Finanzen

Star-Investor Michael Burry verwirrt die Wall Street

Lesezeit: 5 min
11.12.2022 09:00
Was macht eigentlich Hedgefonds-Star „Mr. Big Short“ Michael Burry? Nun: Der Prophet des Immobiliencrashs von 2007 investiert schon wieder unkonventionell.
Star-Investor Michael Burry verwirrt die Wall Street
Hedgefonds-Star Michael Burry hält die großen Aktien-Indizes für massiv überteuert. (Foto: dpa)

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Michael Burrys Hedgefonds heißt „Scion Asset Management“. Die für größere Investment-Fonds verpflichtendeForm 13F“ der Aufsichtsbehörde SEC gibt der Öffentlichkeit quartalsweise Auskunft über die jüngsten Geldflüsse. Scion hat demzufolge aktuell sechs Aktien im Portfolio und bei allen sechs setzt Burry auf steigende Kurse.

Aktien für bedrohliche Szenarien

Der letzte 13F-Bericht hatte sowohl die Wall Street als auch Kleinanleger ziemlich verwirrt. „Mr. Big Short“ hatte im zweiten Quartal fast alles verkauft und nur noch eine kleine Position in „The Geo Group“, einem Betreiber von privaten Gefängnissen und psychiatrischen Einrichtungen. Manche Beobachter vermuteten, dass Burry damit nur trollen und ein Statement setzen wollte. Ein Betreiber von Gefängnissen und Nervenheil-Anstalten als eine Art Symbol für eine zunehmend moralisch kranke Gesellschaft.

Wie sich nun zeigt, scheint Burry sehr wohl in die Zukunft von Geo Group investieren zu wollen. Seine Position hat er beträchtlich aufgestockt und die Aktien der Gefängnis-Firma machen jetzt 38 Prozent seines insgesamt 41 Millionen Dollar schweren Aktien-Portfolios aus.

Warum setzt der Hedgefonds-Veteran so viel Geld auf einen einzigen Gefängniskonzern? So traurig es ist, aber private Gefängnisse und geschlossene Anstalten sind in den USA ein blühendes Geschäft. Womöglich sieht Burry in Betreibern von psychiatrischen Kliniken die größten Gewinner von Coronaschäden (langfristige Impfnebenwirkungen, psychische Langzeitschäden von Lockdowns etc.) und Gefängniskonzerne als Profiteure von kommenden sozialen Problemen (steigende Kriminalität wegen Inflation, Energiekrise und Rezession). Im Speziellen könnte es auch das gewaltige Immobilien-Vermögen von Geo Group (Bilanzwert von 2,3 Milliarden Dollar) sein, in dem Burry etwas sieht, das die Masse der Marktteilnehmer nicht zu erkennen vermag.

Immerhin 6,4 Millionen hat Burry zudem in Aktien von „Corecivic“ gesteckt, ein weiterer Gefängnisbetreiber aus den Vereinigten Staaten. Mit „Aerojet Rocketdyne“ für über 5 Millionen Dollar ist auch eine US-Rüstungsfirma auf der Liste. Erwähnenswert ist hier, dass noch vor einem Jahr ein Viertel des gesamten Scion-Portfolios in den Rüstungs-Giganten Lockheed Martin investiert war. Burry rechnet also eher mit zunehmenden geopolitischen und militärischen Auseinandersetzungen auf der Welt und ganz sicher nicht mit einer Entspannung der gegenwärtigen Konfliktherde.

Über den finanziellen Sinn und die moralischen Implikationen einer Investition in Gefängnis- und Rüstungskonzerne kann man viel diskutieren. Die anderen Käufe sind da weniger kontrovers und fallen eher unter die Kategorie des klassischen Value-Investierens, wovon Burry schon immer ein Anhänger war. Value bezeichnet eine Strategie, bei der Anleger versuchen, fundamental unterbewertete Aktien (zum Beispiel aufgrund von irrational starken Abverkäufen in einem Bärenmarkt oder einfach nur versteckten Vermögenswerte in der Bilanz) zu finden und von der postulierten langfristigen Rückkehr zum fairen Wert zu profitieren.

