Deutschland

Hohe Energiepreise: Deutsche Chemiebranche bangt um ihre Existenz

Die deutsche Chemiebranche schlägt Alarm: Die hohen Energiekosten bedrohten die Produktion und die Maßnahmen der Regierung seien unzureichend. Auch auf EU-Ebene ist kein Kompromiss zum Gaspreis-Deckel in Sicht.
24.11.2022 14:54
Aktualisiert: 24.11.2022 14:54
Lesezeit: 2 min

Die deutsche Chemiebranche hält die Preisbremsen auf Strom und Gas in der geplanten Form der Bundesregierung nicht für ausreichend, um energieintensive Betriebe zu retten. Die Fördergrenzen seien für größere Industriefirmen zu gering, außerdem gebe es einen hohen bürokratischen Aufwand und einen Zwang zu hohen Rückstellungen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, am Donnerstag.

Deutsche Chemieproduktion ist akut bedroht

„Gewaltige Strukturbrüche in Deutschlands Industrielandschaft können nur mit einer Rettung der besonders energieintensiven Grundstoffindustrie verhindert werden.“ Sollte die Unterstützung bei der Chemiebranche nicht ankommen, könne die Regierung ihr Ziel nicht erreichen, Strukturbrüche zu verhindern.

Die hohen Energiepreise in Europa als Folge des Ukrainekriegs belasten viele Industriebetriebe. Laut VCI dürfte sich die Lage zum Jahreswechsel nochmals verschärfen, weil dann viele Energielieferverträge auslaufen. Besonders stark unter Druck seien Mittelständler, die vor allem in Deutschland tätig seien. Die Energiepreise lägen um ein Vielfaches höher als etwa in Japan oder den USA. „Damit ist die hiesige Chemieproduktion akut bedroht“, hieß es in einem Papier des Verbandes.

Den Gesetzentwürfen zur Strom- und Gaspreisbremse zufolge soll für rund 25.000 Groß-Verbraucher der Industrie ab Januar ein subventionierter Preis von sieben Cent für 70 Prozent des Gasverbrauchs und von 13 Cent beim Strom gelten. Der VCI verwies darauf, dass die Hilfen aber mit Vorgaben der EU kollidierten.

Die maximale Fördergrenze von 150 Millionen Euro sei in der Chemiebranche sehr schnell erreicht. Außerdem dürften nur Firmen unterstützt werden, deren operativer Gewinn (Ebitda) um mindestens 40 Prozent zurückgehe. Weil dies im Vorfeld nur schwer zu schätzen sei, müssten in Höhe der Zuwendungen auch Rückstellungen für mögliche Rückzahlungen gebildet werden.

Keine Einigung auf EU-Ebene zu Gaspreis-Deckel

Auf EU-Ebene gibt es derweil trotz eines Kompromissvorschlags der EU-Kommission weiter keine Einigung zu einer Preis-Grenze beim Gas-Einkauf. „Man kann zusammenfassend sagen, dass alle irgendwie unglücklich sind mit dem Vorschlag der Kommission“, sagte der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold am Donnerstagmorgen kurz vor Beginn eines Sonder-Treffens der Energieminister in Brüssel. „Da wird noch viel Arbeit auf uns zukommen.“

Für Deutschland sei wichtig, dass die Märkte nicht durcheinanderkämen. Die belgische Ministerin Tinne Van der Straeten sagte: „Dieser Kommissions-Vorschlag muss im Detail diskutiert und der Text verbessert werden.“ Einigen Staaten halten den Kommissionsvorschlag für nicht weitgehend genug und damit unwirksam im Kampf gegen die hohen Preise. Anderen geht er als Eingriff in den Markt schon zu weit.

Die Kommission hatte eine Obergrenze bei einem Anstieg der Gaspreise im Großhandel vorgeschlagen. Diese soll nur unter hohen Auflagen greifen – wenn der Preis an der europäischen Gasbörse in den Niederlanden (TTF) über zwei Wochen hinweg höher als 275 Euro pro Megawattstunde liegt. Zugleich muss der Preis zuvor zehn Tage um mindestens 58 Euro über einem weltweiten Referenzpreis für Flüssiggas liegen. Derzeit liegt der TTF-Preis etwa über 100 Euro pro Megawattstunde. Im Sommer hatte er kurzzeitig bei über 300 Euro gelegen.

Eine Gruppe von 15 Staaten, geführt vor allem von Spanien und Frankreich, hält den Deckel für zu hoch und glaubt nicht, dass er so wirken kann. Die polnische Ministerin Anna Moskwa nannte diesen Deckel einen „Witz“. Eine zweite kleinere Gruppe, geführt von Deutschland, sieht einen Deckel allgemein kritisch. Sie fürchtet, dass Flüssiggas dann gar nicht erst in Europa ankommen und das Gas in Europa rationiert werden muss. Zudem könnte dies dann zu Verteilungskämpfen unter den Staaten kommen, wenn es eine Gasmangel-Lage gibt. „Das wollen wir unbedingt vermeiden“, sagte Giegold.

Auch formal einigen werden sich die Mitgliedsländer allerdings auf einen gemeinsamen Gas-Einkauf sowie eine bessere Förderung Erneuerbarer Energien, deren Ausbau Vorrang in ganz Europa bekommen soll. Dies soll Genehmigungen beschleunigen. Darauf hatten sich die Minister und die Kommission bereits im Vorfeld verständigt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie im Minus: Nvidia-Investor Softbank verkauft Aktien
11.11.2025

Nach einem starken Wochenstart der Tech-Werte an den US-Börsen richtet sich der Blick auf die Nvidia-Aktie. Während Anleger Hoffnungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Elektroindustrie: ZVEI meldet Aufschwung
11.11.2025

Die deutsche Elektroindustrie sendet nach schwierigen Monaten ein deutliches Lebenszeichen. Aufträge, Produktion und Umsätze steigen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Home-Office und Feierabend: Warum das Recht auf Abschalten jetzt gesetzlich gestärkt wird
11.11.2025

Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen, besonders im Home-Office. Viele fühlen sich nach Feierabend verpflichtet, E-Mails...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland verschlechtern sich unerwartet
11.11.2025

Die ZEW-Konjunkturerwartungen liefern ein wichtiges Signal für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Doch die Stimmung der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EuGH kippt Teile der EU-Mindestlohnrichtlinie: Was das für den Mindestlohn in Deutschland bedeutet
11.11.2025

Die EU-Mindestlohnrichtlinie sollte faire Bezahlung europaweit sichern – doch nun hat der Europäische Gerichtshof zentrale Teile...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie rutscht ab: Rüstungskonzern will weiter zulegen – Ziele enttäuschen Anleger
11.11.2025

Die Hensoldt-Aktie gerät nach ambitionierten Wachstumsprognosen und enttäuschenden Kurzfristaussichten in Bewegung. Zwischen hohen...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Prognose: Bitcoin-Kurs zwischen Stabilisierung und freiem Fall
11.11.2025

Kryptowährungen befinden sich im Abwärtstrend, auch der Bitcoin-Kurs geht am Dienstag wieder auf Tauchstation. Sicherheitsvorfälle und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Agenda 2030: Reiche fordert Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik
11.11.2025

Deutschland steht vor einem wirtschaftspolitischen Wendepunkt. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert mit ihrer Agenda 2030...