Die Talfahrt des Euro kam für viele Menschen überraschend, auch für den Autor dieser Zeilen. Der Blick auf den deprimierenden Verlauf des Euro-Dollar-Wechselkurs trübt die tägliche Routine vieler Anleger.
Der Euro ist an der Schwelle zur Weichwährung (ähnliches gilt übrigens für das britische Pfund und den japanischen Yen). Manche Wirtschaftsexperten verleihen der krisengebeutelten europäischen Gemeinschaftswährung diesen unrühmlichen Status schon heute. Denn nicht nur gegen den US-Dollar wurde massiv abgewertet. Auch im Vergleich zum chinesischen Yuan, Singapur-Dollar, Kanada-Dollar oder dem brasilianischem Real hat der Euro deutlich an Wert verloren. Und das zum Teil in einem Tempo, wie man es sonst nur von klassischen Weichwährungen aus Schwellen- und Entwicklungsländern kennt.
Die Gründe für den kollabierenden Euro sind zahlreich: Die Dollarstärke, die vor allem darin begründet ist, dass Anleger weltweit in der US-Währung Zuflucht vor dem globalen Börsenbeben suchen. Die zögerlichen Zinsschritte der EZB – immer mit der Sorge im Hinterkopf, dass die Zinsen der italienischen Staatspapiere aus dem Ruder laufen könnten. Und nicht zu vergessen: Die Markterwartungen einer heftigen Rezession inklusive eines bedeutenden wirtschaftlichen Abstiegs Deutschlands und Europas aufgrund der akut gefährdeten Energieversorgung.
Der Schweizer Franken musste auch federn lassen, wenn auch in geringerem Maße. Der Franken gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten, was in diesem Jahr allerdings nur bedingt zutraf. Diese Krise war besonders in der Hinsicht, dass es einen wohl noch nie dagewesenen Ansturm auf den US-Dollar gab. Vor der grob 10-prozentigen Abwertung seit Anfang 2021 war der Franken aber auch auf dem Weg zu einem neuen Rekordhoch. Gegenüber dem Euro hingegen hat der Franken in den letzten turbulenten 12 Monaten um 6,5 Prozent an Wert gewonnen.
Die Schweizer Währung hat ihren Status nicht zu Unrecht. Schaut man auf den langfristigen Kursverlauf zu Euro und Dollar, fallen kaum Unterschiede auf: Der Wert des Franken hat sich gegenüber beiden in den letzten 20 Jahren fantastisch entwickelt.
Der US-Dollar hat seitdem rund 30 Prozent verloren, der Euro fast 40 Prozent. Die fundamentale Struktur ist aber dieselbe. Insbesondere gegenüber dem Euro scheint der Franken eine inhärente Aufwertungs-Tendenz zu haben, obwohl die beiden Wirtschaftsräume engstens verzahnt sind.
Kaum Inflation im Alpenstaat
Auch was die gegenwärtige Inflations-Entwicklung angeht, laufen die Schweiz und der Rest Europas auseinander. In der EU stieg die Inflation im Oktober auf 10,7 Prozent – Tendenz steigend. Der Alpenstaat verzeichnete eine Teuerungsrate von nur 3 Prozent – Tendenz leicht fallend.
Warum sind die Preissteigerungen in der Schweiz so viel niedriger? Der starke Außenwert des Franken, was Importe verbilligt, ist ein Faktor, wohingegen die Eurozone in gravierendem Ausmaß Inflation importiert. Zudem ist die Schweiz weitaus weniger abhängig von russischem Öl und Gas als etwa Deutschland. In der Stromerzeugung setzt man überwiegend auf Wasser- und Atomkraft und nur wenige Haushalte heizen mit Gas.
Die Schweiz kommt mit der Inflation also vergleichsweise gut zurecht. Und das obwohl die Schweizer Notenbank (SNB) nun wahrlich keine radikale Zinserhöhungs-Politik wie die amerikanische Federal Reserve verfolgt. Der Leitzins, zu dem sich Schweizer Geschäftsbanken bei der SNB refinanzieren können, steht gerade mal bei 0,5 Prozent.
