Finanzen

Gutachten: Europäischer Schuldentilgungsfonds wäre verfassungskonform

Der von dem Sachverständigenrat der Bundesregierung befürwortete europäische Schuldentilgungsfonds würde einem Gutachten zufolge nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Es gebe jedoch verfassungsrechtliche Risiken.
27.07.2012 09:36
Lesezeit: 1 min

Im Zuge ihres Wachstumspaktes hatte die SPD einen europäischen Schuldentilgungsfonds vorgeschlagen – ein Instrument, das für die Bundesregierung offiziell nicht in Frage kommt. Gemeinsame Haftung für die Schulden anderer, wie solle man das dem Steuerzahler erklären. Aber auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat einen Vorschlag für einen europäischen Schuldentilgungsfonds gemacht. Im Auftrag der Fünf Wirtschaftsweisen hatte der Göttinger Verfassungsrechtlers Frank Schorkopf nun ein Gutachten über die Verfassungskonformität eines solchen Fonds erstellt.

Das am Donnerstag veröffentlichte Gutachten zeigt, dass ein europäischer Schuldentilgungsfonds im Einklang mit den Grundgesetz ausgestaltet werden kann – er wäre also nicht von vorneherein verfassungswidrig. „Das ändert an der Haltung der Bundesregierung nichts", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter zu Reuters. Das Finanzministerium bewertete das Konzept als eines, das zu einer realistischerweise „kaum zu begrenzenden Gemeinschaftshaftung Deutschlands für Schulden anderer Staaten führe und falsche Anreize setze.“

Der Vorschlag des Sachverständigenrates sah vor, die öffentlichen Schulden der Euroländer oberhalb der 60-Prozent-Grenze des BIP in einen entsprechenden Tilgungsfond mit gemeinsamer Haftung einzuzahlen. Innerhalb von 20 bis 25 Jahren sollten diese Schulden dann abgetragen werden. Der Schuldentilgungsfonds könne in einer Weise konstruiert werden, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit den verfassungsrechtlichen Maßstab erfüllt, den das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgerichts „für die Übernahme finanzieller Gewährleistungen und die Wahrung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages stellen", schreibt Frank Schorkopf in dem Gutachten. Eine effektive Stabilitätsordnung für die Währungsunion sei ohnehin verfassungskonform. Zudem seien die teilweise Tilgung von Altschulden und der Versuch, die Haushalte ohne „relevante Kreditaufnahmen auszugleichen“ ein „verfassungsrechtlich anerkanntes Ziel“.

Frank Schorkopf sieht jedoch auch verfassungsrechtliche Risiken. Im Grundgesetz gibt es keinen exakten Schwellenwert, ab dem die Übernahme von finanziellen Gewährleistungen verfassungswidrig sein würde. So müsse geklärt werden, ab wann die deutsche Schuldentragfähigkeit im Haftungsfall überschritten wäre und somit auch die Verfassungsmäßigkeit des Fonds. Je geringer der Haftungsanteil Deutschlands in einem solchen Vertrag über einen europäischen Schuldentilgungsfonds wäre, desto größer sei die Chance für eine Verfassungsmäßigkeit.

Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung beispielsweise würde dies für Deutschland einem Gewährleistungsumfang von derzeit 2 Billionen Euro entsprechen – in diesem Fall wäre die deutsche Schuldentragfähigkeit schnell überschritten und würde als verfassungswidrig gelten. Bei einer teilschuldnerischen Haftung hätte Deutschland derzeit einen Gewährleistungsanteil von 560 Milliarden Euro. Frank Schorkopf zufolge könnte dies als verfassungsmäßig eingestuft werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...