Das Medienkonglomerat „Qurate Retail“ (Scion hält Aktien im Wert von 10 Millionen Dollar) sowie die Telekommunikationsanbieter „Charter Communications“ (3 Millionen) und „Liberty Latin America“ (1 Million) haben in ihrer Kurs-Bandbreite einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Von hier aus kann es nach Ansicht Burrys wohl nur aufwärts gehen.

„Mr. Big Short“ hält überwiegend Cash und sieht gute Zeiten für China-Aktien und Gold

Der Löwenanteil der Anlegergelder (250 von insgesamt 290 Millionen Dollar) steckt aber ohnehin in Cash-Reserven. Die höchst defensive Positionierung zeigt deutlich, was Burry von den Bewertungen des breiten Marktes hält.

Darüber hinaus ist interessant, dass Burry scheinbar über einen Einstieg in den stark ausgebombten chinesischen Aktienmarkt nachdenkt, zumindest könnte man einige Twitter-Posts so interpretieren (siehe archivierte Tweets hier und hier). Seiner Ansicht nach befinden sich China-Aktien derzeit in einem ähnlichen Umfeld wie US-Aktien Anfang 2009, die in den folgenden Jahren förmlich im Wert explodierten: Sehr niedrige Kurse mit kaum noch Luft nach unten und eine äußerst ängstliche Stimmung unter den Anlegern. China wäre zudem viel zu bedeutend für die USA, als dass man einen dauerhaften Finanzkrieg gegen das Reich der Mitte führen könnte.

Burry sieht in vielen Sektoren gewaltige Risiken auftürmen. Den breiten Markt hält er für so überbewertet wie selten in der Geschichte, was nicht zuletzt an der immer wiederkehrenden Gier der Masse und der neuartigen „Blase des passiven Investierens“ in ETFs liege. Im laufenden Jahr hatte das Finanzgenie wiederholt auf die Parallelen der heutigen Marktsituation mit der großen Depression in den 1930er-Jahren und der Dotcom-Blase in den Nullerjahren hingewiesen. Hinzu kommt die allzu restriktive Geldpolitik der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed), die den Märkten das in den letzten Jahren so wichtige billige Geld entzieht. Die Realwirtschaft steht seiner Meinung nach vor einer mehrere Jahre andauernden Rezession.

Warum aber ist „Mr. Big Short“ dann momentan laut 13F-Bericht gar nicht „short“, setzt also nicht auf fallende Aktienkurse? Vermutlich denkt der kontroverse Fondsmanager, dass sich in naher Zukunft besser Einstiegschancen - ergo höhere Kurse - ergeben werden. Es macht durchaus Sinn, die gegenwärtige Bärenmarkt-Rally abzuwarten. Außerdem ist Burry möglicherweise gerade jetzt schon wieder im Short-Bereich unterwegs, ohne dass die Welt davon weiß. Die 13F-Berichte erscheinen ja immer erst zeitverzögert und reine Leerverkäufe müssen nicht offengelegt werden, nur Short-Wetten über Optionen. Letzteres scheint Burrys favorisierter Ansatz zu sein, weil bei Käufen von Verkaufsoptionen das Verlustrisiko auf die Optionsprämie begrenzt ist.