Schweizer Notenbank druckte sich einfach selbst einen Staatsfonds
Mittlerweile ist die SNB toleranter, was einen starken Franken angeht – nicht zuletzt weil der starke Franken die Teuerungsrate dämpft. Außerdem sorgt die Dollar-Stärke dafür, dass der Franken handelsgewichtet nicht übermäßig hoch bewertet ist.
In der Vergangenheit hatte die Schweizer Zentralbank noch regelmäßig am Devisenmarkt interveniert. Um die exportabhängige Wirtschaft zu stützen, senkte man die Zinsen noch niedriger als im Euroraum und kaufte regelmäßig Fremdwährungen (in erste Linie Euro und Dollar) auf und verhinderte damit eine „zu starke“ Aufwertung des Franken. Man stelle sich vor, wie hoch der Franken heute stehen würde, wenn die Marktkräfte nicht ständig unterdrückt worden wären.
In diesem Kontext ist es interessant, dass die SNB im Zuge der früheren Aufkauf-Programme einen riesigen Aktienbestand aufgebaut hat. Mit den frisch gedruckten Franken hatte man in dreistelliger Milliardenhöhe Unternehmensanteile aus aller Welt gekauft. Die Kapitalflucht in den Franken wurde also genutzt, um so etwas wie einen verkappten Staatsfonds aufzubauen. Eigentlich unvorstellbar, aber der Franken ist heute in gewisser Weise durch harte Assets (Produktivkapital) gedeckt. Ob sich die Hüter der vielleicht härtesten Währung der jüngeren Geschichte, die gegen alle anderen langfristig aufwertet, damit schon vor Jahren auf eine große Währungskrise vorbereitet haben?
Ein gigantisches Aktienportfolio hat auch Nachteile. Der diesjährige Börseneinbruch sorgte hier für eine Wertminderung von 54 Milliarden Franken. Andere Anlagen blieben ebenfalls nicht vom Finanzabschwung verschont, sodass auch hohe Verluste im Geschäft mit Anleihen und Devisen anfielen. Für die ersten drei Quartale des laufenden Jahres wies die SNB einen Buchverlust von 142,4 Milliarden aus. Das Eigenkapital betrug damit per 30. September nur noch rund 55 Milliarden Franken (6 Prozent der Bilanzsumme), vor einem Jahr waren es noch 219 Milliarden. Der Franken verlor auch deshalb an den Devisenmärkten etwas an Boden.
Von einer desolaten Bilanz wie bei der EZB ist man jedoch weit entfernt. Europas Zentralbank hat abgesehen von ihren Goldreserven keinerlei harte Assets. Stattdessen wurde vorwiegend in Anleihen ausfallgefährdeter Länder wie Italien, Spanien und Griechenland investiert, was insgesamt mehr als die Hälfte der Bilanzsumme von 8,7 Billionen (tausend Milliarden) Euro ausmacht.
Die EZB ist im Prinzip der mit Abstand größte Anleihe-Hedgefonds der Welt mit einer gigantischen knapp fünf Billionen Euro schweren Wette darauf, dass Inflation und Zinsen nicht mehr steigen und somit der Wert des gigantischen Staatsanleihe-Portfolios stabil bleibt. Diese Wette ist gescheitert. Bei einer Marktbewertung der Anleihen wäre das Eigenkapital (circa 700 Milliarden) der Euro-Notenbank sehr wahrscheinlich aufgebraucht, die EZB somit rein technisch gesehen pleite. In der Praxis kann die EZB genau wie jede andere Notenbank nicht insolvent werden, weil sie unbegrenzt Euro produzieren kann. Was sie vermutlich wieder in großem Stil tun wird, wenn die scheinbar unvermeidliche Energiekrise im Winter erst richtig zuschlägt und die europäische Wirtschaft in eine tiefe Rezession schickt. Das würde den Abwärtstrend des Euro noch einmal verschärfen.
Jetzt von Euro in Franken umschichten?
Die langfristige Aufwertungstendenz des Franken zum Euro und anderen Währungen ist offenkundig. Die Schweiz ist kein Teil der EU und geopolitisch stabil. Die Schweiz hat eine solide exportstarke Wirtschaft mit einem international hoch angesehenen Finanzsektor. Die Staatsverschuldung beträgt nur 30 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Anteil des Staates an der Wirtschaft ist mit 35 Prozent erheblich geringer als in der EU (durchschnittliche Staatsquote 52 Prozent), was die Schweizer Wirtschaft dynamischer macht. Der Safe-Haven-Status des Franken ist indes gerechtfertigt, vor allem bei Problemen in Euroland, und in gewisser Hinsicht eine selbsterfüllende Prophezeiung. Allein der Ruf des starken Franken zieht ausländisches Kapital an.
