Unternehmen

Verband: „Dem Mittelstand wird beim Lieferkettengesetz zu viel Last auferlegt“

Seit Jahresbeginn gilt das neue Lieferkettengesetz. Im Gespräch mit DWN erklärt der Deutsche Mittelstands-Bund, wie das Gesetz den Mittelstand belastet und worauf man als Unternehmen bei der Umsetzung der Vorgabe achten muss.
26.01.2023 09:51
Aktualisiert: 26.01.2023 09:51
Lesezeit: 3 min

Mit Beginn des Jahres wurde das neue Lieferkettengesetz eingeführt. Verbände und Industrie sehen das neue Gesetz mit gemischten Gefühlen. An einigen Punkten gibt es noch Lücken. Gegenüber DWN verdeutlicht der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB), was er vom neuen Gesetz hält und was den Unternehmen bei der Umsetzung zu empfehlen ist.

DMB würde eine Zwischenbilanz der Regierung begrüßen

Wie Matthias Bianchi, Leiter Public Affairs beim DMB erklärt, betrifft das Lieferkettengesetz (LkSG) kleine und mittlere Unternehmen (KMU) noch nicht unmittelbar. Das läge an der Tatsache, dass das Gesetz sich zunächst nur direkt an Betriebe mit mehr als 3.000 Angestellten richte. Durch Prüfungs- und Informationspflichten gegenüber größeren Unternehmern seien jedoch kleine Zulieferer und andere stark in internationale Lieferketten eingebundene KMU aktuell schon erheblich betroffen. Das bedeute in erster Linie einen deutlichen Zuwachs an Bürokratie. Hinzu kämen noch negative Wettbewerbseffekte gegenüber Unternehmen außerhalb der EU, die ihre Lieferketten nicht im gleichen Umfang dokumentieren müssten.

Nachdem es von Seiten der Wirtschaft Kritik am Gesetz gegeben hatte, sicherten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) in einem Schreiben an die Verbände Nachbesserungen zu. Dazu gehört, dass man den Überprüfungsstichtag auf den 1. Juni. 2024 legt. Bianchi findet, dass für die Regierung der nächste Schritt sein sollte, nach fast einem Monat eine Zwischenbilanz zu ziehen:

„Das Lieferkettengesetz ist zwar erst seit drei Wochen in Kraft. Dennoch würde es der DMB begrüßen, wenn die Bundesregierung zeitnah eine erste Zwischenbilanz ziehen würde und die praktischen Erfahrungen aus der Wirtschaft und aus KMU im Speziellen, in eine Evaluierung mit einbezieht. Zudem ist es in der aktuellen Situation unerlässlich, den Unternehmen eine Eingewöhnungsphase und Anpassung an die neuen Regelungen zu gewähren. Daher sollte die Überprüfung der Berichtspflicht und eine etwaige Bußgeldverhängung vorerst ausgesetzt werden.“

KMU-Kompass dient Unternehmen als Unterstützung

Im Umgang mit dem LkSG gibt der DMB Unternehmen, die seit Jahresbeginn oder dann zum 1. Juni. 2024 direkt betroffen sind, den Rat, sich an den Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu orientieren. Bei diesen Handreichungen finden sich die genauen Vorgaben beispielsweise zur Risikoanalyse, zum Beschwerdemechanismus und den Berichtspflichten. Für kleinere Unternehmen bietet die Bundesregierung einige Tools und Unterstützungsangebote an, um sich auf die Anforderungen einzustellen.

Die Agentur für Wirtschaft & Entwicklung bietet hierzu kostenlose Beratung für KMU über ihr Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte. Der KMU-Kompass dient Unternehmen als Unterstützung dabei, die sozialen und ökologischen Risiken, die mit der Lieferkette einhergehen, besser zu verstehen. Der CSR Risiko-Check unterstützt bei der Einschätzung der lokalen Menschenrechtssituationen sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen. Generell gelte dem DMB zufolge: Je stärker ein Unternehmen in internationale Lieferketten eingebunden ist, desto intensiver sollten Vorkehrungen getroffen werden, unabhängig davon wie groß das Unternehmen ist.

