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Wirtschaftsverbände: Große Pleitewelle rollt auf Deutschland zu

Lesezeit: 2 min
07.09.2022 15:00  Aktualisiert: 07.09.2022 15:32
Wirtschaftsverbände schlagen Alarm: Die extrem gestiegenen Energiepreise bedrohen akut große Teile der Wirtschaft und des Wohlstandes.
Wirtschaftsverbände: Große Pleitewelle rollt auf Deutschland zu
Wirtschaftsverbände warnen angesichts extrem hoher Energiepreise vor einer Pleitewelle. (Foto: dpa)

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Wirtschaft und Politik warnen angesichts der explodierenden Energiekosten vor einer Pleitewelle in Deutschland. In einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Industrieverbandes BDI heißt es, für 58 Prozent der Betriebe sei dies eine starke Herausforderung, für 34 Prozent gehe es um die Existenz. Letzteres hatten im Februar erst 23 Prozent gesagt.

Fast jedes zehnte Unternehmen hat die Produktion schon gedrosselt oder sogar unterbrochen. Fast jede vierte Firma denke darüber nach oder sei bereits dabei, Unternehmensanteile oder Teile der Produktion sowie Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. "Die Bundesregierung muss schleunigst ein Entlastungsprogramm für die Wirtschaft auf den Weg bringen", forderte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

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Auch im Handwerk spitzt sich die wirtschaftliche Lage dem Branchenverband ZDH zufolge dramatisch zu. "Im Handwerk rollt auf uns wegen der Energiekrise eine Insolvenz-Welle zu", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer der "Rheinischen Post". "Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können." Die Dynamik bei Pleiten sei "viel schlimmer als in den Hochphasen der Corona-Pandemie". Nach seinem Eindruck habe die Bundesregierung dies noch gar nicht auf dem Schirm. Der Staat müsste jetzt besonders betroffene, energieintensive Betriebe direkt mit Härtefallhilfen unterstützen.

HABECK IN DER KRITIK

Das Wirtschaftsministerium warnt vor der Gefahr von "stillen Betriebsaufgaben". Insolvenzen seien nicht das alleinige Maß - diese Verfahren dienten gerade dem Ziel, Betriebe zu erhalten. Es könnten aber auch Geschäfte einfach geschlossen werden, ohne einen Insolvenzantrag zu stellen, weil sie sich wegen zu hoher Kosten nicht mehr lohnten. Das sei vor allem für kleine und mittelgroße Firmen ein ernstes Problem.

Das Ministerium reagierte damit auf Äußerungen von Ressortchef Robert Habeck am späten Dienstagabend, die vielfach kritisiert wurden. CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz warf dem Grünen-Politiker im Bundestag vor, hilflos zu agieren. "Man kann nur hoffen, dass ein Großteil der deutschen mittelständischen Unternehmer und vor allem der Bäckerinnen und Bäcker um diese Uhrzeit schon im Bett gelegen haben und geschlafen haben und das nicht mit ansehen mussten." Habeck hatte immer wieder über Bäckereien und deren Probleme gesprochen.

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Auf die Frage, ob er mit einer Insolvenzwelle im Zuge der explodierenden Energiepreise rechne, hatte Habeck in der ARD gesagt: "Nein, das tue ich nicht." Es gebe aber die Gefahr, dass bestimmte Betriebe aufgeben würden, ohne Insolvenz anzumelden. Das könne neben den Kosten auf die Kaufzurückhaltung von Kunden zurückgehen, so dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr lohnten. "Das ist eine Gefahr, der müssen wir begegnen." Wie dies geschehen solle, sagte er aber nicht.

RUHE VOR DEM STURM?

Dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zufolge ist die Zahl der Firmenpleiten derzeit noch stabil. "Das Insolvenzgeschehen zeigt sich trotz Energiekrise, Lieferkettenproblemen und dem schrittweisen Auslaufen der Corona-Hilfen noch immer erfreulich robust", sagte IWH-Fachmann Steffen Müller. Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften liege im Juni bei 709 und damit etwas unter den Vormonaten und nahezu exakt auf dem Vorjahresniveau. Auch für Juli und August sei mit keinen starken Veränderungen zu rechnen. Doch die Belastungen für die Firmen würden nochmals deutlich zulegen. Dazu gehörten die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober, die seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende und weiter zu erwartende Preissteigerungen bei der Energie.


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