Angesichts der prekären Abhängigkeitssituation, zu der die bundesdeutsche Energiepolitik der vergangenen Jahre geführt hat, setzt die aktuelle Regierungsmannschaft alles daran, um zukünftig bestenfalls eine vollständige Autarkie vom bisherigen Erdgas-Hauptlieferanten sicherzustellen.
Bislang fiel dabei schon der ein oder andere, in Stein gemeißelt geglaubte, insbesondere grüne Standpunkt der harten Realität zum Opfer. Man denke an den Weiterbetrieb bereits eingemotteter Kohlekraftwerke, die Aufhebung eines jahrelangen LNG-Terminalbauboykotts, an des Kanzlers „Machtwort“ in Sachen Atomenergie bis hin zum geplanten Einsatz von Ölkraftwerks-Schiffen in oder nahe den Naturschutzgebieten der deutschen Nordseeküste.
Als rotes Tuch gilt jedoch weiterhin die Förderung des Teils der eigenen Erdgasreserven, die nur mittels unkonventioneller Methode, dem sogenannten Hydraulic Fracturing, erfolgen kann. Den Fracking-Gegnern, die zu Recht auf die potenziell erheblichen Umweltbelastungen dieser Fördermethode verweisen, könnte nun ein von der Montanuniversität Leoben (Österreich) entwickeltes Verfahren den Wind aus den Segeln nehmen.
Die Ausgangslage
Neben auf herkömmliche Weise förderbarem Erdgas schlummern in bundesdeutschen Erden nicht unerhebliche Mengen an Schiefergas. Mittlere Schätzungen gehen dabei von 700 Mio. Kubikmetern aus, Optimisten sehen zwei Milliarden. Zu heben ist dieser Schatz jedoch nicht. Auf Grund von Umweltschutzbestimmungen ist die Gewinnung von Erdgas mittels hydraulischem Fracking seit 2017 in Deutschland verboten, denn diese Fördermethode birgt unbestritten Risiken. Neben der möglichen Freisetzung von Methan geht es vor allem um den Chemie-Cocktail, mit dem das gashaltige Schiefergestein tief im Erdreich unter hohem Druck aufgesprengt wird. Die Befürchtung, dass die giftige Flüssigkeit später ins Grundwasser gelangen und Mensch und Natur schädigen könnte, kann niemand wirklich vollständig ausräumen.
Zum anderen haben auf diese Fördermethode zurückzuführende Erbeben im Bereich von Europas größter Erdgasreserve – dem riesigen niederländischen Groningen-Feld – zu erheblichen Gebäudeschäden geführt und die dortige Produktion trotz voll ausgebauter Infrastruktur beinahe vollständig zum Erliegen gebracht. Das dies die gesellschaftliche Akzeptanz im nahen Norddeutschland nicht gerade erhöht, dürfte klar sein.
Interessanterweise bewertet der im Jahre 2021 erstellte Abschlussbericht einer von der Vorgängerregierung eingesetzten Expertenkommission die hochumstrittene Fördermethode dennoch wohlwollend und zeigt Wege auf, für umweltverträgliches Fracking. Nur diskutiert wird darüber nicht. Zwar würde eine Fracking-Freigabe aktuell auch nicht helfen, da die Vorlaufzeit bis zur ersten Bohrung mit mehreren Jahre zu lang ist. Die deutsche Politik lehnt diese perspektivisch möglicherweise sinnvolle Option auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit mehrheitlich aber grundsätzlich ab.
Mit dem guten Ergebnis der Grünen bei der Landtagswahl in Niedersachsen - dort befindet sich der weitaus größte Teil der deutschen Schiefergasvorkommen - scheint das Thema nun vollständig vom Tisch zu sein. Vor dem Hintergrund, dass Erdgas aktuell ohnehin nur als Brückentechnologie angesehen wird, ist dies auch durchaus verständlich. Allerdings lehrt die jüngste Vergangenheit einmal mehr, lieber niemals nie zu sagen. Offenheit in alle Richtungen wäre geboten, und sei es auch nur, um ein weiteres Konzept in der Schublade zu haben, für alle Fälle.
Bio und Fracking - Die Quadratur des Kreises?
„Bio“ und „Fracking“ gemeinsam in einem Satz zu verwenden, bedarf schon einiger argumentativer Verrenkungen. Die von der Leobener Montanuniversität in der österreichischen Steiermark für ihr Förderpatent geprägte Bezeichnung „Bio-Fracking“ klingt dann schon beinahe wie die Quadratur des Kreises. Das herkömmliche Fracking-Verfahren ist ja insbesondere deshalb umstritten, weil die Befürchtung besteht, dass die dabei unter hohem Druck ins Gestein gepressten, teils hochtoxischen Chemikalien - man benötigt diese, um die Pumpwege freizuhalten - durch die unkontrolliert entstehenden Risse wieder nach oben gelangen und unter Umständen das Grundwasser vergiften könnten.
