politisch Verantwortlichen von Detroit Schulden in Höhe von 20 Milliarden Dollar gemacht (hier). Das sind knapp 30.000 Dollar Schulden pro Einwohner.

Sollte der Klage jedoch stattgegeben werden, wäre dies zwar nur ein Etappensieg gegen die drohende Insolvenz der Stadt. Doch Detroit hätte damit ein Signal gegen den Raubzug der Banken gesetzt, die durch riskante Derivate-Geschäfte Städte weltweit in den finanziellen Ruin treiben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Menge sichergestellten Kokains im Hamburger Hafen verdreifacht
06.05.2024

Im Hamburger Hafen werden alle nur erdenklichen Waren umgeschlagen - auch Drogen. Immer mehr Kokain findet durch das Tor zur Welt seinen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Der internationale Handel und Kriege im Fokus bei Xi-Besuch in Frankreich
06.05.2024

Auf gute Stimmung machen in Europa: Chinas Staatspräsident Xi besucht seit fünf Jahren mal wieder Frankreich und lächelt, als ihn...

DWN
Politik
Politik Neues Gesicht in der CDU: Helmut Kohl-Enkel will in Bundesvorstand gewählt werden
06.05.2024

Die Kinder von Helmut Kohl haben auf eine Karriere in der Politik verzichtet. Jetzt versucht der Enkel des früheren Bundeskanzlers,...

DWN
Politik
Politik Friedrich Merz bleibt Parteichef: CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit
06.05.2024

Die CDU trifft sich zum dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. Es geht um die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms der Union und auch...

DWN
Politik
Politik Scholz zu Besuch in Litauen: „Jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen"
06.05.2024

Mit der anlaufenden Stationierung einer gefechtsbereiten Brigade an der Nato-Ostflanke geht Deutschland im Bündnis voran. Der...

DWN
Politik
Politik Über Fidschi nach Down under: Annalena Baerbock an der Frontlinie der Klimakrise
06.05.2024

Sie zählen zu den kleinsten Klimasündern, haben aber am stärksten unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden. Baerbock ist um die...

DWN
Technologie
Technologie Sprunginnovation: In der Lausitz wird das größte Höhenwindrad der Welt errichtet
06.05.2024

Die Sache klingt zunächst irgendwie tragisch. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen versucht, in der Lausitz in 365 Metern Höhenwinde...

DWN
Politik
Politik Verstöße gegen EU-Werte: Kommission will Verfahren gegen Polen beenden
06.05.2024

Die EU-Kommission will das Artikel-7-Verfahren gegen Polen beenden. Es war wegen etwaiger Verstöße gegen die Werte der Europäischen...