Finanzen

EZB-Bilanz schrumpft in einer Woche um 500 Milliarden Euro

Lesezeit: 3 min
30.12.2022 12:17  Aktualisiert: 30.12.2022 12:17
Die EZB hat ihre Bilanzsumme innerhalb einer Woche um 492 Milliarden Euro reduziert. Und dies war erst der Anfang. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte sind enorm.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Am Mittwoch hat die Europäische Zentralbank ihre aktuelle Bilanzsumme veröffentlicht. Gegenüber der Vorwoche ist sie um 492 Milliarden Euro gefallen, und seit ihrem Rekordstand vom Juni dieses Jahres ist sie um 850 Milliarden Euro zurückgegangen. Mit nur noch 7,98 Billionen Euro liegt die Bilanzsumme der EZB nun auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2021.

Die EZB hatte ihre Bilanz in den vergangenen Jahren vor allem auf zwei Arten immer weiter ausgeweitet. Zum einen vergab sie extrem günstige Kredite an die Banken der Eurozone und zum anderen kaufte sie Anleihen der Staaten in der Eurozone. Doch diese sogenannte Quantitative Lockerung ist jetzt nicht nur vorbei, sondern die EZB macht diese Maßnahmen sogar mit großen Schritten wieder rückgängig.

Auf ihrer Oktobersitzung hatte die EZB die Rückabwicklung der Kredite an die Banken angekündigt und auf ihrer Dezembersitzung hatte sie den Abbau der von ihr erworbenen Anleihen. Der bisher erfolgte massive Rückgang der EZB-Bilanz ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Banken der Eurozone die ersten großen Tranchen von Krediten zurückgezahlt haben.

Massiver Abbau von TLTRO-Krediten

Während der Corona-Pandemie hat die EZB den Banken im Rahmen der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) Geld zu äußerst günstigen Konditionen geliehen. Von Beginn der Pandemie bis Juli 2021 waren es insgesamt 1,6 Billionen Euro. Diese Kredite der EZB sollten die Banken dazu ermutigen, Geld an Unternehmen und Haushalte zu verleihen, was die Banken auch durchaus taten.

Doch infolge der Geldschwemme durch die EZB konnten die Banken ihre bereits vorhandenen Finanzmittel anderweitig, nämlich um auf den globalen Märkten Wertpapiere aller Art zu kaufen. Die trug erheblich zum Anstieg der weltweiten Vermögenspreise bei. Und nun, da die Banken die Kredite wieder zurückzahlen, müssen sie umgekehrt auch einen Teil der erworbenen Wertpapiere wieder abstoßen.

Die EZB hat die Banken dazu gebracht, die TLTRO-Kredite zurückzuzahlen, indem sie einfach die Bedingungen für diese Kredite für die Banken unattraktiv machte. Ihr Ziel dabei sei es, "unerwarteten und außergewöhnlichen Inflationsanstiegen entgegenzuwirken", wie sie sagte. Eine Nebenwirkung besteht darin, dass die Finanzmärkte infolge des Geldentzugs einbrechen.

Für die TLTRO-Darlehen gibt es Fristen, zu denen sie zurückgezahlt werden konnten. Der erste Rückzahlungstermin war im Juli, als 74 Milliarden Euro an Krediten zurückgezahlt wurden. Der zweite war im November, als 296 Milliarden Euro zurückgezahlt wurden. Der dritte Rückzahlungstermin war Mitte Dezember. Damals kündigte die EZB an, dass 447 Milliarden Euro an Krediten zurückgezahlt werden würden.

Stand Mittwoch hat die EZB 498 Milliarden Euro an TLTRO-Kreditrückzahlungen in ihrer Bilanz verbucht. Der Gesamtbestand an gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte ist damit vom Höchststand von 2,22 Billionen Euro im Juni letzten Jahres um 896 Milliarden Euro auf heute 1,32 Billionen Euro gesunken. Allein seit Mitte November sind in zwei Schritten 743 Milliarden Euro verschwunden.

Massiver Abbau von Staatsanleihen

Auf ihrer Dezembersitzung kündigte die EZB an, dass sie im März 2023 mit dem Abbau ihrer Anleihebestände beginnen wird. Zunächst will die Notenbank 15 Milliarden Euro pro Monat abbauen. Einzelheiten sollen nach der Februar-Sitzung bekannt gegeben werden. Das Tempo der weiteren Reduzierungen "wird im Laufe der Zeit festgelegt werden", hieß es. Zuletzt brachten einige EZB-Funktionäre sogar eine Beschleunigung der Anleiheverkäufe ins Spiel.

Die EZB beendete im Juni 2022 ihr Programm zum Anleihekauf, die sogenannte quantitative Lockerung, (engl. Quantitative Easing, QE). Seitdem ist der Umfang der von der EZB "für geldpolitische Zwecke gehaltenen Wertpapiere" fast stabil geblieben. In der aktuellen Bilanz vom Mittwoch belaufen sich die Wertpapiere auf 4,94 Billionen Euro. Dies ein Rückgang um nur 20 Milliarden Euro gegenüber dem Höchststand im Juni.

Wenn die Banken Kredite an die EZB zurückzahlen, so bedeutet dies, dass das Geld vernichtet wird. Man spricht auch von Quantitativer Straffung oder englisch Quantitative Tightening (QT). Denn bei der Kreditvergabe wurde das Geld von der EZB aus dem Nichts geschaffen. Dasselbe geschieht, wenn die EZB Anleihen verkauft. Das dabei von der EZB eingenommene Geld wird vernichtet (QT), so wie es für den Kauf des Anleihen aus dem Nichts geschaffen wurde (QE).

In den letzten sechs Wochen ist bei der EZB eine gewaltige Menge Liquidität vernichtet worden. Dies hat Auswirkungen auf das gesamte globale Finanzsystem. Der Finanzblog Wolf Street kommentiert: "Alles auf den Finanzmärkten ist global. Und QT ist global. Und es geht nicht nur um die Fed. Und das ist erst der Anfang." Wenn die EZB ab März tatsächlich ihren Anleihebestand reduziert und auch die Fed ihre Straffung fortsetzt, könnten die Märkte weiter einbrechen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...