Politik

Warnschüsse auf beiden Seiten: Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verschärfen sich

An der Grenze zwischen Südkorea und dem Norden verschärfen sich die Spannungen. Beide Seiten intensivieren Schießübungen und Truppenmanöver - eine Übersicht des vergangenen Monats.
05.12.2022 13:00
Aktualisiert: 05.12.2022 13:40
Lesezeit: 6 min
Warnschüsse auf beiden Seiten: Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verschärfen sich
Diese von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA zur Verfügung gestellte Aufnahme ist nach Angaben von KCNA am 06.10.2022 entstanden und zeigt eine Militärübung der Fernartillerie-Division der koreanischen Volksarmee und des Luftwaffengeschwaders an einem unbekannten Ort. (Foto: dpa) Foto: -

Nordkorea hat mehr als 130 Artillerieschüsse als Warnung in Richtung Meer abgegeben. Grund seien gemeinsame Militärübungen Südkoreas und der USA, meldete die Nachrichtenagentur KCNA am Montag unter Berufung auf einen Sprecher des Generalstabs der Volksarmee. Dieser verwies demnach darauf, dass Nordkorea Dutzende Projektile gefunden habe, die im Süden in der Nähe der Grenze abgefeuert worden seien. "Wir warnen den Feind eindringlich davor, Spannungen entlang der Frontlinien unnötig zu eskalieren", zitierte die Agentur den Sprecher.

Südkoreas Militär reagierte auf die Artillerie-Salven nach eigenen Angaben mit mehreren Warnmeldungen an den Norden. Einige der nordkoreanischen Geschosse seien in einer Pufferzone nahe der Seegrenze zwischen beiden Staaten niedergegangen. Das sei ein Verstoß gegen das innerkoreanische Abkommen von 2018, das dem Abbau der Spannungen dienen soll.

Das südkoreanische und das amerikanische Militär hielten am Montag in der Nähe der Grenze gemeinsame Schießübungen an Land ab. Die beiden Verbündeten haben in diesem Jahr verstärkt gemeinsame Manöver veranstaltet und dies mit der Abschreckung Nordkoreas begründet. Seit geraumer Zeit häufen sich auch die Militäraktivitäten Nordkoreas. So wurden etliche Manöver mit Kampfflugzeugen und Artillerie-Einheiten abgehalten und ungewöhnlich viele Raketen getestet - darunter auch erstmals wieder seit 2017 Interkontinental-Raketen. Vielfach wird erwartet, dass das weitgehend isolierte Nordkorea bald auch einen weiteren Atomtest vornehmen könnte.

Übersicht der Militärübungen und Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit

5. Dezember: USA, Südkorea und Japan verhängen neue Sanktionen gegen Nordkorea

Die USA und ihre Verbündeten Südkorea und Japan haben neue Sanktionen gegen Personen und Organisationen in Verbindung mit dem nordkoreanischen Atomwaffenprogramm verhängt. Drei Funktionäre der in Nordkorea herrschenden Arbeiterpartei seien sanktioniert worden, erklärte das US-Finanzministerium am Donnerstag (Ortszeit). Die Funktionäre spielten „führende Rollen bei den widerrechtlichen Programmen (Nordkoreas) für Massenvernichtungswaffen und ballistische Raketen“, wurde der Abteilungsleiter für Terrorismus und Finanzermittlungen, Brian Nelson, zitiert.

Durch die Maßnahmen werden den Angaben zufolge unter anderem Vermögenswerte der Betroffenen eingefroren. Nordkorea ist bereits harten Sanktionen des UN-Sicherheitsrats unterworfen. Auch haben etwa die USA, Südkorea, Japan sowie die Europäische Union in den vergangenen Jahren immer wieder eigene Strafmaßnahmen gegen Nordkorea beschlossen. UN-Resolutionen untersagen dem weithin isolierten Land Atomtests sowie die Erprobung von ballistischen Raketen, die je nach Bauart mit einem atomaren Gefechtskopf bestückt werden können.

Südkorea setzte nun mit ähnlicher Begründung wie Washington acht Personen und sieben Institutionen auf eine Schwarze Liste. Damit reagiere das Land auch auf den jüngsten Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete am 18. November, teilte das Außenministerium in Seoul am Freitag mit. Die Regierung in Tokio beschloss laut der Nachrichtenagentur Kyodo, die Vermögenswerte zweier Handelsfirmen, einer Hacking-Gruppe sowie einer weiteren Person einzufrieren.

