Politik

Schieflage des britischen Gesundheitswesens verschärft sich dramatisch

In Großbritannien eskalieren die seit Jahren schwelenden Schwierigkeiten im Gesundheitssystem.
10.11.2022 14:00
Aktualisiert: 10.11.2022 14:27
Lesezeit: 2 min
Schieflage des britischen Gesundheitswesens verschärft sich dramatisch
Ein Paar geht an einem Wandbild einer Pflegerin in Großbritannien vorbei. Das Gesundheitssystem des Landes befindet sich in einer schweren Krise. (Foto: dpa) Foto: Han Yan

In England warten so viele Menschen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen auf Routine-Eingriffe in Krankenhäusern. Die Zahl stieg Ende September auf 7,1 Millionen und brach damit den Rekord von 7 Millionen im August, wie die Nachrichtenagentur PA am Donnerstag unter Berufung auf aktuelle Zahlen des englischen National Health Service (NHS) meldete. Mehr als 400 000 Menschen warteten demnach Ende September bereits länger als ein Jahr auf ihre Behandlung. Die Aufzeichnungen reichen bis 2007 zurück.

Auch in den Notaufnahmen, für die bereits Daten aus dem Oktober vorliegen, verschlechterte sich die Situation weiter. Nach ihrer Anmeldung mussten der Statistik zufolge im vergangenen Monat fast 44 000 Patienten länger als zwölf Stunden auf ein Bett warten. Das war rund ein Drittel mehr als noch im September.

Nur knapp 70 Prozent der Patienten wurden in dem betrachteten Zeitraum innerhalb von vier Stunden nach Aufnahme behandelt - der schlechteste Wert seit Beginn der Statistik. Der angestrebte Standard, mindestens 95 Prozent der Notfallpatienten innerhalb von vier Stunden zu behandeln, ist bereits seit 2015 nicht mehr erreicht worden.

Der Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) in Großbritannien ist anders als die Krankenkassen in Deutschland nicht über Beiträge finanziert, sondern muss seine Ausgaben aus einem von der Regierung festgelegten Budget stemmen. Er gilt als chronisch unterfinanziert.

50.000 Pflegekräfte fehlen

Der NHS erlebt nach Einschätzung des Gesundheitsausschusses im Londoner Unterhaus die größte Personalkrise seiner Geschichte. „Die anhaltende Unterbesetzung stellt ein ernsthaftes Risiko für die Sicherheit von Personal und Patienten dar - sowohl in der Routine- als auch in der Notfallversorgung“, hieß es in einem Ende Juli veröffentlichten Bericht des Ausschusses.

Allein in England fehlten dem National Health Service 12 000 Krankenhausärzte und mehr als 50 000 Pflegekräfte und Hebammen, schreiben die Parlamentarier unter Berufung auf Zahlen des Nuffield Trusts. Eine überwältigende Mehrheit der Mediziner sei der Ansicht, mit der aktuellen Belegschaft den durch die Pandemie verstärkten Rückstau nicht abbauen zu können.

Gleichzeitig steige der Bedarf nach Leistungen des Gesundheits- und Pflegesektors weiter an. Im nächsten Jahrzehnten würden 475 000 zusätzliche Stellen im Gesundheitssektor und 490 000 in der Pflege benötigt werden, heißt es weiter. Die Regierung habe es verweigert, entschieden zu handeln. Zwar seien einige Fortschritte bei der Einstellung zusätzlicher Pflegekräfte gemacht worden. Allerdings habe der Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid selbst eingestanden, dass das Ziel, 6000 zusätzliche Hausärzte einzustellen, nicht wie im konservativen Wahlprogramm versprochen erreicht werde.

Das britische Gesundheitsministerium verwies in einem Statement daraufhin auf neue Einstellungen des vergangenen Jahres und versicherte, man werde weiteres Personal einstellen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...