Die Zahl der Pleiten großer Unternehmen nimmt einer Untersuchung zufolge deutlich zu. Die Zahl der Großinsolvenzen ab einem Umsatz von 50 Millionen Euro verdoppelte sich demnach im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) mitteilte.
Drei Branchen fielen in der Analyse der BKS und der Insolvenzmonitoring-Firma STP Business Information besonders auf: Den größten Anstieg von Insolvenzen verzeichnete die Automobilindustrie. Hier gab es im dritten Quartal 33 Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahr.
Im Maschinenbau stiegen die Insolvenzen um 23 Prozent, gefolgt vom Gastgewerbe. Pleiten von Hotels und Restaurants nahmen im dritten Quartal um 22 Prozent zu.
Die wirtschaftliche Unsicherheit betrifft laut Experten der BKS alle Branchen und habe einen Einfluss auf Privatinsolvenzen, aber auch auf die Bilanzen der Banken. „Ich sehe ein großes Risiko für weitere Insolvenzen durch sogenannte Zombieunternehmen“, sagt BKS-Präsident Jürgen Sonder. „Schon zu Zeiten üppiger Liquidität waren diese nicht in der Lage, Schulden zu tilgen.“ Nun müssten diese Firmen höhere Material- und Energiekosten, sowie höhere Zinsen schultern.
Studie: Zehn Prozent der Firmen haben Finanzprobleme
Über 300.000 Unternehmen haben in Deutschland derzeit finanzielle Probleme. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des Informationsdienstleisters CRIF zur Zahlungsfähigkeit und Überschuldung von Firmen in Deutschland.
Für die Analyse hat CRIF knapp 3 Millionen Unternehmen in Deutschland hinsichtlich ihrer Kreditwürdigkeit bzw. Finanzkraft untersucht. Dazu gehören u.a. Angaben in den Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Umsatzzahlen, Zahlungserfahrungen oder gerichtliche Negativmerkmale. Die Anzahl der finanzschwachen Unternehmen steigerte sich im November 2022 laut Analyse im Vergleich zum März 2022 um 15,6 Prozent. Demnach haben derzeit 301.516 Unternehmen bzw. 10 Prozent der Firmen in Deutschland ein erhöhtes Insolvenzrisiko.
„Die hohen Energiekosten, die bestehenden Probleme in den Lieferketten und die Inflation machen vielen Unternehmen zu schaffen. Hinzu kommt die Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern, die aufgrund der hohen Energiepreise und der Inflation weniger Geld zur Verfügung haben. Die resultierenden Kaufkraftverluste belasten die Unternehmen ebenfalls“, kommentiert CRIF Deutschland Geschäftsführer Dr. Frank Schlein die derzeitige Situation.
Aktuell sind vor allem energieintensive Branchen insolvenzgefährdet. Neben den viel zitierten Bäckereien gehören auch die Keramik- und Glasindustrie, Papierhersteller oder die Transport- und die Logistikindustrie dazu. Auch das Handwerk ist aufgrund der Energiekrise besonders insolvenzgefährdet. Hinzu kommen Unternehmen aus der Gastronomie, der Getränkeherstellung, Friseursalons sowie Garten- und Landschaftsbauer. In diesen Branchen gab es bereits im Jahr 2022 zum Teil deutliche Anstiege bei den Firmeninsolvenzen.
„Aktuell gehen wir von 14.500 Firmeninsolvenzen im Jahr 2022 aus. Das ist ein Plus von 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, sagt Dr. Schlein. Der Informationsdienstleister CRIF erwartet auch 2023 mehr Insolvenzen. Die Prognose geht für das Jahr 2023 derzeit von 17.000 Firmeninsolvenzen aus - ein Plus von 17,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.
Deutliche regionale Unterschiede
Beim Blick auf die regionale Verteilung der Firmen mit hohem Zahlungsausfall- bzw. Insolvenzrisiko zeigen sich große Unterschiede. In absoluten Zahlen stehen Nordrhein-Westfalen (65.360), Bayern (37.063), Baden-Württemberg (33.675) und Niedersachsen (26.278) an der Spitze der Statistik der Bundesländer mit den meisten finanzschwachen Unternehmen. In Bremen (2.998) und im Saarland (3.002) gibt es absolut vergleichsweise wenig Firmen mit einem erhöhten Zahlungsausfallrisiko.
Bezogen auf die Firmendichte geht die höchste Insolvenzgefahr derzeit von Unternehmen in Sachsen-Anhalt aus. Aktuell sind 18,1 Prozent der Unternehmen dort in einer finanziellen Schieflage und somit von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit betroffen. Aber auch in Berlin (14,8 Prozent), Sachsen (14,5 Prozent) und in Bremen (14,4 Prozent) sind deutlich mehr Unternehmen von einer Insolvenz bedroht als im Bundesdurchschnitt. Prozentual betrachtet geht ein geringeres Risiko von Unternehmen in Bayern aus. Hier gelten nur 6,5 Prozent der Unternehmen als finanzschwach.
In 15 Bundesländern ist die Zahl insolvenzgefährdeter Unternehmen seit März 2022 angestiegen. Am stärksten in Bremen mit einem Plus von 41,4 Prozent. Deutlich mehr insolvenzgefährdete Unternehmen gab es auch in Berlin (plus 30,3 Prozent), Thüringen (plus 26,4 Prozent) und in Hamburg (plus 23 Prozent).
