Wirtschaft

Stahl-Konzerne fahren europaweit die Produktion herunter

Die rasant gestiegenen Energiekosten lassen vielen Stahlkochern keine andere Wahl, als die Produktion zu drosseln.
23.09.2022 17:00
Lesezeit: 2 min

Die Stahlbranche mit Konzernen wie Thyssenkrupp und ArcelorMittal tritt wegen der schwächelnden Nachfrage, explodierender Energiekosten und einer drohenden Rezession auf die Bremse. Von Januar bis Ende August schrumpfte die Rohstahlproduktion in Deutschland nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl im Vergleich zum Vorjahr um knapp fünf Prozent. Die Rahmenbedingungen für die Stahlindustrie und die verarbeitenden Branchen seien alles andere als gut, sagte Verbands-Präsident Hans Jürgen Kerkhoff der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, Lieferkettenprobleme, die Zinswende und eine schleppende Weltkonjunktur haben die Entwicklung deutlich belastet."

Der deutsche Branchenprimus Thyssenkrupp Steel Europe regierte auf das Umfeld: "Wir haben unsere Produktion entgegen früherer Planungen im Jahr etwas nach unten angepasst", erklärte der Konzern. Details nannte er nicht. "Wir sehen die aktuelle Zurückhaltung unserer Kunden als Indikator der sich jetzt deutlich abzeichnenden Rezession." Es sei unklar, ob es sich um vorübergehende oder dauerhafte Rückgänge handele. "Wir haben es mit einer Reihe von temporären, mittelfristigen Phänomenen – Lieferengpässe, Energiepreiskrise – zu tun, bei denen wir noch nicht beurteilen können, ob sich daraus langfristige Folgen für unsere Wertschöpfungsketten ergeben." Daher sei eine Prognose hier derzeit schwierig.

Große Sorgen bereiten den Herstellern die stark gestiegenen Energiekosten. Verbands-Präsident Kerkhoff bezeichnet die Situation als dramatisch. "Zurzeit müssen wir mit jährlichen Mehrkosten von über zehn Milliarden Euro im Vergleich zum Anfang des Vorjahres rechnen." Dies sei rund ein Viertel des Umsatzes, den die Stahlindustrie in Deutschland in den vergangenen Jahren durchschnittlich erzielt habe. Die Erdgas- und Strompreise seien deutlich höher als in den USA und Asien, was die Wettbewerbsfähigkeit belaste. Die Stahlimporte in die EU hätten im ersten Halbjahr mit 48 Millionen Tonnen ein Rekordhoch erreicht. "Die explodierenden Energiekosten wirken in dieser Situation als Brandbeschleuniger", betont Kerkhoff. Die Stahlbranche beschäftigt in Europa mehr als 300.000 Mitarbeiter, darunter etwa 76.000 in Deutschland.

Energiekosten explodieren

Die Unternehmen versuchen gegenzusteuern. So hat der Edelstahl-Hersteller Aperam beim Ökostrom aufgerüstet. Vier Windräder und über 50.000 Solarmodule hat das Unternehmen an seinem Standort Genk im Osten Belgiens installiert. Dennoch hat der Konzern die Produktion herunterfahren müssen. Die Energiekosten sind jetzt in einem Monat so hoch wie früher im gesamten Jahr. Aperam versuche, die Zeit zu überbrücken sagte Europa-Chef Bernard Hallemans der Nachrichtenagentur Reuters, Das könne aber nicht jahrelang so weitergehen. Falls doch, drohe in Branchen wie der Stahlindustrie das Aus. Dann wäre Europa in diesen Bereichen auf Importe angewiesen.

Die Stahlindustrie gehört neben der Chemie-, Aluminium-, Papier- und Zementindustrie zu den energieintensivsten Branchen überhaupt. ArcelorMittal - nach der chinesischen Baowu Group zweitgrößter Hersteller der Welt - hat auf die Kostenexplosion reagiert. Der Stahlkocher kündigte an, wegen der hohen Energiekosten zwei Anlagen in Bremen und Hamburg vorübergehend abzuschalten. In beiden Werken gebe es bereits Kurzarbeit, die nun ausgeweitet werde. Auch an den Produktionsstandorten in Duisburg und Eisenhüttenstadt herrsche Kurzarbeit. Stilllegungen gibt es auch bei AarcelorMittal in Frankreich, Polen und Spanien. In Europa rechnet der Konzern im vierten Quartal mit einem Rückgang der Produktion gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Baugenehmigungen steigen wieder: Eigenheime besonders gefragt
19.12.2025

Nach langer Flaute werden in Deutschland wieder deutlich mehr Wohnungen genehmigt. Vor allem bei Einfamilienhäusern zieht die Nachfrage...

DWN
Technologie
Technologie Lothar Schupet: Warum ich nach 23 Jahren BMW für ein chinesisches Startup verlassen habe
19.12.2025

Ein deutscher Topmanager verlässt nach 23 Jahren einen der mächtigsten Autokonzerne Europas und geht ausgerechnet zu einem chinesischen...

DWN
Finanzen
Finanzen USA Börsen: Überraschend deutlicher Rückgang der US-Inflation beflügelt die Aktienmärkte
18.12.2025

Die im letzten Monat überraschend stark abgekühlten US-Inflationsdaten befeuerten die Hoffnung, dass im Jahr 2026 weitere Zinssenkungen...

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...