Unter dem Eindruck mehrerer Luftalarme in Kiew haben die Spitzen der EU und der Ukraine am Freitag über weitere Hilfen für das von Russland angegriffene Land verhandelt. "Die EU wird die Ukraine und das ukrainische Volk gegen den anhaltenden russischen Angriffskrieg unterstützen, solange es nötig ist", heißt es in verabschiedeten gemeinsamen Erklärung.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte vor den Gesprächen EU-Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr gefordert, weil dies den Ukrainern neuen Mut in ihrem Abwehrkampf gegen Russland geben würde. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte dagegen, dass es keinen starren Zeitplan für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine gebe. Die Ukraine müsse für einen Beitritt alle gestellten Voraussetzungen erfüllen.
Von der Leyen war am Donnerstag in Kiew eingetroffen und kündigte ein weiteres EU-Sanktionspaket gegen Russland an. Selenskyj forderte, dass die Sanktionen Russland an einer Aufrüstung hindern sollten. "Wir werden in unserer Entschlossenheit nicht nachlassen. Wir werden Sie bei jedem Schritt auf Ihrem Weg in die EU unterstützen", schrieb auch EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitagmorgen auf Twitter unter einem Foto, das ihn auf einem zentralen Platz in Kiew zeigte.
Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert - deshalb hatte der Gipfel auch mit Blick auf den Jahrestag politische Bedeutung. In den vergangenen Tagen hatten die russischen Truppen ihre Angriffe im Osten des Landes verstärkt. Die Ukraine hatte von der EU im Juni 2022 den Kandidatenstatus erhalten. Die EU fordert entschiedene rechtsstaatliche Reformen auf dem Weg zu einem möglichen Beitritt. Die ukrainische Führung hatte deshalb in den vergangenen Tagen ihre Anti-Korruptionskampagne verschärft.
Während die USA die größte militärische Hilfe leisten, sind die EU-Staaten und die Union die mit Abstand größten finanziellen Unterstützer der Ukraine - sowohl was Budgethilfen als auch humanitäre Leistungen angeht. Beim Tempo des Beitrittsprozesses gibt es aber Differenzen. Während die Regierung in Kiew aufs Tempo drückt, verweisen EU-Vertreter auf die Bedingungen. "Einige wollen vielleicht über das Endspiel spekulieren, aber die einfache Wahrheit ist, dass wir noch nicht so weit sind", sagte ein EU-Vertreter. Mit den Westbalkan-Staaten wird bereits seit Jahren über einen Beitritt verhandelt.
SCHLACHTFELD IM OSTEN
Der EU-Ukraine-Gipfel kommt zu einer Zeit, in der russische Streitkräfte im Nordosten und Süden der Ukraine ihre Angriffe verstärken. Ein Sprecher der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes erklärte, Russlands Hauptvorteil sei die Anzahl der Kräfte, die es einsetzen könne. "Sie bringen Männer aus der Teilmobilmachung an die Front und versuchen systematisch, Orte zu finden, an denen sie unsere Verteidigung durchbrechen können", sagte er dem ukrainischen Radio NV. "Es soll das Ziel erfüllt werden, die Kontrolle über die gesamte Region Donezk zu übernehmen." In Washington sagte CIA-Direktor William Burns, dass die Entwicklungen auf dem Schlachtfeld in den nächsten sechs Monaten "absolut entscheidend" seien und dass der russische Präsident Wladimir Putin es mit Verhandlungen nicht ernst meine.
Nach Angaben von Selenskyj versuchen ukrainische Truppen die Stadt Bachmut so lange wir möglich zu halten. "Wir betrachten Bachmut als unsere Festung", sagte er bei der Pressekonferenz mit EU-Vertretern. Der Präsident erneuerte im Zusammenhang mit der Verteidigung von Bachmut seine Forderungen nach Langstreckenwaffen. Die Bundesregierung bestätigte, dass sie Firmen die Erlaubnis zur Lieferung von Leopard-1-Panzern aus Industriebeständen gegeben hat. Details nannte der Regierungssprecher nicht.
Das ukrainische Militär teilte am späten Donnerstag mit, dass die russischen Streitkräfte die Stadt Kramatorsk in der Region Donezk zwei Mal angegriffen hätten. Einige Gebäude seien beschädigt und Zivilisten verletzt worden. Erst am Mittwoch war eine russische Rakete in einen Wohnblock in der Stadt eingeschlagen. Dabei wurden drei Menschen getötet. Ukrainische Flugzeuge flogen vier Angriffe auf russische Truppenkonzentrationen und einen Kommandoposten, hieß es. Reuters konnte die Berichte über die Gefechte nicht unabhängig verifizieren. (Reuters)