Dies ist tatsächlich nicht gänzlich auszuschließen, wobei fairerweise dazu gesagt werden muss, dass Fracking in Deutschland in Tiefen zwischen 1.300 und 5.000 Metern erfolgen würde, der Grundwasserspiegel mit mindestens einem Kilometer Abstand dazu also mehr als ausreichend weit entfernt wäre und zudem durch Gesteinsbarrieren davon abgetrennt ist. Hinzu kommt, dass nur ein geringer Teil der Flüssigkeit überhaupt im Boden verbleibt, der Rest wird als sogenannter Rückfluss wieder herausgepumpt und entweder fachgerecht entsorgt oder wiederverwendet. Nichtsdestotrotz ist klar, dass dieses Verfahren per Definition nicht umweltfreundlich ist. Je nach Beschaffenheit der Lagerstätte werden pro Fracking-Maßnahme bis zu 700 Kubikmeter Wasser benötigt, zwei bis fünf Prozent davon machen die verwendeten Chemikalien aus.
Österreichische Uni geht neue Wege, löst aber nicht alle Probleme
Zwar kann auf den Einsatz von Chemikalien nicht gänzlich verzichtet werden, den österreichischen Forschern ist es jedoch gelungen, diese durch unkritische Substanzen zu ersetzen. So sollen bei diesem mit dem griffigen Namen „BEER“ versehenen Verfahren (das steht für „Bio-Enhanced-Energy-Recovery“) Additive zum Einsatz kommen, die nachweislich umweltverträglich sind und als solche auch behördlich genehmigt wurden.
Kaliumkarbonat und Stärke sind Beispiele von Ersatzstoffen, mit denen die Fließwege ebenso effizient offen gehalten werden können, wie mit den bisher verwendeten umweltschädlichen Substanzen. Grundsätzlich stünde dieses Verfahren sehr zeitnah zur Verfügung, rechtliche Hürden und die Verfügbarkeit der nötigen Gerätschaften sind die wesentlichen Bremsschuhe.
Auch in Österreich steht man der Erdgasgewinnung mittels Fracking grundsätzlich skeptisch gegenüber, sowohl seitens der Bevölkerung als auch politisch. Insbesondere Österreichs Grüne fordern weiterhin kategorisch ein klares Nein zum Thema Schiefergas-Fracking. Hinsichtlich der Entwicklung der Uni Leoben steht der Vorwurf des Greenwashing im Raum, da beispielsweise weiterhin zwangsläufig Biozide zur Abtötung von Bakterien sowie Korrosionsschutzmittel zum Einsatz kommen müssen. Beides ist nicht sonderlich „bio“.
Kritiker verweisen zudem auf weitere Probleme, die unabhängig von der konkreten Fracking-Methode bestehen und durch diese auch nicht adressiert werden können. So enthält beispielsweise jede Gaslagerstätte Flüssigkeit, die mit giftigen Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen belastet sein oder natürliche radioaktive Stoffe enthalten kann. Wenn es auf Grund der geologischen Voraussetzungen auch unwahrscheinlich ist, so kann die Gefahr von Unfällen, bei denen sich dieses Lagerstättenwasser mit Grundwasser vermischt, mit letzter Gewissheit nicht ausgeschlossen werden. Auch der enorme Wasserbedarf, den diese Gasfördertechnik erfordert, macht es schwer, ihr bedenkenlos ein grünes Label zu verpassen.
Keine Alternative ausschließen
Schaut man hierzulande auf die politischen Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit zurück, so sah man sich bereits mehrfach zum verwunderten Augenreiben genötigt, angesichts der Geschwindigkeit, mit der gewisse, unumstößlich feststehend geglaubte, Dogmen über Bord geworfen wurden. Nicht dass es schlecht wäre, die eigenen Glaubenssätze im Fall der Fälle pragmatisch an die unangenehme Realität anzupassen, ganz im Gegenteil.
Die Nutzung von zum Beispiel Kohle und Nukleartechnik sind wenigstens als Übergangslösung notwendig, um in diesen Krisenzeiten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes erhalten zu können. In der Fracking-Thematik sieht man jedoch weiterhin eine rote Linie. Dabei ist weder die vergleichsweise geringe Erdgasmenge das Argument noch die, auf Grund verschiedener zu überwindender Hürden, lange Anlaufzeit bis zum tatsächlichen Produktionsstart, sondern es sind die - vielfach theoretischen - Risiken für Mensch und Natur.
Jedoch macht der technologische Fortschritt auch auf diesem Gebiet nicht Halt, dass zeigt sowohl die eingangs erwähnte positive Einschätzung der bundesdeutschen Expertenkommission als auch der Vorstoß der österreichischen Forscher, die einen nicht unerheblichen Teil der Problematik entschärfen konnten. Vor diesem Hintergrund sollte zumindest ergebnisoffen geprüft werden, ob nicht auch Fracking zukünftig ein Baustein sein kann, um die bestehenden - und zweifellos neu hinzukommenden - Abhängigkeiten bei der Energieversorgung effektiv zu verringern. Im Übrigen ist es nur schwer vermittelbar, dass sich diejenigen, die Tag ein, Tag aus Umweltschutz predigen, aber nach dem Vorbild von Dritte-Welt-Ländern schwimmende Ölkraftwerke betreiben möchten, noch dazu im Naturschutzgebiet, einer solchen Alternative hartnäckig verweigern.