Deutschland

Aluminium-Branche: Betriebe stellen Produktion massenhaft ein

Die deutsche Aluminiumbranche kollabiert.
03.11.2022 10:00
Lesezeit: 3 min

Die Berliner Zeitung berichtet von einem Warnruf der deutschen Aluminiumbranche. Dem Branchenverband Aluminium Deutschland zufolge zeigt eine Abrechnung von Energiekosten, dass sich die Aluminium-Produktion in Deutschland nicht mehr lohnt.

Da die Primärhütten in Deutschland besonders energieintensiv sind, sei die Primäraluminiumproduktion in Deutschland nach Angaben des Branchenverbandes im zweiten Quartal 2022 schon um 28 Prozent geschrumpft. Diese Tendenz werde sich, so die Erwartung, noch beschleunigen.

Bei den Primärhütten sind die rekordhohen Strompreise der Grund, bei der verarbeitenden Aluminiumindustrie dagegen die extremen Preise für Gas. Die nicht wettbewerbsfähigen Strompreise sind eine direkte Folge der Energiewende, die exorbitanten Gaspreise eine Folge der Sanktionen gegen russisches Gas.

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Wenn die Politik hohe Energiepreise nicht in den Griff bekommt, werden energieintensive Unternehmen bald aus Deutschland abwandern oder pleitegehen, warnt der Chef des Verbandes, Rob van Gils. Deutschland, das auf die Importe von Rohaluminium angewiesen sei, wäre dann komplett von Importen aus anderen Staaten abhängig – die Arbeitsplätze gingen verloren, zitiert die Berliner Zeitung van Gils.

Ohne eigenen Leichtbau, also die verarbeitende Industrie, könne es keine E-Mobilität geben, denn die Batterien von E-Autos bräuchten Schutzkästen aus Aluminium. Alle Automobilhersteller hierzulande wären betroffen.

Kahlschlag im Norden

Wegen der stark gestiegenen Energiepreise reduzieren Industriebetriebe mit einem hohen Stromverbrauch inzwischen ihre Produktion. Europas größter Stahlkonzern ArcelorMittal stoppte ab Oktober im Norden zwei Anlagen, wie das Unternehmen bereits Anfang September mitgeteilt hatte. Im Hamburger Langstahlwerk wird die Direktreduktionsanlage außer Betrieb genommen. Am Flachstahlstandort Bremen wird einer von zwei Hochöfen bis auf Weiteres stillgelegt.

Arcelormittal produziert in seinem Hamburger Werk pro Jahr rund 700 000 Tonnen Walzdraht. Dabei verbraucht es so viel Strom und Gas wie kein anderes Unternehmen in der Hansestadt. „Wir nutzen im Schnitt eine Terawattstunde Strom im Jahr - so viel wie die Stadt Kiel - und zwei Terawattstunden Gas“, sagte der Leiter des Stahlwerks, Uwe Braun, Ende September der Wochenzeitung Die Zeit. Da bei solchen Konditionen aktuell nicht wettbewerbsfähig gearbeitet werden könne, habe der Konzern die Produktion bereits deutlich heruntergefahren.

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Der Aluminiumhersteller Trimet hat die Produktion an seinen Hüttenstandorten Essen, Voerde (NRW) und Hamburg bereits im Oktober 2021 gedrosselt, wie ein Unternehmenssprecher sagte. „Das derzeitige Strompreisniveau sorgt dafür, dass die Kosten für die Herstellung von Aluminium in einem Maße gestiegen sind, dass sich keine kostendeckende, geschweige denn Gewinn bringende Produktion bewerkstelligen lässt“, hieß es in einer Mitteilung.

Der Kupfer-Hersteller Aurubis erklärte: „Zum aktuellen Zeitpunkt werden wir ausreichend mit Erdgas für unsere Produktionsprozesse versorgt.“ Im Werk Hamburg sei Erdgas in einigen Produktionsprozessen dringend notwendig und kurzfristig nur schwer zu ersetzen. Bei einer Umstellung auf alternative Energieträger käme es zu erheblichen Kosten und Verzögerungen. Ein Unternehmenssprecher erinnerte daran, dass Kupfer ein wichtiges Startprodukt für die Kabelindustrie sei. Die Metalle von Aurubis seien der Schlüssel für die Energiewende, Kupfer werde für Windräder, die Elektromobilität und die Solarenergie gebraucht.

Die Hamburger metallerzeugenden Betriebe verbrauchten im Jahr 2020 nach Angaben des Statistikamtes Nord 12 573 Terajoule (rund 3,5 Terawattstunden) an Strom. Das waren fast 30 Prozent des Gesamtverbrauchs der Stadt von 42 169 Terajoule (11,7 Terawattstunden).

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Energie sparen will auch der Gabelstabler-Hersteller Jungheinrich in Hamburg-Wandsbek. Eines von zwei großen Bürogebäuden werde bis Ende März nicht beheizt, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Nach einer Betriebsvereinbarung könnten die rund 1000 Mitarbeiter in Hamburg im Homeoffice arbeiten. Nach bisheriger Erfahrung nutze etwa die Hälfte von ihnen das Angebot. Darum werde eines der Gebäude nicht gebraucht. Mit der Sparmaßnahme wolle Jungheinrich seine Verantwortung in der Energiekrise wahrnehmen und sein Versprechen einer möglichst nachhaltigen Produktion einlösen. Der Energiebedarf sei allerdings nur einer der Kostenfaktoren.

„Es ist uns bekannt, dass die hohen Energiepreise für sehr viele Unternehmen zu großen Schwierigkeiten führen“, erklärte die Hamburger Wirtschaftsbehörde. Seit dem Sommer gebe es intensive Gespräche zwischen Senator Michael Westhagemann (parteilos), dem Industriekoordinator Andreas Rieckhof und den Unternehmen, „speziell vor dem Hintergrund einer möglichen Gasmangellage.“ Der Senat insgesamt setze sich auf Bundesebene für einen Energiepreisdeckel für Strom, Gas und Wärme ein. „Die Deindustrialisierung des Standorts Deutschland muss verhindert werden“, betonte ein Behördensprecher.

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