Die britische Zentralbank (BoE) versucht, einen globalen Derivate-Pakt zu schließen, um eine Pleite-Kaskade wie seinerzeit bei der Lehman Investmentbank im Jahr 2008 zu verhindern. Weltweit umfassen Derivate, die unreguliert OTC („Over the Counter“), gehandelt werden, derzeit ein Volumen von rund 700 Billionen US-Dollar.
Die Bank of England ist offenbar besorgt, dass wegen der unreguliert gehandelten Derivate bei einer Finanzkrise erneut eine „Todesspirale“ in Gang gesetzt werden könnte. Daher versucht sie, einen globalen Pakt zwischen den Banken auszuhandeln, um die Standardklauseln in den derzeit geltenden Verträgen während einer Krise auszusetzen, in der Hoffnung, dadurch eine erneute Krisenkaskade wie seinerzeit bei der Investmentbank Lehman Brothers im weltweiten Finanzsystem abwenden zu können, berichtet Bloomberg.
Die Zahlen – 693 Billionen US-Dollar – wurden von der BIS (Bank of International Settlement respektive Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel) ermittelt und beziehen sich auf den Derivatehandel mit Stand Mitte 2013.
Mitte 2012 ermittelte die BIS einen Umfang von 639 Billionen US-Dollar, was einer Zunahme von etwa 54 Billionen Dollar innerhalb eines Jahres entspricht.
Die Tatsache, dass die Derivate allesamt „OTC“ also „Over the Counter“, und damit unreguliert gehandelt werden bedeutet, dass die Billionenbeträge nicht voll umfänglich in den Bankbilanzen erfasst werden.
Besonders brisant sind dabei die vielen Kreditderivate, speziell die sogenannten Credit Default Swaps CDS. Mit solchen Papieren „versichern“ sich Investoren gegen die Insolvenz eines Schuldners oder den Ausfall von Coupons. Selbst diese CDS-Papiere werden immer weiter verkauft. Dadurch kommt es zu „Luftbuchungen“ ohne tatsächlichen Wert.
Seit 2010 sollen die jedoch im Kontext mit den neuen Anforderungen gemäß Basel III die verkauften CDS’s zum vollen Nennwert, also zu dem tatsächlichen Wert, der bei einem Kreditausfall fällig würde, in den Bilanzen aufgenommen werden sollen. Bislang wurden diese nur zum „Marktwert“, also etwa zwischen einem und drei Prozent in den Bilanzen ausgewiesen und mussten mit Eigenkapital abgesichert werden.
Dem wurde jedoch vorgebaut. Denn inzwischen wurden die Verschuldungsregeln für europäische Banken – und das betrifft auch Derivate – wieder aufgeweicht, (mehr hier).
Bei der Deutschen Bank soll der verkaufte sogenannte Kreditschutz (also CDS) allein 2010 bei 128 Prozent der Bilanzsumme und somit bei 2.224 Milliarden Euro gelegen haben, berichtete seinerzeit die schweizerische Handelszeitung.
Eine Übersicht, wie stark US-amerikanischen Banken an Derivategeschäften beteiligt sind gibt es hier.
Die britische Notenbank will die nun weltweit Kreditgeber und die International Swaps and Derivatives Association zu einer Vereinbarung bringen, wonach vorübergehend Forderungen an Banken gestoppt werden können, wenn sie zahlungsunfähig werden und eine „Intervention“ benötigen, sagte Andrew Gracie, Geschäftsführer der speziellen Abwicklungs-Einheit der BoE, in einem Interview.
„Im Fall einer Bankenabwicklung sollten Kündigungen – also Forderungen an Kreditausfallversicherungen – die Kontrahenten nicht in eine Schleife von Vertragsauflösungen führen“, so Gracie weiter. „Dann würden wir das bekommen, was wir bei Lehman’s sahen: riesige Mengen von Unsicherheit und eine unkontrollierte Kaskade von Restposten und Cross-Defaults im Markt."
Regulierungsbehörden und Notenbanken auf der ganzen Welt hatten sich seit der Finanzkrise nach dem Fall von Lehman Brothers damit auseinandergesetzt, wie man Reformen im Bankensektor bewerkstelligen kann, ohne in Zukunft auf öffentliche Gelder der Steuerzahler bei erneuten Krisen angewiesen zu sein und damit wirtschaftliche Katastrophen verhindern kann.
Ob ein vorübergehender Stopp von Auszahlungen der Kreditausfallversicherungen jedoch ausreicht, um einen erneuten Kollaps zu verhindern, ist eher fraglich.
Allein die gewaltigen Summen des globalen Derivatehandels machen es eher wahrscheinlich, dass dieses Kartenhaus jederzeit zusammenbrechen kann.