18. November: Südkorea und USA halten Militärübung ab

Südkorea und die USA haben nach Militärangaben mit einer gemeinsamen Übung in der Luft auf Nordkoreas Test einer Interkontinentalrakete (ICBM) reagiert. Zweck der Machtdemonstration am Freitag sei es gewesen, die Fähigkeiten für einen potenziellen Angriff auf nordkoreanische Raketenanlagen zu verbessern. Beide Länder hätten ihre Bereitschaft demonstriert, „auf jede Bedrohungen und Provokationen einschließlich einer nordkoreanischen ICBM“ zu antworten, teilte der gemeinsame Generalstab mit. Die USA haben 28 500 Soldaten in Südkorea stationiert.

Tarnkappen-Kampfflugzeuge des Typs F35A der südkoreanischen Luftstreitkräfte konzentrierten sich den Angaben zufolge auf den Abwurf von lasergelenkten Bomben, die auf Raketenfahrzeuge mit Abschussvorrichtung gerichtet werden können. Flugzeuge desselben Typs seien zudem mit F-16-Kampfjets der US-Luftwaffe in Angriffsformation über dem Meer vor der Ostküste geflogen.

18. November: Nordkorea feuert vermutlich Interkontinentalrakete ab

Nordkorea hat laut Angaben des südkoreanischen Militärs offenbar wieder eine atomwaffenfähige Rakete mit mehreren tausend Kilometern Reichweite abgefeuert. Das Militär habe den Start einer ballistischen Rakete in Nordkorea erfasst, die in Richtung des Japanischen Meers (koreanisch: Ostmeer) geflogen sei, teilte der Generalstab in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul mit. Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida verurteilte den erneuten Raketenabschuss aufs Schärfste. Nordkoreas Provokationen seien „nicht hinnehmbar“, sagte Kishida laut japanischen Medien.

Bei dem Geschoss handelte es sich nach südkoreanischen und japanischen Angaben vermutlich um eine Interkontinentalrakete (ICBM). Sie sei wahrscheinlich innerhalb Japans exklusiver Wirtschaftszone im Meer niedergegangen, wurde Kishida weiter zitiert. Es gebe aber keine Berichte über Schäden an Flugzeugen oder Schiffen. Von südkoreanischer Seite waren zunächst keine Details zur Flugdauer und Weite bekannt.

UN-Resolutionen verbieten der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen jeglicher Reichweite, die je nach Bauart einen oder mehrere atomare Gefechtsköpfe tragen können. Zu ICBM zählen Raketen mit einer Reichweite von mindestens 5500 Kilometern. Die Entwicklung strategischer Raketen mit großen Reichweiten richtet sich dabei besonders gegen die USA, denen Pjöngjang eine feindselige Politik vorwirft.

Südkoreas Militär geht davon aus, dass das abgeschottete Nachbarland zuletzt Anfang November eine ICBM abgeschossen hat. Damals soll es nach der Startphase zu Problemen gekommen sein. Nach Angaben der Regierung in Tokio verschwand die Rakete über dem Japanischen Meer vom Radar.

9. November: Nordkorea feuert ballistische Rakete ab

Nordkorea hat nach Angaben des südkoreanischen Militärs abermals mindestens eine ballistische Rakete abgefeuert. Die Rakete sei in Richtung des Japanischen Meers (koreanisch: Ostmeer) geflogen, teilte der Generalstab in der Hauptstadt Seoul mit. Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt. In der Vorwoche soll Nordkorea dem Militär in Südkorea zufolge mehr als 25 Raketen abgefeuert haben, einschließlich einer Interkontinentalrakete. Die Tests galten auch als Reaktion auf Luftübungen der südkoreanischen und US-amerikanischen Streitkräfte. Die Übungen gingen am Samstag zu Ende.

7. November: Nordkorea droht mit Gegenmaßnahmen bei weiteren Manövern in Südkorea

Nach der jüngsten Serie von Raketentests hat Nordkorea mit weiteren militärischen Gegenmaßnahmen gedroht, sollten Südkorea und die USA künftig neue Militärmanöver unternehmen. Der Generalstab der Volksarmee warf beiden Ländern vor, ihre gemeinsamen Luftübungen „Vigilant Storm“ in der vergangenen Woche seien „aggressiver Natur“ und direkt gegen Nordkorea gerichtet.

Die Raketentests sollten demnach Angriffe auf Luftwaffenstützpunkte sowie Kommandostellen Südkoreas und der USA sowie andere Ziele simulieren. Je beharrlicher die provokativen Aktivitäten der Feinde fortgesetzt würden, desto „gründlicher und gnadenloser“ werde die Volksarmee reagieren, hieß es in den staatlich kontrollierten Medien.

Nordkorea unterstreicht damit nach Meinung von Experten, dass das von Machthaber Kim Jong Un regierte Land von seinen militärpolitischen Zielen nicht abrücken und ein Ende der südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver erzwingen will.

