Wirtschaft

IWF: Großbritannien einzige G7-Wirtschaft, die dieses Jahr schrumpfen wird

Der Internationale Währungsfonds sagt voraus, dass Großbritannien mit einer Rezession im Jahr 2023 und dem langsamsten Wachstum aller Industrieländer im folgenden Jahr rechnen muss.
19.02.2023 00:03
Aktualisiert: 19.02.2023 00:03
Lesezeit: 2 min
IWF: Großbritannien einzige G7-Wirtschaft, die dieses Jahr schrumpfen wird
In Großbritannien hat vor mehreren Wochen der größte Streik von Beschäftigten im öffentlichen Dienst seit mehr als einem Jahrzehnt begonnen. (Foto: dpa) Foto: Kirsty Wigglesworth

Großbritannien wird das einzige G7-Mitglied sein, dessen Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen wird. Höhere Zinssätze und Steuern in Verbindung mit staatlicher Ausgabenzurückhaltung werden die aktuelle Lebenshaltungskostenkrise in dem Land noch weiter verschärfen. Das geht aus einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor.

Die IWF-Prognose unterstreicht die Herausforderungen, vor denen die Regierung von Premierminister Rishi Sunak vor den nächsten Wahlen steht. Einem Bloomberg-Bericht zufolge deutete Schatzkanzler Jeremy Hunt an, dass sich die britische Wirtschaft wahrscheinlich besser entwickeln wird als vom IWF erwartet.

„Der Gouverneur der Bank of England sagte kürzlich, dass eine eventuelle Rezession in Großbritannien in diesem Jahr wahrscheinlich geringer ausfallen wird als bisher angenommen“, so Hunt in einer Erklärung. „Wir sind nicht immun gegen den Druck, der auf fast allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften lastet. Kurzfristige Herausforderungen sollten unsere langfristigen Aussichten nicht verdunkeln“.

Erste Rezession in Großbritannien seit Finanzkrise

Laut Bloomberg stufte der in Washington ansässige IWF seine aktuelle Prognose für die britische Wirtschaft im Vergleich zum Oktober um 0,9 Prozentpunkte herab. Die Institution erwartet, dass es im Jahr 2024 nur eine langsame Erholung geben wird, und Großbritannien damit – zusammen mit Japan und Italien – am unteren Ende der G7-Wachstumstabelle liegen wird.

Die Prognose geht von der ersten Rezession seit der Finanzkrise 2009 in Großbritannien aus. In den zwei Jahren bis zur Frist für die Einberufung von Neuwahlen durch Premierminister Rishi Sunak wird die Wirtschaft effektiv stagnieren, und nur um 0,3 Prozent wachsen.

Die Institution hat in diesem Jahr keine andere G7-Wirtschaft herabgestuft und ihre globale Wachstumsprognose von 2,7 Prozent auf 2,9 Prozent angehoben. Eine Eskalation des Krieges in der Ukraine, oder eine Gesundheitskrise in China – sollte es eine Ausbreitung von Covid geben – könnte die Weltwirtschaft zurückwerfen, so der IWF. Allerdings hätten sich die negativen Risiken seit Oktober abgeschwächt.

Bloomberg zufolge ist die Herabstufung des britischen Wirtschaftswachstums insofern bemerkenswert, als die IWF-Oktoberprognose noch vor dem 45-Milliarden-Pfund schweren ungedeckten Steuergeschenk im Septemberhaushalt der kurzlebigen Premierministerin Liz Truss erstellt wurde. Damals sagte der IWF, dass die Finanzspritze das Wachstum angekurbelt hätte.

Steigende Kreditkosten für Firmen und Haushalte

Seitdem haben sich die finanziellen Bedingungen in Großbritannien verschärft, und die Kreditkosten für Unternehmen und Haushalte sind rasant gestiegen. Die Bank of England hat die Zinssätze von 2,25 Prozent auf 3,5 Prozent angehoben, und die Märkte erwarten nun, dass sich die Zinssätze bei 4,5 Prozent einpendeln werden. Der IWF erklärte, seine Herabstufung spiegele auch eine „straffere Finanzpolitik“ wider, doch nach Angaben des britischen Finanzministeriums ist die Finanzpolitik in diesem Jahr lockerer als bei der letzten Prognose.

Im Oktober griff der IWF den massiven Ausgabenwahn Großbritanniens an, mit dem Argument, dass Finanz- und Geldpolitik nicht aneinander vorbei arbeiten sollten und die Regierung die öffentlichen Finanzen unter Kontrolle bringen müsse. Der Chefvolkswirt des IWF, Pierre-Olivier Gourinchas, wiederholte diese Warnung. In einem Blogbeitrag zur Prognose erklärte er, viele Länder seien zu großzügig mit ihren Energiestützungen, die „kostspielig und zunehmend unhaltbar“ seien. Stattdessen sollten die Länder „gezielte Maßnahmen ergreifen, die den fiskalischen Spielraum erhalten und eine übermäßige Stimulierung der Wirtschaft vermeiden,“ so Gourinchas.

In Großbritannien gibt es seit Ende letzten Jahres massive Streiks im öffentlichen Bereich, vom Bahnverkehr und der Postzustellung bis hin zu Krankenschwestern, Krankenwagenfahrern und Lehrern. Gewerkschaften haben angesichts der britischen Lebenshaltungskostenkrise die Arbeit niedergelegt und Streiks werden aktuell fortgesetzt, da es immer noch keine Einigung gibt zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern über Löhne und Arbeitsbedingungen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...