Politik

Habeck gerät nach irritierenden Aussagen zu Pleitewelle unter massiven Druck

Die Oppositionsparteien reiten heftige Angriffe gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen Wirtschaftsminister Habeck. Diesem müsse die Zuständigkeit für Energiefragen entzogen werden.
07.09.2022 12:00
Aktualisiert: 07.09.2022 12:42
Lesezeit: 3 min

Eine Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Frage einer möglichen Insolvenzwelle hat in den Reihen der Oppositionsparteien für scharfe Kritik gesorgt. „Weltfremd, abgehoben, planlos. Wirtschaftsminister Habeck hat keine Ahnung vom Wirtschaften, er steht fürs Abwirtschaften“, erklärte der CSU-Generalsekretär Martin Huber am Mittwoch.

Der Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) schrieb sarkastisch auf Twitter: „Es ist ein Segen, dass wir in dieser schwierigen Lage einen so hochkompetenten Wirtschaftsminister haben.“

Habeck irritiert

In der ARD-Sendung „Maischberger“ am Dienstagabend hatte Habeck auf die Frage, ob er mit einer Insolvenzwelle am Ende dieses Winters rechne, geantwortet: „Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren.“

Als Beispiel nannte Habeck Blumenläden, Bioläden und Bäckereien, weil diese Läden „darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben“. Solche Betriebe hätten dann wirkliche Probleme, weil es eine Kaufzurückhaltung gebe. „Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“, so Habeck.

CSU-Politiker Huber kommentierte Habecks Äußerung auf Twitter: „Und wenn im Winter zu wenig Strom produziert wird, weil die AKWs 1 Woche zum Hochfahren brauchen, ist das kein Blackout, sondern das Licht hört einfach ein bisschen auf zu leuchten, oder was? Habeck geht in intellektuelle Insolvenz.“

Lesen Sie dazu: Union will Habeck Zuständigkeit für Energie entziehen

Weidel: Ampel ruiniert das Land

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat der Ampel-Koalition vorgeworfen, das Land in den Ruin zu treiben. „Sie ruinieren dieses Land wirtschaftlich, um die irrationalen Dogmen der grünen Klientellobbyisten zu bedienen“, sagte Weidel am Mittwoch in der Debatte zum Bundeshaushalt im Bundestag. Inflation und Energiekrise zerstörten den Mittelstand und die Mittelschicht. Vielen Menschen drohe die Verarmung. Die Koalition sei dabei auch verantwortlich für eine „Schröpfung der Steuerzahler bis in die Existenzvernichtung.“

Weidel weiter: „Sie verteilen Geld, das Sie den Bürgern zuvor mehrfach weggenommen haben.“ Mittelstand und Industrie bräuchten aber Luft zum Atmen.

Linke: Bundesregierung bringt Menschen in verzweifelte Lage

Die Linke hat die Bundesregierung zu diplomatischen Anstrengungen gegen Russlands Krieg in der Ukraine aufgefordert. „Es muss alles unternommen werden, um auf diplomatischem Wege einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen, damit Friedensverhandlungen beginnen können“, sagte Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Mittwoch in den Beratungen des Bundeshaushalts im Bundestag. „Wir müssen mit Russland in Verhandlungen über die Gaslieferungen treten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“

Die Koalition belasse viele Menschen wegen der steigenden Preise in Deutschland in einer verzweifelten Lage. Die Politikerin zitierte mehrfach den Ausspruch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „You'll never walk alone.“ (Etwa: Du wirst den Weg niemals alleine gehen müssen.) Tatsächlich würden aber viele alleine gelassen, sagte sie. Der Kaufkraftverlust wirke verheerend. Das jüngste Entlastungspaket sei „einfach eine Frechheit.“ Die Kriegsmaschinerie in der Ukraine laufe im Übrigen trotz der westlichen Sanktionen gegen Russland weiter.

Dobrindt an Scholz: Habeck den Stecker ziehen

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wegen dessen Entscheidung gegen einen Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke scharf kritisiert. „Sie ignorieren die Ergebnisse dieses Stresstests, sie riskieren Blackouts, sie setzen Bürger und Betriebe in diesem Land einem echten, massiven Stresstest aus“, sagte Dobrindt am Mittwoch im Bundestag.

Die Netzsicherheit sei gefährdet, regionale Blackouts seien denkbar - wer vor diesem Hintergrund zu der Entscheidung komme, die drei Kernkraftwerke nicht weiter betreiben zu lassen, „der handelt nicht entlang der Fakten, sondern der handelt schlicht verantwortungslos“, rief Dobrindt Habeck zu. Der CSU-Politiker ergänzte mit Blick auf die niedersächsische Landtagswahl am 9. Oktober: „Und das alles, damit Ihre Grünen Wahlkampfkollegen in Niedersachsen ihr schönes Plakat «Bye Bye Atomkraft» nicht abhängen müssen.“

An Kanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt sagte Dobrindt: „Wenn dem grünen Energieminister in Deutschland die grüne Parteitagsbasis wichtiger ist als die Versorgungssicherheit unseres Landes, dann sollten Sie als Bundeskanzler diesem Wirtschaftsminister den Stecker ziehen.“

Habeck will zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke noch bis Mitte April als Notfallreserve einsatzbereit halten, das dritte zum Ende des Jahres abschalten. FDP und Union drängen dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke wegen der Energiekrise.

Lesen Sie dazu: Merz warnt vor drohendem Blackout im Winter

Ifo-Chef: Habecks Atom-Entscheidung „völlig verrückt“

Ifo-Chef Clemens Fuest kritisiert die Linie der Bundesregierung bei der Abkehr von der Atomkraft mit scharfen Worten. „Diese Kernkraftwerke abzuschalten, mitten in einer gewaltigen Stromkrise, erscheint mir völlig verrückt und europäisch extrem unsolidarisch“, sagt der Münchner Ökonom vor der Auslandspresse in Berlin. Vom Weiterbetrieb der Atomkraftwerke würden Europa und auch Deutschland sehr profitieren. Für die Stabilität der Stromversorgung in ganz Europa sei es wichtig, dass Kernkraftwerke weiterliefen. „Sie abzuschalten ist unsolidarisch, vom europäischen Standpunkt“, so Fuest. Es sei eine Frage von Nutzen und Kosten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD-Prognose: Zölle bremsen Wachstum bis 2027
03.12.2025

Die OECD sieht für Deutschland ab 2025 einen zögerlichen Aufschwung, der jedoch im internationalen Vergleich blass bleibt. Niedrige...

DWN
Politik
Politik Russland im Fokus: Finnlands Ex-Präsident warnt vor schnellem Ukraine-Frieden
03.12.2025

Finnlands früherer Präsident Sauli Niinistö verfolgt den Krieg in der Ukraine mit wachsender Sorge und warnt vor trügerischen...

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....