Bei den jüngsten Tests wurden laut dem nordkoreanischen Generalstab auch Raketen mit Streusprengköpfen und Gefechtsköpfen zur Durchdringung unterirdischer Stellungen abgeschossen. Der Behauptung Nordkoreas, auch zwei Marschflugkörper vor der östlichen südkoreanischen Küstenstadt Ulsan ins offene Meer gefeuert zu haben, widersprach Südkoreas Militär. Nicht alle Angaben Nordkoreas zu den Waffentests seien wahr, hieß es.

Erste Novemberwoche: Großangelegte Militärübung „Vigilant Storm“

Keine Entspannung in Sicht: Zum Abschluss gemeinsamer Luftübungen haben die Streitkräfte der USA und Südkoreas noch einmal militärische Stärke gegenüber Nordkorea demonstriert. Erstmals seit fünf Jahren schickten die USA wieder Langstreckenbomber des Typs B-1B zur koreanischen Halbinsel, teilte Südkoreas Generalstab am 5. November mit. Zwei dieser Überschallbomber nahmen demnach neben acht Kampfjets beider Länder am Manöver „Vigilant Storm“ in Südkorea teil, das nach sechs Tagen zu Ende ging.

Nordkorea setzte am selben Tag seine Raketentests fort. Mindestens vier ballistische Kurzstreckenraketen wurden nach Angaben des südkoreanischen Militärs nach dem Start in Nordkorea erfasst. Sie seien etwa 130 Kilometer weit in Richtung des Gelben Meers geflogen.

Ob die Tests nach dem Überflug der B-1B-Bomber erfolgten oder davor, ging aus den Angaben nicht hervor. Die USA hatten in der Vergangenheit als Zeichen der Bündnisstärke bereits mehrfach Langstreckenbomber über Südkorea fliegen lassen.

Im September hatte Nordkoreas Parlament ein Gesetz zur Nuklearpolitik beschlossen, das unter anderem den Einsatz von Atomwaffen nicht nur bei einem Angriff feindlicher Kräfte, sondern schon bei einem drohenden Angriff auf die Führung in Pjöngjang vorsieht.

Die Drohungen mit einem Präventivschlag sind nicht grundlegend neu, doch gibt es nach Ansicht von Experten einige Änderungen in der bisherigen Nuklear-Doktrin des Ein-Parteien-Staats. „Pjöngjang hat die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen in einigen Szenarios, die in der Gesetzgebung beschrieben werden, niedriger gelegt“, schreibt der Ostasien-Experte Bruce Klingner in einem Bericht der Heritage Foundation.

An der waffenstarrenden Grenze zwischen Süd- und Nordkorea stehen sich mehr als eine Million Soldaten gegenüber. In Südkorea haben die USA zudem derzeit 28 500 Soldaten als Abschreckung gegen Nordkorea stationiert. Die Menschen in der Region befürchten, dass schon geringste Fehlkalkulationen auf einer der beiden Seiten gefährlichste Konsequenzen nach sich ziehen könnten.

Die Aussicht, dass Nordkoreas Atomstreitmacht in höchste Alarmbereitschaft versetzt werden könnte, sei zutiefst beunruhigend, schreibt der Experte Ankit Panda im Magazin Foreign Policy. Das könnte auch „das Risiko schaffen, dass Pjöngjang einen Atomkrieg auf der Basis falscher Warnungen beginnen könnte, oder weil es den Zweck der Aktivitäten des amerikanischen oder südkoreanischen Militärs falsch wahrnimmt.“

Erschwerend kommt hinzu, dass auf der Ebene des UN-Sicherheitsrats derzeit kein einvernehmliches Vorgehen gegen die zunehmenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu erwarten ist. Auch bei seiner neunten Sitzung in diesem Jahr zum Thema Nordkorea verhinderte die Spaltung des höchsten UN-Gremiums eine gemeinsame Stellungnahme der 15 Mitglieder. Stattdessen verurteilten eine Reihe von Ländern - darunter die USA, Großbritannien und Frankreich - die Raketentests Pjöngjangs separat.

Ein geschlossenes Vorgehen des Rates scheiterte in der Vergangenheit am Widerstand Chinas, das als engster internationaler Partner Nordkoreas gesehen wird. In der Sitzung am Freitag kritisierte der chinesische Botschafter Zhang Jun unter anderem amerikanisch-südkoreanische Militärübungen, durch die aus seiner Sicht die Spirale der Eskalation angetrieben werde. Er betonte jedoch auch, Peking sei klar gegen jegliche atomare Aufrüstung auf der koreanischen Halbinsel.

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