Politik

Die spektakulären Pleiten der Energie- und Währungspolitik

Der Kampf gegen fossile Brennstoffe treibt immer skurrilere Blüten. Und auch die Geldpolitik der Notenbanken hat nicht den Effekt, den sich die Währungshüter erhofft haben.
04.02.2023 09:03
Aktualisiert: 04.02.2023 09:03
Lesezeit: 5 min
Die spektakulären Pleiten der Energie- und Währungspolitik
Ein Arbeiter betätigt ein Ventil im Nihran Bin Omar Ölfeld in der Nähe von Basra, das vom US-amerikanischen Energiekonzern Exxon Mobil betrieben wird. (Foto: dpa)

US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind unermüdlich im Einsatz, um Öl und Gas zu bekämpfen. Mit erstaunlichen Konsequenzen. Fed-Präsident Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde sind unermüdlich im Einsatz, um die Zinsen zu erhöhen, auch mit erstaunlichen Konsequenzen.

Die Bekämpfung von Öl und Gas erweist sich als Bumerang

Die Energiepolitik stellt darauf ab, dass die Ölmultis sich abmelden mögen. Tatsächlich haben einige Ölgesellschaften auf die Ankündigung reagiert, dass in wenigen Jahren kein Benzin- oder Dieselgetriebenes Auto auf den Straßen sein wird. Auch, dass in den übrigen Bereichen keine fossilen Treibstoffe zum Einsatz kommen werden. Ganz anders hat der weltgrößte Ölkonzern ExxonMobil gehandelt. Man ging davon aus, dass nach den Corona-Jahren 2020 und 2021 die Wirtschaft sich erholen werde und eine starke Nachfrage nach Öl und auch Gas zu erwarten sei. Dass die alternativen Energien den Bedarf nicht befriedigen können, wurde als gegeben angenommen. Also sicherte man sich so viel Öl wie nur möglich.

Die unverwüstlichen Vorteile von Erdöl

Die Strategie ging voll auf. ExxonMobil schloss das Geschäftsjahr 2022 mit dem größten Gewinn in der Geschichte des Unternehmens: Das Ergebnis betrug sensationelle 55 Milliarden Dollar. Zu dem Gewinn trug die immer wieder auftretende Verknappung durch die Eingriffe der Politik und den Ukraine-Krieg bei, die die Preise ansteigen ließen.

Bei Exxon ist man überzeugt, dass die Entwicklung im Jahr 2022 kein einmaliges Ereignis war. Der Einsatz von Öl ist bequem. Ein Auto ist in wenigen Minuten aufgetankt, ein Kessel in einer Fabrik ist rasch einsatzbereit, die notwendigen Reserven sind in den Fässern problemlos zu lagern. Öl ist zudem verhältnismäßig billig, wenn man bedenkt, welche enormen Subventionen notwendig sind, um die alternativen Energien zu finanzieren.

Paukenschläge sind kein gutes Mittel in der Politik

Biden und von der Leyen scheinen auch bereit zu sein, die Verwendung von Öl und Gas zu verbieten, um auf diese Weise den CO2-Ausstoß zu verringern. Allerdings werden sie diese Politik kaum durchhalten, wenn in der Folge die Mobilität zusammenbricht und hunderttausende Betriebe weltweit zusperren müssen, weil sie keine ausreichende Energieversorgung haben. Es braucht also andere Strategien, um das CO2-Problem zu lösen.

Das Grundübel der Energiepolitik besteht in dem Umstand, dass man sich vom Parolen und grünen Ideologien leiten lässt. Derartige Bestimmungsfaktoren führen immer zu drastischen Maßnahmen, die sich als unbrauchbar erweisen. Ein pragmatischer Zugang wäre hilfreicher, etwa nur Autos zum Verkehr zuzulassen, die wenig Benzin verbrauchen oder SUV in Städten zu verbieten oder die Abgase von Fabriken und Werkstäten stärker zu beschränken. All das könnte man sofort veranlassen, nur wären derartige Maßnahmen zwar wirksam, aber weniger spektakulär als der Schlachtruf „ab 2030 oder ab 2040 kein Benziner mehr auf den Straßen“.

