Finanzen

Eine Episode aus Japan zeigt, wie abhängig die Finanzmärkte von den Zentralbanken sind

Lesezeit: 2 min
20.12.2022 10:00  Aktualisiert: 20.12.2022 10:01
Eine kleine technische Anpassung der japanischen Zentralbank reicht aus, um die Aktienkurs in den Keller zu schicken.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Notenbanken haben die Börsen weiter im Griff: Am Dienstag hat die Bank of Japan der ohnehin schwachen Marktstimmung einen weiteren Dämpfer verpasst. Die Zentralbank Japans entschied, die Spanne zu lockern, in der sich ihren Planungen zufolge die langfristige Anleiherendite für japanische Staatsanleihen bewegen soll. Das wurde an den Märkten als erster Schritt hin zu einer zumindest leichten Straffung der geldpolitischen Zügel gewertet - und löste starke Abverkäufe an den Märkten aus.

Dass die Notenbank auf der anderen Seite aber eine deutliche Erhöhung ihrer Anleihenkäufe ankündigte und das Renditeziel von null Prozent bei den zehnjährigen Staatsanleihen unverändert beließ - also weiterhin massiv im Markt intervenieren wird, um die Anleihezinsen zu drücken - interessierte offenbar niemanden.

Zentralbank löst mit Kleinigkeiten Panik aus

Die Entscheidung traf Anleger unvorbereitet: Sie hatten erwartet, dass Japans Zentralbank bis zum angekündigten Rücktritt von Notenbankchef Haruhiko Kuroda im April 2023 keine Änderungen an ihrer Steuerung der Zinskurven mehr vornehmen wird.

"Der heutige Schritt zielt darauf ab, die Marktfunktionen zu verbessern und so die Wirkung unserer geldpolitischen Lockerung zu verstärken", sagte Kuroda auf einer Pressekonferenz. "Es ist also keine Zinserhöhung."

Konkret beschloss die BoJ, die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen künftig stärker um ihren Zielwert von null Prozent schwanken zu lassen - und zwar um 0,50 statt bislang 0,25 Prozentpunkte. Sie will außerdem die monatlichen Käufe von japanischen Staatsanleihen im Volumen von bisher 7,3 Billionen Yen auf neun Billionen Yen (67,5 Milliarden Dollar) erhöhen. Dies werde die Nachhaltigkeit der geldpolitischen Ausrichtung stärken, sagte Kuroda. Es sei keinesfalls eine Überprüfung, die zu einer Aufgabe der Zinskurvensteuerung führe oder zu einem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik.

Der japanische Aktienmarkt ging nach der Entscheidung auf Tauchstation. In Tokio rutschte der Nikkei-Index um 2,5 Prozent auf 26.568 Punkte ab. Die Börse in Schanghai und der Index der wichtigsten Unternehmen in Schanghai und Schenzhen gaben jeweils mehr als ein Prozent nach.

"Vielleicht ist dies ein kleiner Schritt, um die Strategie zu testen und zu sehen, wie der Markt reagiert", sagte Analyst Bart Wakabayashi vom Finanzhaus State Street in Tokio. "Ich denke, wir sehen hier den ersten Zeh im Wasser." An den Finanzmärkten wird nun gerätselt, wie wohl der nächste Schritt der Notenbank ausfallen wird. Denn die Amtszeit von Kuroda nähert sich ihrem Ende und zudem wird erwartet, dass die Inflation bis in das nächste Jahr hinein über dem Notenbank-Ziel von zwei Prozent liegen wird. "Sie haben das Band ausgeweitet und das wohl früher als erwartet", sagte Moh Siong Sim von der Bank of Singapore. Das werfe die Frage auf, ob dies ein Vorbote für eine weitere Normalisierung der Geldpolitik sei.

Die ultralockere Zinspolitik der Währungshüter und ihre anhaltenden Anleihenkäufe zur Verteidigung der Renditeobergrenze waren in der Öffentlichkeit zuletzt zunehmend unter Beschuss geraten. Diese Politik verzerre die Renditekurve, höhle die Marktliquidität aus und verstärke den unerwünschten Kursrückgang des Yen, was die Kosten für Rohstoffexporte in die Höhe treibe, lauteten die Kritikpunkte.

Japans Zentralbank gilt als letzte große Notenbank, die mit aggressiven Interventionen die Anleihezinsen bei nahe null Prozent hält und Leitzinsanhebungen vermeidet.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...