Finanzen

Eurozone: Geplante Staatsschulden sprengen das Machbare

Während die Staaten der Eurozone dieses Jahr Anleihen in Rekordhöhe auf den Markt bringen wollen, fallen als Folge der EZB-Politik die wichtigsten Käufer weg. Das ist kaum machbar.
Autor
05.01.2023 17:00
Aktualisiert: 05.01.2023 17:00
Lesezeit: 3 min
Eurozone: Geplante Staatsschulden sprengen das Machbare
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat dem Anleihemarkt der Eurozone die Unterstützung entzogen. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Die Händler auf den europäischen Anleihemärkten müssen Anfang 2023 mit größerer Volatilität rechnen. Denn die Staaten Europas werden voraussichtlich ein Rekordvolumen an Anleihen ausgeben, während zugleich die Europäische Zentralbank ihre Anleihekaufprogramme massiv zurückgefahren hat und somit als Stütze für den Anleihemarkt nicht mehr zur Verfügung steht.

Der Januar ist in jedem Jahr ein wichtiger Monat für die Ausgabe von Staatsanleihen. Doch dieses Mal werden die Auswirkungen durch die fehlenden Käufe der EZB noch verschärft. Laut Barclays wird das Nettoangebot an Staatsanleihen im Jahr 2023 auf einen Rekordwert von fast 500 Milliarden Euro steigen. Dies wird nach Ansicht von Marktteilnehmern

  • die Risikokapazität der Händler auf die Probe stellen,
  • die Preisschwankungen verstärken und
  • zu höheren Kreditaufnahme- und Handelskosten führen.

Die steigende Inflation hat den europäischen Anleihemarkt im letzten Jahr stark verunsichert. Besitzer deutscher Bundesanleihen verzeichneten historische Verluste. Zuletzt gab bereits einige deutliche Anzeichen dafür, dass sich die Liquiditätsbedingungen verschlechtert haben, da die Anleger Mühe haben, in großen Mengen zu kaufen und zu verkaufen, ohne damit die Märkte zu bewegen.

"Die Marktliquidität wird auf eine harte Probe gestellt werden", zitiert Bloomberg Tom Prickett, den Leiter im Zinshandel für Europa, den Nahen Osten und Afrika bei JPMorgan Chase & Co. "Der Ton der ersten Jahreshälfte wird oft dadurch bestimmt, wie der Markt das Angebot zu Beginn des Jahres absorbiert."

Die Markttiefe bei Staatsanleihen habe sich in den letzten sechs Monaten auf einem historisch niedrigen Niveau eingependelt, sagen die Strategen von JPMorgan. Dies gelte selbst für die liquidesten Anleihen wie deutsche Bundesanleihen und US-Treasuries. Doch die Liquidität von Staatsanleihen verschlechtert sich schon seit Jahren.

Hintergrund ist, dass die Vorschriften, die als Reaktion auf die große Finanzkrise geschaffen wurden, die Möglichkeiten der Banken, Märkte zu schaffen, massiv eingeschränkt haben. Dadurch verschärfen sich nun die Kursschwankungen, die durch die schnellen Zinserhöhungen der Zentralbanken zur Eindämmung der Inflation ausgelöst werden.

Das Jahr 2023 begann mit einem kräftigen Anstieg, der die Benchmark-Renditen so weit nach unten trieb wie seit zwei Monaten nicht mehr, da man auf eine Verlangsamung der Inflation setzte. Die ersten syndizierten Staatsanleihenverkäufe des Jahres, die von Slowenien und Österreich getätigt wurden, zeigten keine Anzeichen von Schwäche, da die Aufträge die angebotenen Anleihen um das 6-7fache übertrafen.

Die sich nun abzeichnende Schuldenflut - Irland und Portugal stehen als nächstes an - bedeutet jedoch, dass der Markt anfällig für einen Umschwung sein könnte. Zudem ist der Anleihemarkt der Eurozone angesichts des Risikos einer Aufsplitterung zwischen verschiedenen Emittenten anfällig für Verwerfungen, so Ralf Preusser, Leiter der globalen Zinsstrategie bei der Bank of America.

Für die Staaten könnte dies bedeuten, dass sie ihre Emissionsstrategien anpassen müssen. Nachdem Deutschland im Jahr 2022 einige schwächere Anleiheverkäufe verzeichnete, muss es nun Maßnahmen wie die Greenshoe-Option in Erwägung ziehen, die führenden Banken das Recht gibt, nach der Auktion weitere Anleihen zum gleichen Preis zu kaufen, sagte Dalibor Jarnevic, Leiter des Staatsanleihehandels bei der DZ Bank.

"Wir werden in einer Welt leben müssen, in der es keine Zentralbank als Käufer gibt", sagte Anthony Linehan, stellvertretender Direktor des irischen Amts für Schuldenmanagement, kürzlich auf einer Konferenz. "Wir werden sensibler darauf reagieren müssen, wo sich der Markt zu dem Zeitpunkt befindet, zu dem wir eine Anleihe begeben wollen. Möglicherweise müssen wir ein wenig mehr Flexibilität zeigen."

Für die Anleger stellt sich vor allem die Frage, wer die EZB - die im vergangenen Jahr Anleihen im Wert von 270 Milliarden EUR gekauft hat - als Hauptkäufer ablösen wird, so Priya Misra, Leiterin der Zinsstrategie bei TD Securities. Sie geht davon aus, dass sich das Nettoangebot in diesem Jahr mehr als verdoppelt.

Misra zufolge werden japanische Fonds wahrscheinlich weniger an europäischen Staatsanleihen interessiert sein, nachdem die Bank of Japan ihre Renditekontrolle für Anleihen geändert hat, um einen stärkeren Anstieg der langfristigen Renditen zu ermöglichen. Um ihre Renditeziel zu verteidigen, hat die japanische Notenbank ihre Anleihekäufe in den letzten Tagen sogar noch weiter verstärkt.

Es ist auch unwahrscheinlich, dass es die europäischen Banken ihre Anleihekäufe verstärken werden. Denn die billigen Kredite, die ihnen von der EZB im Rahmen des so genannten TLTRO-Programms zur Verfügung gestellt wurden und von denen einige zum Kauf von Staatsanleihen verwendet wurden, müssen sie gerade wieder zurück zahlen.

Auch die Nachfrage von Pensionsfonds könnte sich wegen der verbesserten Finanzierungsbedingungen und der geplanten Reformen abkühlen. Ab Juli dürfen die niederländischen Pensionsfonds auf neue beitragsorientierte Verträge umstellen. Dies wird ein langsamer Prozess sein, aber er wird die Verbindlichkeiten der Pensionsfonds reduzieren und damit die Notwendigkeit, Anleihen zur Absicherung zu kaufen, sagt Misra.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Medienkrieg: Warum Paramount Skydance das Netflix-Angebot sprengt
10.12.2025

Ein Übernahmekampf erschüttert die US-Medienbranche, weil Paramount Skydance das vermeintlich entschiedene Rennen um Warner Bros....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen beendet Fahrzeugproduktion: Umbaupläne für Gläserne Manufaktur in Dresden
10.12.2025

Die VW-Fahrzeugproduktion in Dresden endet aus wirtschaftlichen Gründen nach mehr als 20 Jahren. Über die Zukunft des ehemaligen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...