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Schrott-Papiere: Mülheim verklagt Commerzbank und WestLB

Lesezeit: 2 min
31.10.2013 11:34
Die Stadt Mülheim klagt gegen die Banken, die ihr riskante Derivate angedreht haben - mit guten Erfolgsaussichten. Für die Steuerzahler sind das schlechte Nachrichten: Commerzbank und WestLB sind Staats-Banken, für die der Steuerzahler immer wieder in die Haftung genommen wird.
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Nach dem Klageerfolg der Stadt Ennepetal gegen die alte West LB empfehlen nun auch die von Mülheim eingeschalteten Gutachter eine Klage gegen zwei Banken. Die Banken sollen nicht hinreichend auf die Risiken für die Kommune hingewiesen haben.

Die Gutachter der Stadt Mülheim empfehlen eine allumfassende Schadenersatzklage gegen die Commerzbank und die West LB, berichtet die WAZ. Die Banken fügten der Stadt durch Geschäfte mit riskanten Derivaten einen Verlust in Höhe von knapp 11 Millionen Euro zu.

Bisher war Mülheim davon ausgegangen, keine Schadenersatz-Ansprüche zu haben. Doch nach dem Klageerfolg der Stadt Ennepetal sehen die Gutachter dies nun anders. Ennepetal wurde Anfang Oktober für Verluste bei Derivategeschäften mit der alten West LB voller Schadenersatz in Höhe von gut 9 Millionen Euro zugesprochen.

Wenn eine Bank nicht vorher darüber aufklärt, dass das Verlustrisiko für die Kommunen höher ist als für die Bank, so besteht ein Anspruch auf Schadenersatz. Eine solche Verletzung der Beratungspflicht hatten auch Mülheims Gutachter festgestellt, rieten aber dennoch nur zu einer Klage wegen Verlusten aus einer noch laufenden Franken-Wette von aktuell 3,4 Millionen Euro.

Nach dem Erfolg von Ennepetal sind nun auch die Erfolgsaussichten für Mülheim deutlich erhöht. Doch risikofrei ist die Klage nicht. Das Prozesskosten-Risiko für die erste Instanz beziffert die Stadtverwaltung auf 226.000 Euro. In der Sitzung des Finanzausschusses am kommenden Montag wird entschieden, ob tatsächlich Klage eingereicht wird.

Wenn Mülheim vor Gericht gegen die West LB gewinnt, muss deren Rechtsnachfolger Portigon die Schuld begleichen. Die Portigon AG ist eine staatliche Geisterfirma mit 2.600 Mitarbeiter (mehr hier). Wenn sie wegen der Derivate-Wetten Schadenersatz an Mülheim zahlen muss, dann zahlt letztlich der deutsche Steuerzahler.

Erst wird mit dem Geld der Steuerzahler gezockt, später wird der Schaden mit Steuergeld „entschädigt“.

Die Commerzbank wurde 2009 teilverstaatlicht. Der Staat rettete die marode Bank mit mehr als 18 Milliarden Euro, so der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung SoFFin. Zusätzlich zu den Kosten der Bankenrettung finanzieren die Steuerzahler auch die Millionen-Abfindungen der Bankvorstände (mehr hier). Wenn die Commerzbank Schadenersatz an Mülheim zahlen muss, haftet der Steuerzahler für einen Teil der Schuld.

Doch nicht nur die (teil-)verstaatlichten Banken haben den Kommunen fragwürdige Papiere angedreht. Auch private Banken mussten sich in den vergangenen Jahren immer wieder vor Gericht dafür verantworten. Hier haftet nicht der Steuerzahler für die Schadenersatz-Zahlungen, sondern Bankkunden und Aktionäre. Die Bank-Manager sahen keine Konsequenzen.

Die Deutsche Bank hat circa 200 deutschen Städten oder deren Betrieben riskante Zinswetten verkauft. Die dabei erlittenen Verluste belaufen sich auf bis zu 1 Milliarde Euro, zitiert der Tagesspiegel den Münchner Anwalt Jochen Weck. Viele Kommunen wie etwa in Würzburg, Ulm oder Pforzheim hat die Deutsche Bank bereits mit hohen Millionenbeträgen entschädigt, um Prozesse zu verhindern.

Die Deutsche Bank musste im dritten Quartal 1,2 Milliarden Euro für Prozesskosten zurücklegen, was einen massiven Gewinneinbruch verursachte (mehr hier). Auch die anderen Banken Europas müssen derzeit massiv Geld zur Seite legen, um sich auf gerichtliche Auseinandersetzungen und mögliche Strafzahlungen vorzubereiten.

Diese Woche sagte die holländische Rabobank, sie müsse 1 Milliarde Euro wegen ihrer Rolle bei der Manipulation der Interbankenzinssätze Libor und Euribor zahlen, berichtet die FT. Circa 30 Angestellte der Bank sollen in die Manipulationen verwickelt gewesen sein.

Eine Klagewelle bricht derzeit über die Finanzwelt hinein. Die US-Investment-Bank JPMorgan muss aktuell 13 Milliarden Dollar Strafe dafür zahlen, dass amerikanische Anleger betrogen wurden. Doch auch bei JPMorgan musste sich keiner der führenden Banker für den offensichtlich begangenen Rechtsbruch verantworten (mehr hier).

Die deutschen Kommunen und Städte klagen zu Recht über die mangelhafte Beratung seitens der Banken. Doch die politisch Verantwortlichen gingen massive Derivate-Wetten ein, die sie selbst nicht verstanden. Sie zockten mit Steuergeldern und fielen dabei auf die falschen Versprechungen der Banken herein.


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