Zinserhöhungen sind kein wirtschaftspolitisches Wundermittel

Ebenfalls von unbrauchbaren Theorien lassen sich die Währungspolitiker leiten, diese Parolen kommen allerdings nicht von den Grünen, sondern aus der Finanztheorie.

Eine Faustregel besagt, dass man Inflation durch eine Wirtschaftsbremse bekämpfen müsse. Bei geringer Nachfrage können die Anbieter keine hohen Preise durchsetzen und die Teuerung geht zurück. Gemäß dieser Maxime hat der Präsident der US-amerikanischen Zentralbank in den vergangenen Monaten ein Staccato von Zinserhöhungen inszeniert, sodass nun der Leitzins zwischen 4,5 und 4,75 Prozent liegt. Man werde „diese schwere Arbeit“ fortsetzen, so Powell, bis die Inflation bei 2 Prozent liegt. Sie beträgt derzeit in den USA immer noch 6,5 Prozent.

Powell lebt versponnen in einer theoretischen Welt. Die Zinserhöhungen haben die US-Wirtschaft nicht gebremst. Das Jahr 2022 endete in einer Hochkonjunktur mit einer Rekordzahl an Beschäftigten. Eine Arbeitslosenrate von 3,3 Prozent bedeutet Vollbeschäftigung und eine hohe Kaufkraft in der Bevölkerung – also das Gegenteil von der Situation, die Powell erreichen wollte.

Powell klammert sich an den Umstand, dass die Inflation in den vergangenen Monaten von 10 auf 6,z Prozent gesunken ist und möchte die Verbesserung als Erfolg seiner Zinspolitik sehen. Diese Annahme ist angesichts der Wirtschaftsentwicklung unbegründet. Vielmehr ist anzunehmen, dass die amerikanischen Konsumenten auf die Bremse steigen und viele Preise einfach nicht zu zahlen bereit sind. Dieses Verhalten der Verbraucher wurde auch durch die Politik begünstigt, die weit weniger Teuerungsabgeltungen finanzierte als anderswo.

Je höher die Zinsen, umso größer die Gefahr eines Börsencrashs

Der Präsident der Fed ist wild entschlossen, weitere Zinserhöhungen durchzusetzen – immer in der Hoffnung, die Inflation zu korrigieren. Allerdings bewegt er sich bei 4,5 bis 4,75 schon auf gefährlichem Terrain. An der Börse besteht ein enger Zusammenhang zwischen Aktien und Anleihen. Werfen die Anleihen, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, keine Zinsen ab, so investieren die Anleger in Aktien und treiben die Kurse in die Höhe. Jetzt steigen die Zinsen und so werden Anleihen wieder attraktiver. Man muss also mit einer Bewegung weg von den Aktien und hin zu den Anleihen rechnen, also mit einem starken Kursverfall der Aktien.

Manche Analysten prophezeien bereits einen Börsenkrach wie 1929.Allerdings weiß niemand, bei welchem Zinsniveau der Wechsel zu den Anleihen erfolgt. Auch ist nicht nur der sachliche Renditevergleich zwischen den beiden Anlagekategorien entscheidend, an der Börse spielt stets auch die Emotion eine Rolle. In den vergangenen Wochen sind die Aktienkurse bereits deutlich zurückgegangen, sodass verschiedentlich schon vom Beginn es Crashs geredet wird. Allerdings erfolgte die bisherige Veränderung von einem extrem hohen Niveau, sodass diese Baisse noch als realistische Korrektur gesehen werden kann.

Den amerikanischen Privathaushalten droht ein finanzielles Blutbad

Schon das jetzt erreichte Niveau von 4,5 bis 4,75 Prozent könnte zu größeren Verwerfungen auf dem Markt führen. Jeder weitere Zinsschritt erhöhte die Gefahr eines Crashs. Der Großteil der Altersvorsorge in den USA ist an der Aktienbörse veranlagt und so wäre ein dramatischer Kurssturz für die meisten Familien katastrophal. Der Fetisch der Inflationsbekämpfung über höhere Zinsen ist eine tickende Zeitbombe

Damit nicht genug. Die Zinserhöhungen der Fed finden ihren Niederschlag auch in den Kreditzinsen.

