Finanzen

EZB-Mitarbeiter protestieren, weil Inflation ihre Löhne auffrisst

Die Politik der EZB hat die Kaufkraft des Euro massiv untergraben. Daher fordern die eigenen Mitarbeiter nun deutlich mehr Geld und drohen mit Streiks.
Autor
08.12.2022 12:32
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Europäische Zentralbank hat vorgeschlagen, die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter im Januar um 4,07 Prozent zu erhöhen. Dieser Vorschlag liegt weit unter der Inflationsrate der Eurozone. Daher haben die Mitarbeiter das Gehaltsangebot abgelehnt. Nun diskutieren sie Protestaktionen und sogar Streiks.

Der Vorschlag der EZB steht im Einklang mit ihrer Ablehnung von Vereinbarungen, welche die Löhne und Gehälter an die Inflation koppeln. Denn diese Kopplung könnte ihrer Ansicht nach eine schädliche Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.

Tatsächlich entspricht das jüngste Angebot der EZB weniger als der Hälfte der für dieses Jahr erwarteten jährlichen Inflation in der Eurozone und bedeutet für die Mitarbeiter der Bank eine erhebliche reale Lohnkürzung.

"Die Menschen verlieren das Vertrauen in diese Institution", zitiert die Financial Times Carlos Bowles, den Vizepräsidenten der Gewerkschaft Ipso, die das Personal der EZB vertritt. Die EZB-Führung sage: "Tut uns leid, dass wir unser Inflationsziel verfehlt haben, und jetzt müsst ihr, die Mitarbeiter, den Preis dafür zahlen."

Eine kürzlich von der Gewerkschaft durchgeführte Umfrage habe ergeben, dass die überwiegende Mehrheit der Kollegen über das Gehaltsangebot der EZB verärgert ist, so der Gewerkschaftsvertreter. "Wir werden im Januar entscheiden, ob wir protestieren."

Die Gewerkschaft habe sich vor einigen Wochen mit der EZB-Präsidentin Christine Lagarde getroffen, die deutlich gemacht habe, dass es keinen Verhandlungsspielraum gebe, sagte Bowles. Ein Streik, wie er 2009 bei der EZB wegen der Rentenreform stattfand, sei "nicht ausgeschlossen", würde aber erst "nach einer Eskalationskurve" erfolgen.

Bei der EZB sind Streiks nur schwer zu organisieren, da die Notenbank keinem nationalen Gesetz unterliegt und nach ihren eigenen Regeln arbeitet, zu denen auch eine "Mindestdienstverpflichtung" für die Mitarbeiter gehört, die von Fall zu Fall entschieden wird.

Der Streit bringt die EZB in eine schwierige Lage, da sie sich gerade darauf vorbereitet, die Zinssätze auf ihrer Sitzung nächste Woche zum vierten Mal in Folge zu erhöhen, um den größten Inflationsanstieg seit einer Generation einzudämmen.

"Es ist gelinde gesagt peinlich", sagte Erik Nielsen, Chefvolkswirt der italienischen Bank UniCredit, und fügte hinzu, dass sich die EZB in einer Zwickmühle befinde, da sie versuche, die Inflation zu bekämpfen und ihre Mitarbeiter davon abzuhalten, sich gegen sie zu wenden. "Die Symbolik ist einfach furchtbar".

Die EZB erklärte, sie habe eine regelmäßige, jährliche Gehaltsüberprüfung, die einer vordefinierten Methodik folge und die Gehaltsdynamik von vergleichbaren Institutionen widerspiegle, darunter die 19 nationalen Zentralbanken der Eurozone, die EU-Kommission, die Europäische Investitionsbank und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Die EZB teilte mit, dass sie sich nach langen Verhandlungen mit ihren Mitarbeitern auf eine neue "Telearbeitspolitik" geeinigt hat, die es ihnen ermöglicht, bis zu 110 Tage im Jahr aus der Ferne zu arbeiten. Die Vereinbarung, die nach zwei Jahren überprüft werden soll, erlaubt es den EZB-Mitarbeitern, bis zu zehn Tage pro Monat und nicht mehr als zehn aufeinander folgende Arbeitstage aus der Ferne zu arbeiten.

Die Inflation in der Eurozone erreichte im Oktober zum ersten Mal in der 23-jährigen Geschichte der Gemeinschaftswährung einen zweistelligen Wert. Im November ging die Inflation in der Eurozone zum ersten Mal seit 17 Monaten zurück und lag bei 10 Prozent, was immer noch fünfmal so hoch ist wie das Ziel der EZB. Für das gesamte Jahr rechnet die EZB bisher mit einer Inflationsrate von 8,1 Prozent, wird diese Prognose aber wahrscheinlich in der nächsten Woche weiter anheben.

Die Löhne in der Währungsunion haben mit der Inflation nicht Schritt halten können, was die Kaufkraft der Haushalte schmälert und Wirtschaftsexperten veranlasst hat, für diesen Winter eine Rezession vorauszusagen. Laut Eurostat, dem statistischen Amt der EU, stiegen die Arbeitskosten pro Stunde in der Eurozone im zweiten Quartal um 4 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Cybersecurity: Was Firmen jetzt tun müssen, um den Cyberkrieg zu überleben
19.10.2025

Die digitale Kriegsführung ist längst Realität, doch viele Unternehmen verkennen das Ausmaß der Bedrohung. Zwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft JPMorgan-Chef Dimon warnt: Die Party an den US-Börsen ist vorbei – jetzt zählen Waffen statt Aktien
18.10.2025

JPMorgan-Chef Jamie Dimon zeichnet ein düsteres Bild der Weltwirtschaft: Er warnt vor einer harten Marktkorrektur, kritisiert die Politik...

DWN
Unternehmen
Unternehmen CATL Testkapazitäten: Europas größtes Batteriezellen-Zentrum entsteht
18.10.2025

Der chinesische Batteriehersteller CATL verdoppelt seine Testkapazitäten in Arnstadt und baut eines der größten Batteriezellzentren...

DWN
Finanzen
Finanzen Nebenwerte als Chance: Warum Small Caps oft überdurchschnittliche Renditen bringen
18.10.2025

Nebenwerte im Fokus: Small-Cap-Aktien können enorme Kurschancen bieten – doch sie bergen auch Risiken. Warum vernachlässigte...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Credit in Europa: Boom, Blase oder Lehre aus der Finanzkrise?
18.10.2025

Die Private-Credit-Branche hat sich in den letzten Jahren zu einem der dynamischsten Segmente auf den globalen Kapitalmärkten entwickelt....

DWN
Technologie
Technologie Trotz Grünstrom-Rekord geht Energiewende nicht schnell genug
18.10.2025

Die weltweite Energiewende erreicht neue Rekorde: Nie zuvor wurde so viel Grünstrom installiert. Doch trotz Wachstum reicht das Tempo...

DWN
Panorama
Panorama Gen Z Proteste weltweit: Junge Generation erhebt sich gegen Misswirtschaft
18.10.2025

Die junge Generation erhebt sich weltweit gegen Korruption, Perspektivlosigkeit und Misswirtschaft. In Madagaskar stürzte der Präsident,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovationspolitik: Warum Europa seine besten Ideen selbst blockiert
18.10.2025

Der Wirtschaftsnobelpreis ist in diesem Jahr ein Weckruf für Europa. Die ausgezeichneten Forscher zeigen, dass Wohlstand nicht aus...