Weltwirtschaft

Aus Kostengründen: Fluggesellschaften drängen auf Flüge mit nur einem Piloten

Lesezeit: 3 min
04.12.2022 07:54
Ab 2027 sollen Solo-Flüge mit nur noch einem Piloten Realität werden. Doch der Vorschlag sorgt für große Sicherheitsbedenken.
Aus Kostengründen: Fluggesellschaften drängen auf Flüge mit nur einem Piloten
In Zukunft soll die Technik den zweiten Piloten im Flugzeug ersetzen, doch es gibt noch viele Bedenken. (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

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Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden drängen auf nur noch einen anstatt zwei Piloten im Cockpit von Passagierflugzeugen. Das würde Kosten in der Branche senken und den durch einen Mangel an Piloten ausgelösten Druck mindern. Der Vorschlag stößt allerdings auf erhebliche Sicherheitsbedenken.

Mehr als 40 Länder, darunter Deutschland, Großbritannien und Neuseeland, führen aktuell Gespräche mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), die für die Festlegung von Luftfahrtnormen zuständig ist. Das Thema: wie Flüge mit nur einem Piloten zur sicheren Realität werden können.

Laut Bloomberg arbeitet die EASA auch mit Flugzeugherstellern zusammen, um festzulegen, wie Soloflüge ablaufen sollen und um Regeln für die Überwachung dieser Flüge auszuarbeiten. Schon im Jahr 2027 könnten Soloflüge eine Realität werden. Doch der Plan kommt bei den Piloten nicht gut an. Auch Passagiere haben ihre Bedenken.

Solo-Pilot könnte im Notfall überfordert sein

Tony Lucas, ein Airbus-Kapitän bei Qantas Airways und Präsident der Australian and International Pilots Association, ist besorgt, dass ein Solo-Pilot in einem Notfall überfordert sein könnte. „Die Leute, die diesen Weg vorschlagen, sind nicht diejenigen, die jeden Tag Jets fliegen“, sagte Lucas. „Wenn etwas schief geht, dann geht es ziemlich schnell schief.“ Lucas macht sich auch Sorgen über die verlorengegangenen Möglichkeiten, Nachwuchspiloten zu betreuen, wenn die Flugbesatzungsmitglieder zunehmend allein arbeiten.

Vor ungefähr zwei Jahren musste beispielsweise ein British-Airways-Flug von London nach Athen in Zürich notlanden, nachdem der erste Offizier im Cockpit bewusstlos geworden war. Der Co-Pilot des A320-Airbus hatte nach der Hälfte des dreieinhalbstündigen Fluges über Unwohlsein geklagt.

Technische Herausforderungen

Die geplanten Änderungen bringen viele Herausforderungen mit sich. Bloomberg zufolge ist es noch nicht klar, was passieren würde, wenn ein Solo-Pilot im Cockpit zusammenbricht oder anfängt, unberechenbar zu fliegen. Automatisierung, Technologie und Fernunterstützung vom Boden müssten das Fachwissen und die Unmittelbarkeit eines zweiten Piloten ersetzen können.

Die Luftfahrt hat sich jedoch seit Jahrzehnten auf diesen Punkt zubewegt. In den 1950er Jahren waren die Cockpits von Verkehrsflugzeugen in der Regel mit einem Kapitän, einem Ersten Offizier oder Co-Piloten, einem Flugingenieur, einem Navigator und einem Funker besetzt. Technische Fortschritte haben die letztgenannten drei Positionen nach und nach überflüssig gemacht. „Wir entfernen möglicherweise das letzte Stück menschlicher Redundanz aus dem Cockpit“, so Janet Northcote, Leiterin der EASA-Kommunikationsabteilung.

Psychologischen Hürden für den Solo-Plan

Eine Bedingung für den Solo-Betrieb ist, dass er mindestens so sicher ist wie der Betrieb mit zwei Personen. Dies geht aus einem Antrag der EU an die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation hervor. „Die psychologischen Hürden sind wahrscheinlich schwerer zu überwinden als die technischen Hürden“, sagte Alexander Feldman, Präsident von Boeing Southeast Asia, vor kurzem auf einem Bloomberg Business Summit in Bangkok. „Die Technologie für Einzelpiloten ist schon vorhanden. Es geht darum, dass die Behörden und die Öffentlichkeit sich mit dieser neuen Technologie wohlfühlen müssen.“

Der erste Schritt wäre, das Alleinfliegen in der Zeit entweder nach dem Start oder vor der Landung zu erlauben. So könnte sich der Co-Pilot in der Kabine auszuruhen, anstatt im Cockpit zu bleiben um das Flugzeug zu steuern. Durch abwechselnde Pausen könnte eine zweiköpfige Besatzung dann längere Strecken ohne die Hilfe - und die Kosten - eines zusätzlichen Piloten fliegen.

Kosten sind derzeit ein großes Problem für die weltweite Branche. Der starke US-Dollar übt neuen Druck auf die schwachen Bilanzen global aktiver Fluggesellschaften aus und treibt die Kosten vom Treibstoff bis hin zu den von Flugzeugen selbst schnell in die Höhe. Letztendlich könnte das Fliegen vollständig automatisiert werden, mit minimaler Überwachung durch einen Piloten im Cockpit, so die EASA. Das System würde erkennen, dass ein Pilot ausfällt, und würde das Flugzeug dann selbständig auf einen bereits festgelegten Flughafen landen.

Passagiere haben Bedenken

Verschiedene Luftfahrtverbände sind der Meinung, dass ein zweiter Pilot, oder eine zweite Pilotin, die sicherste Option für Passagiere ist. „Passagiere kommerzieller Fluggesellschaften erwarten und verdienen unbedingt zwei Piloten im Cockpit,“ so Joe Leader, Geschäftsführer bei Apex, einem in New York ansässigen Luftfahrtverband.

Und laut der britischen Zivilluftfahrtbehörde könnte sich die Umstellung auf den Betrieb mit nur einem Piloten negativ auf die Ausbildung der Besatzung sowie die medizinischen Anforderungen und psychische Gesundheit der Crew auswirken. „Die Auswirkungen des Solo-Fliegens, auch wenn es nur für eine gewisse Zeit ist, bedürfen einer detaillierten Bewertung“, so die Behörde.

Northcote zufolge sei sich die EASA der verschiedenen Bedenken bewusst. „Diese Konzepte werden erst dann umgesetzt, wenn die Luftfahrtgemeinschaft davon überzeugt ist, dass der Betrieb mindestens genauso sicher ist wie heute."

Airbus prüft derzeit, wie Flugzeuge von kleineren Besatzungen geflogen werden könnten. Der Flugzeughersteller arbeitet mit Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden zusammen, um herauszufinden, ob zwei Piloten eine dreiköpfige Besatzung auf Langstreckenflügen sicher ersetzen könnten. Auch andere Fluggesellschaften, darunter China Eastern Airlines, sind Teil einer Studie, in der untersucht wird, wie Start- und Landeaufgaben automatisiert werden könnten.

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Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.


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