Der entscheidende Kreditmarkt der USA betrifft die Finanzierung der Einfamilienhäuser. Eine zusätzliche Belastung würde zahlreiche Familien in Schwierigkeiten stürzen. Zusammen mit der Entwertung der Altersreserven bedeutet Jay Powells Politik eine existenzielle Gefahr für Millionen Haushalte. Ob sich dieses finanzielle Blutbad lohnt? Für eine Inflationsbekämpfung, die nicht wirkt?

Für die Unternehmen ist die Verteuerung der Kredite weniger gravierend, weil im Schnitt nur etwa 25 Prozent fremdfinanziert werden. Der Staat ist zwar hoch verschuldet, könnte sich aber mit einer Anhebung der extrem niedrigen Steuern helfen.

Die Millionen, die in Frankreich gegen eine Rentenreform protestieren, gefährden Europa

In Europa folgt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, ebenfalls dem problematischen Rezept der Zinserhöhung zur Bekämpfung der Inflation. Der Leitzins liegt nun bei 3 Prozent. Die Inflationsrate beträgt allerdings 10,4 Prozent und es ist nicht erkennbar wie man mit 3 Prozent Zinsen eine extrem hohe Teuerung bekämpfen will.

Auch ist nicht die Währungspolitik gefordert. Europaweit wird eine großzügige Subventionierung der Privathaushalte betrieben. Unter dem Schlagwort „Teuerungsabgeltung“ werden Milliarden verteilt, die die Bezahlung der hohen Preise erleichtern. Unter diesen Bedingungen sind die Konsumenten nicht gezwungen, von sich aus durch ein striktes Kaufverhalten die Preise zu bekämpfen. Ein mit den USA vergleichbarer Effekt konnte also in Europa nicht eintreten.

Das Hauptproblem in Europa sind die üppigen Sozialsysteme, deren Kosten durch die Wirtschaftsleistung nicht gedeckt sind. E ist aber nicht möglich, die konstante Schwächung der europäischen Finanzkraft zu korrigieren. In Frankreich, das die höchsten Renten in Europa zahlt und wo man extrem früh in die Rente wechselt, gehen gerade in diesen Tagen Millionen auf die Straße um das ruinöse System gegen eine überfällige Reform zu verteidigen.

Subventionen, Subventionen und immer wieder Subventionen

Im Gefolge der Sozialleistungen sind die Steuern in Europa extrem hoch und behindern die Entwicklung der Unternehmen. Auch zur Lösung dieses Problems wird in Brüssel ein untaugliches Rezept angeboten. Zu den zahllosen Subventionen, die schon bestehen, soll nun ein weiteres Milliardenprogramm beschlossen werden. Schon bisher erweisen sich die Hilfen zumeist als problematisch. Bisher achtete Brüssel streng darauf, dass nur die EU-Kommission Förderungen vergeben darf, Länder, die vergleichbares tun, werden bestraft. Das soll nun anders werden, wenn es um Grüne Investitionen geht, können auch die Mitgliedstaaten ein Füllhorn eröffnen.

Auch hier schlägt die eingangs geschilderte Ideologie durch. Es muss alles auf Grün und den Klimaschutz fokussiert sein. Aufgewacht ist man in Brüssel als Biden ein Förderprogramm für grüne Investitionen von 369 Milliarden beschloss. Da fühlte sich von der Leyen als Vorkämpferin der grünen Wirtschaft bedroht und möchte nun in Europa 430 Milliarden aufstellen. Dass Biden seit Monaten viel größere Summen für die Infrastruktur und die Industrie im Allgemeinen locker macht, fand in Brüssel keine Beachtung.

Die große Politik lässt sich von Parolen, Ideologien und Theorien leiten, verliert dabei den Boden unter den Füßen und den Bezug zur Realität und den Menschen. Es ist zum Fürchten.

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Ronald Barazon

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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