Lieferkettengesetz – Gut gemeint, schlecht umgesetzt

Das neue Gesetz sorgt bei Industrie und Handel für gemischte Gefühle. Der Präsident vom Handelsverband Deutschland (HDE), Alexander von Preen erklärte im Interview mit DWN, dass Aufwand und Nutzen beim Gesetz nicht immer im gleichen Verhältnis zueinander stünden. Aus Unternehmensverbänden war zu hören, dass das Gesetz einen hohen Kostenaufwand für die Wirtschaft bedeute und zu einem großen Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland führe.

Umweltverbände hingegen erklärten unter anderem, dass man es kritisch sehe, dass Unternehmen nicht zivilrechtlich für Missstände entlang der Lieferkette haften. Bianchi verdeutlichte gegenüber DWN, dass man die Werte und Ziele, für die das Gesetz steht, sowohl beim DMB als auch bei den Unternehmen teilt. Es gäbe allerdings auch kritische Punkte:

„Es klafft im Fall des LkSG aus Sicht unseres Verbands eine recht große Lücke zwischen guter Absicht und guter gesetzlicher Umsetzung. Dem Mittelstand wird indirekt zu viel Last bei der Umsetzung auferlegt. Der relative Verwaltungsaufwand von KMU ist deutlich höher als jener von Großunternehmen. Das lähmt eine – durch zahlreiche Krisen ohnehin angeschlagene – Wirtschaft zusätzlich. Der DMB spricht sich darum für einen Belastungsstopp – ein Belastungsmoratorium – für das Jahr 2023 aus. Unser Verband hat entsprechend wenig Verständnis dafür, dass die Bundesregierung am Start des LkSG festgehalten hat. Wie bereits erläutert, sollten deshalb sowohl Berichtspflicht und Bußgeldverhängung vorerst ausgesetzt werden.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Osttechnik unter Westregie: Wie Multicar im Hako-Verbund zur Hightech-Marke wurde
30.05.2025

Sie fegen, sie wischen, sie räumen: Die orangefarbenen Mini-Lkw von Multicar sind aus deutschen Kommunen kaum wegzudenken. Dass sie heute...

DWN
Politik
Politik Deutschland vor dem Absturz – Kann Merz die Wirtschaft noch retten?
30.05.2025

Die deutsche Wirtschaft taumelt – Investitionen versanden in Bürokratie, Fachkräfte fehlen, die Industrie verliert an Schlagkraft....

DWN
Finanzen
Finanzen 10.000 Euro investieren: Wie man mit Strategie ein stabiles Anlageportfolio aufbaut
30.05.2025

Wie lege ich 10.000 Euro sinnvoll an? Wir haben einige Finanzexperten befragt und diese sagen: Risiken streuen, Liquidität sichern, Trends...

DWN
Politik
Politik Steigende Beiträge und sinkende Nettoeinkommen: Was auf Arbeitnehmer zukommen könnte
30.05.2025

Die Rechnung für den deutschen Sozialstaat wird teurer – viel teurer. Während die neue Regierungskoalition noch ihre Pläne schmiedet,...

DWN
Politik
Politik Geheime Kriegsagenda: EU startet 150-Milliarden-Rüstungsfonds
30.05.2025

Ohne öffentliche Debatte, ohne Mitsprache des EU-Parlaments: Brüssel aktiviert im Eiltempo ein 150-Milliarden-Euro-Programm zur...

DWN
Finanzen
Finanzen Weltsparen-Studie: Sind Aktien bessere Wertanlagen als Immobilien?
30.05.2025

Lange Zeit galten Immobilien als eine sichere Kapitalanlage. Über viele Jahre hinweg bricht der Wert des Markts nicht ein, wiegt die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelsitz in der Eurozone: Warum Revolut eine zweite Banklizenz will
30.05.2025

Revolut investiert Milliarden in Paris – und kündigt eine zweite EU-Zentrale an. Während Frankreich feiert, wächst in Litauen die...

DWN
Panorama
Panorama Klimakrise verdoppelt Zahl der Hitzetage in Deutschland
30.05.2025

Es wird heißer: Forscher haben berechnet, wie viele Tage mit Extremtemperaturen auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Für...