Tatsächlich deutete das Finanzgenie in den letzten Wochen auf Twitter an, dass er mit hohem Einsatz auf einen Aktiencrash setzt. Exakt heißt es in einem mittlerweile gelöschten Tweet vom 16. November: „Ihr ahnt nicht, wie stark ich short bin“. Einen Tag zuvor ließ Burry durchblicken, dass das gegenwärtige Chaos im Kryptomarkt der Beginn einer Goldhausse sein könnte. Wenn dem so ist, dann bleibt allerdings die Frage, warum Scion noch nicht in Gold(aktien) investiert ist. Vielleicht rechnet Burry auch hier mit besseren Einstiegsmöglichkeiten. Die hohe Cashquote von rund 85 Prozent fungiert jedenfalls als Sicherheitsnetz und wenn es wirklich zu einem großen Crash am Aktienmarkt kommen sollte, hätte „Mr. Big Short“ mehr als genug Liquidität zur Verfügung, um niedergeprügelte Assets unten einzusammeln.

Burrys Track Record ist auch in jüngster Zeit ziemlich ansehnlich. Der Informationsseite Hedgefollow zufolge hat Burry mit seiner Aktienauswahl den SP500-Index innerhalb der letzten 4 Jahre mit einem Rendite-Vorsprung von knapp 80 Prozent deutlich geschlagen (Vorsicht: Die tatsächliche Performance von Scion ist nicht öffentlich zugänglich und dürfte aufgrund teilweise hoher Cash-Anteile erheblich niedriger liegen).

Wie Burry zur Legende wurde

Als einer der wenigen an der Wall Street hatte Michael Burry schon 2006 den Kollaps des US-Häusermarktes vorausgeahnt und eine durchaus riskante Wette dagegen abgeschlossen – die sich im Nachhinein als Goldgrube erwies. Sein Hedgefonds erzielte von November 2000 bis Juni 2008 eine Rendite (nach Abzug von Gebühren und Kosten) von 490 Prozent. Durch die branchenüblichen Erfolgsbeteiligungen erhielt Burry grob 100 Millionen Dollar, für seine Investoren blieben etwas mehr als 700 Millionen übrig.

Burry wurde damit zur Investment-Legende, sein Charakter im Film „The Big Short“ verewigt und bis heute schauen Profis wie Kleinanleger ganz genau hin, was Burry an den Finanzmärkten so treibt und welche (mitunter kontroversen) Aussagen er auf Twitter tätigt.

Den Hedgefonds „Scion Capital“ schloss er im Sommer 2008 – unter anderem, weil Burry immer noch enorm unter den Auseinandersetzungen mit einigen seiner Anlegern litt, die die zwischenzeitlich hohen Buchverluste (diese entstanden durch die Spekulation gegen den Immobilienmarkt) nicht aussitzen wollten und sich trotz der letztlich massiven Gewinne betrogen sahen. 2013 legte „Mr. Big Short“ einen neuen Hedgefonds auf, der heute für nur vier Klienten ein dreistelliges Millionen-Vermögen verwaltet.

Burry ist vor allem für seine pessimistischen Prognosen bekannt. Er ist dabei bereit, für antizyklische Investment-Ideen große Risiken einzugehen. Mit seinen Wetten auf fallende Märkte ist der Hedgefonds-Veteran oftmals ein wenig zu früh dran. Beispielsweise hielt er im Frühjahr 2021 Verkaufs-Optionen im Wert von 31 Millionen Dollar, mit denen er auf einen Einbruch des beliebten „ARKK Innovation“ ETF von Cathie Wood spekulierte. Der Einbruch kam dann aber erst zum Jahreswechsel, als Burry diese Position schon längst mit einem kleinen Gewinn aufgelöst hatte. Das Finanzgenie hatte auch in Gamestop investiert, bevor es zur Meme-Aktie wurde (Stichworte: Wallstreetbets, Shortsqueeze), und damit - im Nachhinein betrachtet - viel zu früh verkauft.

Schlagzeilen machte Burry zuletzt auch mit einer (inzwischen wieder aufgelösten) Wette auf fallende Kurse von Apple, womit er indirekt gegen Börsen-Legende Warren Buffet spekulierte. Dessen Finanz-Holding Berkshire Hathaway ist nämlich der größte Einzelinvestor des Tech-Giganten.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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