Politik

Russland entwickelt neuartigen Atom-Torpedo „Poseidon“

Russland entwickelt seit einigen Jahren einen neuartigen Atom-Torpedo. Nun sollen erste Exemplare des Waffensystems gebaut worden sein.
22.01.2023 08:40
Aktualisiert: 22.01.2023 08:40
Lesezeit: 3 min
Russland entwickelt neuartigen Atom-Torpedo „Poseidon“
Die Besatzung des dieselelektrischen U-Bootes «Dmitrov» steht am 21.07.2017 in St. Petersburg (Russland) an Bord des U-Boots. (Foto: dpa) Foto: Dmitri Lovetsky

Russland hat einem Medienbericht zufolge die ersten von Präsident Wladimir Putin angekündigten Torpedos vom Typ „Poseidon“ fertiggestellt. Diese Torpedos können mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden.

Russische Atom-U-Boote sollten den Planungen zufolge in „naher Zukunft“ damit ausgerüstet werden, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Tass eine nicht näher genannte Quelle.

„Poseidon“ – eine gefährliche Waffe

Putin hatte im Jahr 2018 angekündigt, die Reichweite des Torpedos werde praktisch unbegrenzt sein. Es sei eine vollkommen neue Art einer strategischen Atomwaffe.

Der englischsprachige Dienst von Reuters zitiert US-amerikanische und russische Experten hinsichtlich des Schadensausmaßes, welches die Torpedos anrichten könnten: demnach könnten ganze Küstenstädte und militärische Infrastrukturen wie etwa Marinestützpunkte durch die Waffe dauerhaft unbewohnbar beziehungsweise unbrauchbar gemacht werden. Die Detonation des atomaren Sprengkopfes könnte darüber hinaus wahrscheinlich große Flutwellen erzeugen, die weite Teile eines Küstenlandes mit radioaktiv verseuchtem Wasser überfluten und somit unbewohnbar machen würden.

Der Tass zufolge soll das Antriebsmodul der Torpedos – eine Art Mini-Nuklearreaktor – inzwischen fertiggestellt worden sein. Zudem hätten die Mannschaften von „Belgorod“-U-Booten erste Tests mit Trainingsmodellen von „Poseidon“ absolviert.

Technische Daten des „Poseidon“-Torpedos

Der „Poseidon“-Torpedo, welcher im NATO-Code als „Kanyon“ bezeichnet wird, erreicht eine Länge von 20 bis 24 Metern und wird, wie bereits angedeutet, von einem eigenen Nuklearreaktor angetrieben. Abgeschossen werden soll er von Spezial-U-Booten des Typs K-329 „Belgorod“.

Die Entwicklung des Torpedos basiert auf Forschungen, die bereits zur Zeit der Sowjetunion begonnen wurden. Erstmals in mediale Erscheinung geriet die Waffe im Jahr 2015 unter ihrem Projektnamen „Status-6“, wie Naval News berichtet. Die Sprengkraft des atomaren Sprengkopfes könnte Schätzungen zufolge rund 2 Megatonnen betragen.

Zum Vergleich: 2 Megatonnen wären mehr als das Hundertfache der Hiroschima-Bombe, die 15 Kilotonnen Sprengkraft aufwies.

Bei dem Waffensystem handelt es sich eigentlich um eine Kreuzung zwischen einem herkömmlichen Torpedo und einer Unterwasserdrohne, weil „Poseidon“ eigenständig manövrierfähig ist. Naval News bezeichnet „Poseidon“ als „interkontinentalen atomar angetriebenen und atomar bewaffneten autonomen Torpedo.“

Darüber hinaus erreicht der Torpedo höhere Geschwindigkeiten als herkömmliche Modelle (Schätzungen belaufen sich auf etwa 50 bis 70 Knoten) und er soll in Tiefen bis zu einem Kilometer einsatzfähig sein, wie Naval News schreibt. Dadurch sei er für feindliche Abfangsysteme praktisch unmöglich zu zerstören. Die NATO müsste „neue Waffen entwickeln, um ihn abfangen zu können“, was Zeit in Anspruch nähme.