Binnen Jahresfrist hat der Franken gegenüber dem Euro um 6,5 Prozent aufgewertet, was interessanterweise ziemlich genau die Differenz der jährlichen Inflationsrate in den beiden Währungsräumen abbildet. Sollte man jetzt in Schweizer Franken umschichten, um sich gegen einen Verfall des Euros und gleichzeitig die hohe Inflation im Euroraum zu schützen?
Eine schwierige Frage. (Wechselkurs-)Entwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft. Auch die Schweizer Wirtschaft ist peripher von der Energiekrise betroffen. Die Probleme der Credit Suisse könnten auf den gesamten Bankensektor überschwappen und der Schweizer Immobilienmarkt ist derart teuer, dass eine heftige Korrektur inklusive Kapitalabflüssen ins Ausland droht. Auch ist es möglich, dass die SNB weitere Wertverluste ihres Aktienbestandes und ihrer Euro-Positionen verkraften muss und das Eigenkapital somit in den negativen Bereich rutscht. Der Euro wurde derweil doch äußerst stark abverkauft, sodass eine temporäre Gegenbewegung jederzeit möglich ist.
Trotz alledem ist es schwer vorstellbar, dass der Euro mittel- bis langfristig gegen den Franken aufwertet. Die Historie spricht ganz klar für die Schweizer Währung. Weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten dürften dem Franken als Fluchtwährung zugute kommen, zumal er im Gegensatz zum Dollar bis jetzt nicht übertrieben heiß gelaufen ist. Die SNB verfügt in ihrer Zinspolitik über reichlich Spielraum nach oben und aktuell hat die Notenbank ein Interesse an einem starken Franken, um die Inflation niedrig zu halten. Nicht zuletzt ist die Wirtschafts- sowie Zentralbankpolitik innerhalb der EU in negativer Hinsicht eine Klasse für sich und dass Hedgefonds-Legende Ray Dalio im großen Stil auf den Wertverfall europäischer Aktien wettet, sollte man zur Kenntnis nehmen.
Wer von Deutschland aus in Franken investieren möchte, muss ein Fremdwährungskonto eröffnen. Im Internet gibt es relativ günstige Möglichkeiten für Multiwährungs-Konten, aber es soll an dieser Stelle kein Anbieter genannt werden, um Schleichwerbung zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es auch bei einigen Brokern die Möglichkeit, Währungen zu tauschen.
Im Idealfall hätte man schon vor der Krise getauscht, aber das Timing an den Finanzmärkten wird man nie optimal hinbekommen. Rein pragmatisch könnte man zum Beispiel einen bestimmten Betrag an Euro-Ersparnissen festlegen, die man in Franken umtauschen möchte und diesen Betrag dann in mehreren Tranchen über viele Monate verteilen.
Einen gewissen Betrag sollte man als Deutscher in Euro behalten, schließlich benötigt man das Geld für tägliche Ausgaben. Es bietet sich außerdem an, seine liquiden Mittel weiter zu diversifizieren und neben Schweizer Franken auch einen Betrag in Dollar und eventuell noch anderen Fremdwährungen aufzubauen. Wer direkt an amerikanischen Börsen große Summen in US-Aktien gesteckt hat, der hat prinzipiell schon eine große Position im US-Dollar. Neben der Weltleitwährung gelten auch beispielsweise der Kanadische Dollar, die Norwegische Krone, der Australische Dollar und der Singapur-Dollar als stabil.
Vor einer globalen Hochinflation können aber selbst die besten Papier-Währungen immer nur bedingt schützen. In den letzten zwanzig Jahren war Gold der beste Inflationsschutz. Oftmals als „ultimative Währung“ bezeichnet, konnte das gelbe Edelmetall seine Kaufkraft über Jahrtausende erhalten. Aber Vorsicht: Der Goldpreis verläuft in sehr langen Zyklen und ist über den Derivate-Markt manipulierbar, wo rund 80-mal mehr Buchgold gehandelt wird als weltweit physisch vorhanden ist.