Die andauernde Energie-Krise in Europa äußert sich in mehreren osteuropäischen Ländern inzwischen auch als Heizkrise. Wie die Financial Times berichtet, verfeuern immer mehr ärmere Menschen in der Region schwefelhaltige Kohle, Holz – und teilweise auch Müll.
Viele Menschen könnten sich die gestiegenen Preise für Erdgasheizungen oder Strom schlichtweg nicht mehr leisten und steigen deshalb auf andere Brennstoffe und die Nutzung von Öfen um.
Die verstärkte Verfeuerung von schwefelhaltiger Kohle und Müll macht sich in einer deutlichen Erhöhung von Schadstoffemissionen bemerkbar. „Jahrelange Fortschritte gehen nun den Bach runter. Wenn ihr Überleben davon abhängt, werden die Leute alles verbrennen, was sie finden können“, zitiert die FT die Direktorin der ungarischen Umweltschutzgruppe Green Connection Association.
Als Reaktion auf die Krise hatte Ungarns Regierung zuletzt die Vorschriften für das Fällen von Bäumen gelockert und einen verstärkten Abbau der Braunkohlereserven des Landes angeordnet.
Polen hat die Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Kohle-Verfeuerung gesenkt und subventioniert den Kohlepreis, nachdem in den vergangenen Wochen Lieferengpässen bei dem wichtigen Energieträger auftraten: etwa jeder dritte Haushalt in Polen heizt mit Kohle. Der Vorsitzende der regierenden PIS-Partei, Jarosław Kaczyński, empfahl seinen Landsleuten vor Kurzem, „alles bis auf Autoreifen“ zu verbrennen, um die Wohnungen und Häuser im anstehenden Winter warm zu halten.
In der Slowakei steckten bereits im vergangenen Jahr rund ein Fünftel aller Haushalte offiziellen Angaben zufolge in einer „Energie-Armut“. In Bulgarien ist die Lage noch prekärer. Hier konnten sich bereits lange vor dem Krieg in der Ukraine 60 Prozent aller ärmeren Bürger keine ausreichende Heizung leisten.
Die kosovarische Umweltschutzorganisation EcoZ schätzt, dass im laufenden Jahr doppelt so viel Holz verfeuert werden dürfte wie in anderen Jahren. Angesichts der Heizkrise erwarten Beobachter, dass in ganz Osteuropa das illegale Fällen von Bäumen zunehmen wird.
Klimaschutz wird pausiert
Die verstärkte Hinwendung zu fossilen Brennstoffen wie Holz und Kohle deutet faktisch auf ein Einfrieren der Klimaschutzbemühungen in den kommenden Monaten hin - zumindest aber in den anstehenden Wintermonaten. Die Situation Polens liefert gutes Beispiel für die zunehmende Unvereinbarkeit der beiden Imperative Energiesicherheit und Klimaschutz in der herrschenden Energie-Krise in Osteuropa - aber nicht nur dort.
Polen war es in den vergangenen Jahren gelungen, den Anteil der Kohleverfeuerung im Energiemix zu reduzieren. Doch noch immer werden 70 Prozent der Primärenergie im Land in Kohlekraftwerken erzeugt, berichtet Oilprice. Ähnlich wie Berlin hatte auch Warschau auf den Einsatz von Erdgas als fossile Übergangslösung im Zuge weiterer De-Karbonisierungsmaßnahmen, insbesondere einer verstärkten Reduzierung der Kohleverfeuerung, gesetzt.
Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine und den darauf folgenden Sanktionen und Verknappungen russischer Lieferungen waren die Preise derart gestiegen, dass Gas diesen Status als wirtschaftliche Übergangslösung verlor. Als Reaktion darauf wandte man sich wieder stärker der Kohle zu: doch deren Gebrauch zur Energie- oder Stromerzeugung muss auf dem europäischen Markt für Emissionsrechte teuer finanziert werden.
Hinzu kommt noch, dass die hohe Inflation von mehr als 15 Prozent und die absehbare Rezession die finanziellen Rücklagen der Regierung und der Unternehmen schmälert, aus denen nicht zuletzt auch die Umstellung auf klimafreundlichere Energiequellen bezahlt werden soll. Die Bemühungen der Regierung, in die Atomkraft einzusteigen, sind ohnehin mit hohen Kosten verbunden und bedürfen bis zur Fertigstellung von Kernkraftwerken viel Zeit.
