Wirtschaft

Experten: Energiewende droht wegen steigender Rohstoffpreise zu entgleisen

Stark steigende Rohstoffpreise und politisch angeordnete Klima-Steuern, unter denen die Bürger leiden, könnten aus Sicht von Experten zur Gefahr für die Energiewende werden.
08.02.2022 13:00
Lesezeit: 2 min

Stark steigende Rohstoffpreise gefährden nach Ansicht von Wirtschaftsexperten den geplanten Übergang zu kohlendioxidfreier Stromerzeugung. „Wir müssen aufpassen, dass unsere schöne Energiewende nicht am Rohstoffmangel scheitert“, sagte Karl Lichtblau vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Kölner Ökonom sieht bei 22 chemischen Elementen Probleme und verwies auf Knappheit etwa bei Kupfer, Platin und Lithium. Kupfer wird für Windräder benötigt, Platin für die Wasserstofferzeugung, Lithium für die Batterieproduktion.

Der globale Chefstratege des US-Investmenthauses Morgan Stanley, Ruchir Sharma, sprach von einer „Greenflation“, einer Teuerungswelle durch die Energiewende. „Steigende Nachfrage und sinkendes Angebot werden die Preise weiter nach oben schießen lassen“, sagte er dem Blatt. Die ökonomischen Effekte könnten in den kommenden Jahren die gesamte weltweite Klimapolitik entgleisen lassen. Das Problem von „Greenflation“ liege nicht allein im aktuellen Anstieg der Rohstoffpreise. Hinzu komme, dass zugleich neue umweltpolitische Vorgaben die künftige Produktion, etwa von Kupfer und Aluminium, auf Dauer erschwerten. Dies alles könne kohlendioxidfreien Strom unterm Strich deutlich teurer machen als bisher gedacht.

Grafik: Entwicklung des Preises für CO2-Emissionszertifikate auf Sicht der vergangenen 12 Monate. (Quelle: Ember)

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel warnte vor sozialpolitischen Folgen. „Die Greenflation kann noch erhebliche Probleme aufwerfen“, sagte er dem RND. Hickel verwies auf eine Addition von marktbedingten und politisch gewollten Preissteigerungen, die am Ende vor allem Geringverdiener und Transferbezieher belasten könnten.

Die Bürger werden kräftig zur Kasse gebeten

Der Bund der Steuerzahler hat die Bundesregierung inzwischen angesichts der massiven Inflation aufgefordert, Entlastung bei den Strompreisen zu schaffen. „Die Ampel hat versprochen, die Mehreinnahmen durch die CO2-Preise an die Bürger zurückzugeben. Jetzt muss die Regierung ihr Versprechen auch umsetzen und für weitere Entlastungen sorgen“, sagte Präsident Reiner Holznagel der Deutschen Presse-Agentur. Die Debatte um die stark gestiegenen Energiepreise blende oft aus, dass der Fiskus daran prächtig verdiene. Die geplante Abschaffung der EEG-Umlage reiche bei weitem nicht aus.

„Auch eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zur Jahresmitte würde nicht ansatzweise die Belastungen ausgleichen, die privaten Haushalten durch die hohen CO2-Preise entstehen, mit denen der Staat allein im vergangenen Jahr rund 12,5 Milliarden Euro eingenommen hat“, sagte Holznagel. Außerdem stiegen mit den Preisen von Benzin, Gas, Öl und Strom auch die staatlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. „Demgegenüber sehen die bisher umgesetzten Entlastungen mickrig aus“, sagte Holznagel. Die für 2022 beschlossene Senkung der EEG-Umlage durch einen Bundeszuschuss von knapp 3,3 Milliarden Euro mache weniger als einen Cent pro Kilowattstunde aus.

Der Steuerzahlerbund fordert neben der Abschaffung der EEG-Umlage die weitgehende Abschaffung der Stromsteuer - so weit, wie EU-Recht dies zulässt. Derzeit verlange der deutsche Fiskus mehr als 20 Mal so viel wie nach EU-Recht vorgeschrieben. Außerdem solle die Mehrwertsteuer für Strom auf sieben Prozent gesenkt werden.

Nach Berechnungen des Steuerzahlerbunds hat eine vierköpfige Familie durch die CO2-Sondersteuer im Jahr Mehrkosten von 319 Euro. Selbst wenn die Bundesregierung alle Entlastungsforderungen erfüllen würde - die vorzeitige Streichung der EEG-Umlage sowie die Senkung von Strom- und Mehrwertsteuer - flössen nur 208 Euro mehr aufs Konto. Bei seiner Rechnung setzt der Steuerzahlerbund voraus, dass eine Familie im Jahr 4000 Kilowattstunden Strom, 20 000 Kilowattstunden Gas und 1120 Liter Benzin verbraucht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...

DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....

DWN
Politik
Politik Regierung startet Onlineportal für Bürgerfeedback
12.12.2025

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen stärker in die Verwaltungsarbeit einbeziehen. Über das neue Portal „Einfach machen“...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU setzt auf Kreislaufwirtschaft: Mehr Rohstoffe aus Schrottautos
12.12.2025

Die EU will die Wiederverwertung von Fahrzeugen deutlich verbessern. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten...

DWN
Immobilien
Immobilien Hausbrände verhüten: Wie Sie sich vor Feuer schützen
12.12.2025

Jährlich gibt es in Deutschland um die 200.000 Haus- und Wohnungsbrände. Eine verheerende Zahl, insbesondere wenn man bedenkt, dass die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen in Deutschland steigen weiter um 5,7 Prozent
12.12.2025

Die Pleitewelle in Deutschland reißt nicht ab: Im November stieg die Zahl der Firmeninsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 5,7 Prozent,...