Es gibt in der Praxis typische Verhaltensmuster, die frühzeitig auf eine prekäre Situation von Unternehmen hinweisen, etwa wenn eine schlechtere Zahlungsmoral, ein verändertes Bestellverhalten oder eine häufige Änderung in der Geschäftsführung, Bankverbindung oder Firmierung auftreten. Indikatoren sind aber auch, wenn Zahlungen durch ungerechtfertigte Mängelrügen hinausgezögert, mündliche Zusagen gebrochen oder häufig Rechnungskopien angefordert werden. Zudem leisten sich die betroffenen Unternehmen keine Neuanschaffungen mehr und nutzen veraltete Produktionsanlagen. Hinweise auf eine finanzielle Schieflage liefert auch der Verbrauch von Eigenkapital über Jahre hinweg oder die mehrfache Erhöhung der Kreditlinie (Fremdkapitaleinsatz).
Für die Analyse hat CRIF eine Vielzahl von Informationen zur Finanzlage der Unternehmen, die Aufschluss über die Zahlungsfähigkeit geben, ausgewertet. Dazu gehören u. a. Angaben in den Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Mitarbeiter- und Umsatzzahlen oder Zahlungserfahrungen. Außerdem fließen Informationen zu vorhandenen gerichtlichen Negativmerkmalen in die Analyse mit ein. Laut der aktuellen Auswertung gelten im November 2022 301.516 Firmen in Deutschland als finanzschwach (Stichtag: 11. November 2022). Anders ausgedrückt sind 10 Prozent der insgesamt über 3 Millionen von CRIF für die Studie auf Zahlungsfähigkeit untersuchten Unternehmen überschuldet und demnach insolvenzgefährdet. Die betroffenen Unternehmen haben einen aktuellen Bonitätsindex im Bereich zwischen 4,5 bis 6,0.
BKS: Banken bekommen Probleme mit faulen Krediten
Im August veröffentlichte die BKS eine Prognose zu faulen Krediten in den Bankbilanzen. Mit Blick auf das kommende Jahr wird demnach ein deutlicher Anstieg erwartet, wie die Vereinigung damals in einer Pressemitteilung schrieb:
„Risikomanager in den deutschen Kreditinstituten erwarten einen deutlichen Anstieg von Non-performing Loans (NPLs) für 2023. Während für das laufende Jahr im Durchschnitt ein NPL-Volumen von knapp 32 Milliarden Euro prognostiziert wird, könnte es 2023 auf 37,6 Milliarden Euro steigen. Das ist das Ergebnis der Sommererhebung des NPL-Barometers, das von der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) sowie der Frankfurt School of Finance & Management herausgegeben wird.
Im Einzelnen erwarten 55 Prozent der befragten Risikomanager eine ‚signifikante‘ Steigerung von NPLs in deutschen Kreditinstituten im nächsten Jahr. 23 Prozent rechnen damit erst 2024 und acht Prozent noch später. Nur 13 Prozent sehen keine signifikante Zunahme in den kommenden Jahren. [...]
Von der erwarteten Erhöhung der NPL-Quoten werden laut Umfrage alle Assetklassen betroffen sein, besonders stark allerdings die Kredite an Konsumenten sowie an kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Bei diesen Gruppen sind die Ersparnisse aus der Vergangenheit vielfach gesunken, gleichzeitig stellt sich bei den Unternehmen die Frage, inwieweit sie den steigenden Kostendruck weitergeben können. Für die KMU wird erwartet, dass die NPL-Quote Ende des Jahres bei drei Prozent liegen und bis Ende 2023 auf 3,7 Prozent zulegen wird. Bei den Konsumentenkrediten rechnen die befragten Risikomanager im Mittel mit einem Anstieg von 2,6 auf 3,4 Prozent. Für den Bereich gewerbliche Immobilien lauten die Schätzungen 2,8 Prozent für Ende 2022 und 3,1 Prozent für Ende 2023.
Insgesamt schneiden mit Immobilien besicherte Kredite besser ab. Dennoch wird auch im wohnwirtschaftlichen Bereich ein Anstieg der NPL-Quoten von 1,4 auf 1,9 Prozent erwartet. ‚Ich gehe im wohnwirtschaftlichen Sektor ebenfalls von einer stagnierenden Preisentwicklung aus, denn die Zeiten, wo wir quasi monatliche Anpassungen in der Preisbewertung vornehmen müssen, dürften Geschichte sein‘, sagte BKS-Beirat Markus Thanner vom Bankhaus Bauer. ‚Bei gewerblichen Immobilien dürfte die Preisentwicklung im starken Maße von der Lage in Verbindung mit möglichen Verwendungsfähigkeiten der Immobilie abhängen.‘
Letztendlich überwiegt jedoch in der Finanzindustrie die Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen dieses toxischen Mixes der Risikofaktoren. Die Warnmechanismen sind voll aktiviert und das Risikomonitoring hat Hochkonjunktur. ‚Risikovorsorge und eingeschränkte Kreditvergabe sind die prophylaktischen Maßnahmen, die aktuell mehr und mehr durchgeführt werden‘, so Jürgen Sonder, Präsident der BKS.“