Weil „Poseidon“ von einem an Bord befindlichen Reaktor angetrieben wird, verfügt der Torpedo theoretisch über eine sehr große Reichweite. In den Medien wird von 10.000 Kilometern und mehr gesprochen.

Vergangenes Jahr schrieb das U.S. Naval Institute in einem Bericht: „Ein voll einsatzbereiter Kanyon würde eine unglaubliche strategische Wirkung entfalten. (…) Als neuartige Transportplattform wird er auch nicht von den gegenwärtig vereinbarten Abkommen zu Nuklearwaffen erfasst.“

Schwachpunkte von „Poseidon“

Tatsächlich dürfte der Antriebsreaktor aber nicht auf einen dauerhaften Gebrauch und sehr große Reisestrecken angelegt sein, weil es sich letztendlich um eine Angriffs- oder Vergeltungswaffe handelt.

So mächtig die Waffe auch sein mag – auch sie weist wie jedes technische Hochleistungsprodukt Schwachpunkte auf. Naval News berichtet: „Der kleine Durchmesser scheint keine signifikante Dämpfung des Schalls zu erlauben, das Unterwasserfahrzeug wird also nicht besonders leise und unscheinbar sein. Darüber hinaus verfügt es nur über eine minimale Panzerung, weshalb es eine Spur von Radioopazität hinterlassen könnte. Dies könnte ein Faktor bei seiner Entdeckung (durch feindliche Systeme – die Red.) sein, besonders während des Reisens. Die schwache Ummantelung würde auch dafür sprechen, dass der Reaktor nicht aktiv ist, wenn sich die Waffe an Bord eines U-Boots befindet. Das macht zusätzliche Abschirmung notwendig, um die Crew zu schützen.“

Ein weiterer Nachteil scheinen die enorm hohen Kosten zu sein, die mit der Entwicklung und der praktischen Handhabung des Torpedos verbunden sind. Insbesondere die Umrüstung der Spezial-U-Boote, welche „Poseidon“ transportieren sollen, ist Beobachtern zufolge sehr teuer.

Eine politische Waffe?

Es ist derzeit noch völlig unklar, ob „Poseidon“ einsatzbereit ist, beziehungsweise wann und ob die Waffe überhaupt irgendwann wirklich zum Einsatz freigegeben werden kann. So ist beispielsweise nicht bekannt, wie die von der russischen Regierung verkündeten Tests mit den Waffenattrappen verlaufen sind und ob die Träger-U-Boote wirklich einsatzbereit sind.

Auch der Einbau der Torpedos steht demnach noch bevor – welcher, wie bereits angedeutet wurde, ebenfalls technische Herausforderungen aufweist.

Ein von Euronews befragter Analyst der britischen Militär-Denkfabrik RUSI erkennt in „Poseidon“ denn auch ein Waffensystem, dem neben der militärischen nicht zuletzt auch eine politische Bedeutung zufällt.

„Die Zerstörung seiner konventionellen Kapazitäten in den ersten Monaten des Feldzuges (gegen die Ukraine – die Red.) bedeutet, dass Russlands konventionelle Abschreckung nun weitaus weniger bedrohlich ist, als sie dies am 24. Februar für viele Staaten zu sein schien“, sagte der Analyst.

Die Entwicklung und mediale Zurschaustellung neuartiger atomarer Waffen sei deshalb auch als Drohgebärde zu verstehen, welche die NATO davon abhalten soll, im Verhältnis zu Russland allzu leichtsinnig zu werden oder sogar direkt in der Ukraine zu intervenieren.

„Wenn wir uns die Ukraine anschauen, dann erkennen wir die Realität russischer Militärkapazitäten verglichen mit ihren Ankündigungen und Ambitionen“, zitiert Euronews den Technologie-Journalisten David Hambling. „Und was die Militärtechnologie angeht, so klaffen ihre Ansprüche und Fähigkeiten sicherlich auseinander.“

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