Politik

Eon-Chef zeigt das Energie-Dilemma auf, in dem Europa steckt

Äußerungen des Eon-Chefs zeigen, wie Europa klimapolitisch, energiepolitisch und geopolitisch zwischen allen Stühlen sitzt.
01.02.2022 11:00
Aktualisiert: 01.02.2022 11:45
Lesezeit: 3 min

Eon-Chef Leonhard Birnbaum geht davon aus, dass Deutschland auch weiterhin russisches Erdgas benötigt. „Wir glauben, wir brauchen russisches Gas. Punkt. Insbesondere, wenn wir jetzt auch noch mehr auf Gas setzen, weil wir die Kohle abschalten wollen. Dann sollten wir nicht darüber nachdenken, wie wir das ohne russisches Gas machen“, sagte der Vorstandschef von Deutschlands größtem Energieversorger am Montagabend vor Mitgliedern der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung.

Lesen Sie dazu: Tiefschlag für die Energiewende: Kohle löst Windkraft als wichtigster Energieträger Deutschlands ab

Zur Frage, ob Deutschland die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 brauche, sagte Birnbaum: „Energiewirtschaftlich ist Nord Stream 2 hilfreich. Politisch kann die Bewertung anders ausfallen. Das muss in der Politik dann diskuiert werden.“

Grundsätzlich sei Pipelinegas günstiger als verflüssigtes Erdgas (LNG). „Wenn wir auf LNG angewiesen sind, werden die Gaspreise in Europa deutlich höher sein als in der Vergangenheit. Wenn die Preise sinken sollen, dann muss dazu mehr Pipelinegas nach Europa kommen“, sagte der Manager weiter. „Das erfordert auch natürlich Importe aus Russland, ganz klar. Ich hoffe, dass sich trotz der momentanen Spannungen am Ende ein vernünftiger Ausgang ergibt.“

Durch Nord Stream 2 soll mehr russisches Erdgas nach Deutschland gelangen. Insbesondere Anbieter aus den USA wollen hingegen ihre Exporte von LNG nach Europa ausbauen. Vor dem Hintergrund massiver Preisanstiege für Erdgas hat das teure LNG einen deutlichen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Pipeline-Gas.

Klima-Steuern treiben Energiepreise und Inflation

Die Preise für Strom sowie für fossile Energieprodukte wie Treibstoffe, Rohöl, Erdgas und Kohle sind in den vergangenen Jahren in Deutschland und Europa stark gestiegen. Ein Hauptgrund dafür sind mehrere klimapolitische Faktoren - allen voran das europaweite Handelssystem für CO2-Emissionsrechte und mehrere Sondersteuern auf CO2-Emissionen. Seit Anfang 2021 gilt in Deutschland eine Sondersteuer von 25 Euro je Tonne und die Preise für Emissionszertifikate sind geradezu explodiert: zwischen Januar 2021 und heute ergibt sich eine Verdreifachung von 30 Euro auf 90 Euro, wie aus offiziellen Daten abzulesen ist.

Lesen Sie dazu: Klima-Inflation führt zu „ungewöhnlich starken Reallohnverlusten“ der Deutschen

Angesichts stark steigender Energiepreise fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Bundesregierung auf, eine wirksame finanzielle Entlastung für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Dazu schlägt Verdi vor, die Mehrwertsteuer auf Energie in Höhe von 19 Prozent vorübergehend auszusetzen und Familien einen einmaligen Kinderbonus von 200 Euro zu zahlen. Grundsicherungsempfänger sollten nach dem Willen der Gewerkschaft einen zusätzlichen Beitrag von 200 Euro erhalten.

Diese Hilfen seien dringend geboten, erklärte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke bei der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft, die bereits am Montagabend zum Teil digital abgehalten wurde. „Die steigenden Strom- und Gaspreise sind zu einer ernsthaften Belastung für viele Haushalte geworden, die nicht nur Leistungsempfängerinnen, sondern auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt betreffen. Für manche Betroffenen lautet die Frage sogar: Essen oder Heizen?“, sagte er. „Das darf nicht sein.“ Eine Familie mit zwei Kindern könne bis zu 850 Euro im Jahr sparen, würden die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen.

Die vorzeitige vollständige Streichung der EEG-Umlage, die die Bundesregierung derzeit prüfe, reiche nicht aus, um die gestiegenen Kosten aufzufangen, erklärte der Gewerkschaftschef. Er halte eine Preissteigerung von mehr als drei Prozent in diesem Jahr für „absolut realistisch“, sagte Werneke.

Selbst die „ambitionierteste Tarifpolitik“ habe aktuell wenig Chancen, dem Trend etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen, erläuterte der Verdi-Chef. Auch in diesem Jahr will sich die Gewerkschaft in mehreren Tarifrunden für höhere Löhne einsetzen, etwa für Beschäftigte im privaten Bankgewerbe, bei der Telekom und in sozialen Berufen.

Linke: „Niemand soll frieren“

Für Menschen mit geringen Einkommen fordert die Linke eine Einmalzahlung von 200 Euro, um gestiegene Heizkosten zu decken. Das Geld müsse bereits im Februar an Menschen mit weniger als 1173 Euro netto im Monat fließen, schlug Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler am Montag vor.

Schon im vergangenen Winter hätten 7,4 Millionen Menschen nicht genügend Geld gehabt, um ihre Wohnung ausreichend zu heizen. „Niemand soll im Winter frieren“, sagte Schindler. Er stellte deshalb vier weitere Forderungen auf: So sollten die Heizkosten für Menschen in Hartz IV oder Grundsicherung „in tatsächlicher Höhe“ übernommen werden. Wohngeld sei auf Basis der Bruttowarmmiete zu zahlen und um eine Komponente für Stromkosten zu erweitern. Darüber hinaus sollten Strom- und Gassperren wegen Zahlungsunfähigkeit verboten werden. Und erhöhte Kosten wegen der CO2-Sondersteuern sollten von Vermietern allein gezahlt werden, fordert die Linke.

Das Statistische Bundesamt hatte zuletzt erläutert, dass die steigenden Energiepreise Menschen mit geringen Einkommen besonders belasten. Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1300 Euro wendeten demnach bereits im Jahr 2020 - als Heizöl, Gas und Strom noch vergleichsweise günstig waren - fast zehn Prozent ihrer gesamten Konsumausgaben dafür auf.

Auch der Mieterbund, die Umwelthilfe und Verbraucherschützer verlangen Heizkostenzuschüsse und geringe staatliche Abgaben auf den Strompreis. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge fordern die Verbände in einem gemeinsamen Katalog, unter anderem zügig die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Stromsteuer auf ein Minimum zu senken. Weiterhin sollen Strom- und Gassperren bis zum 1. April ausgesetzt werden. „Mieter leiden unter den höchsten Strompreisen in Europa, den aktuellen Preissprüngen auf dem Öl- und Gasmarkt und der vollen CO2-Preis-Umlage für Heizung und Warmwasser“, sagte Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Mieterbundes, der Zeitung.

Neben Sofortmaßnahmen wie dem Aussetzen von Strom- und Gassperren müssten zudem der Energieverbrauch im Gebäudesektor und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zur Wärmeerzeugung reduziert werden, forderte Thomas Engelke, Leiter Team Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...