Was bleibt ist, sich vorerst auf alle verfügbaren Quellen zu stützen und dabei auch die beträchtlichen heimischen Braunkohlereserven zu nutzen. „Im Kontext der wirtschaftlichen Rezession und der wachsenden Energie-Armut besteht ein Risiko, dass die Energiewende langsamer läuft oder ganz zum Stillstand kommt“, schrieb die Niederlassung von E&Y in Polen vor Kurzem in einem Bericht.
Staaten reagieren mit Preisbremsen
Viele Regierungen in der Region senken die gestiegenen Energiekosten mithilfe von Subventionen ab.
In Slowenien zahlen Haushalte dank einer Preisbremse seit September 15 bis 60 Prozent weniger für Strom als zuvor. Bis Mai 2023 gilt eine Reduktion der Mehrwertsteuer von 22 auf 9,5 Prozent für Gas, Strom, Fernwärme und Brennholz. In diesem Jahr gab es mehrere Einmalzahlungen an ärmere Menschen sowie Hilfen für bedrohte Firmen.
In Kroatien gibt es einen Preisdeckel für Strom und die Tarife für Heizkosten wurden für diesen Winter eingefroren. Ärmere Menschen erhielten Nachlässe bei ihren Strom- und Gasrechnungen. Die Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme wurde von 25 auf 13 Prozent gesenkt. Insgesamt kosten die Entlastungen 3,4 Milliarden Euro.
In Ungarn sind Gaspreis und Strompreis für Haushaltskunden bereits seit 2014 gedeckelt. Unter dem Druck der Weltmarktpreise musste die Regierung nun die Regelung kippen. Seit August zahlen die Haushalte nur noch bis zu einer durchschnittlichen Verbrauchsgrenze den alten Fixpreis, der darüber hinausgehende Verbrauch kostet ein Vielfaches.
Tschechien hat einen Gas- und einen Strompreisdeckel für Haushalte und Kleinabnehmer verabschiedet. Die Kosten der Maßnahme schätzte die Regierung auf umgerechnet bis zu 5,3 Milliarden Euro. Privathaushalte erhalten zusätzlich einen Zuschuss von rund 4000 Kronen (160 Euro) in diesem Jahr. Großverbraucher etwa aus der Industrie können Subventionen beantragen. Kostenpunkt: etwa 1,2 Milliarden Euro.
In Polen werden die Strompreise für Haushalte im Jahr 2023 bis zu einer bestimmten Verbrauchsgrenze auf dem Niveau von 2022 eingefroren. Seit Februar hat die Regierung zudem den Steuersatz für Benzin und Dieselkraftstoff von 23 auf 8 Prozent gesenkt, die Mehrwertsteuer für Gas wurde ausgesetzt. Da in Polen noch viele Menschen mit Kohle heizen, wurde bereits ein einmaliger Kohlezuschuss von umgerechnet 625 Euro pro Haushalt genehmigt.
In Litauen plant die Regierung, einen Teil des Strompreises für alle Haushalte zu übernehmen. Im noch nicht vom Parlament gebilligten Staatshaushalt für 2023 sind 812 Millionen Euro dafür vorgesehen. Auch die Gaspreise sollen für Verbraucher ab dem 1. Januar um nicht mehr als 40 Prozent steigen. Das soll 56 Millionen Euro kosten.
In Estland werden Haushalte bei ihrer Stromrechnung mit einer Beihilfe von bis zu 50 Euro pro Monat unterstützt, wenn der Strompreis 80 Euro pro Megawattstunde übersteigt. Ähnlich werden die Bürger auch bei Gaspreisen von über 80 Euro pro Megawattstunde unterstützt, jedoch nur bei einer bestimmten Verbrauchsmenge.
In Lettland wird der Preisanstieg der Energieressourcen teilweise aus dem Staatshaushalt gedeckt. Vorgesehen sind Beihilfen für Haushalte, die Gas, Strom, Zentralheizung, Brennholz, Holzpellets oder Briketts zum Heizen nutzen. Zusätzliche Leistungen erhalten verschiedene Gruppen wie etwa Senioren oder Menschen mit Behinderungen. Dafür werden 442 Millionen Euro bereitgestellt. Ende September wurde noch mit einer neue Strom- und Gaspreisbremse nachgelegt, sodass Privathaushalte die ersten 100 Kilowattstunden Strom zu einem Festpreis erhalten. Beim Gas soll es ähnlich laufen.