Finanzen

EZB: Inflation wird unterschätzt, weitere Zinserhöhung nötig

Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel ist ein Sieg im Kampf gegen die Inflation noch in weiter Ferne. Eine weitere Zinserhöhung bezeichnet sie als „notwendig“.
17.02.2023 12:53
Aktualisiert: 17.02.2023 12:53
Lesezeit: 2 min

Die Finanzmärkte unterschätzen nach Ansicht von EZB-Direktorin Isabel Schnabel womöglich die Hartnäckigkeit der Inflation im Euroraum. Die Märkte gingen davon aus, dass die Teuerung sehr schnell in Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent sinken und dort dann bleiben werde, während sich auch die Wirtschaft gut schlage, sagte Schnabel in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

„Das wäre ein sehr gutes Ergebnis, aber es besteht das Risiko, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweist als gegenwärtig eingepreist ist an den Finanzmärkten“, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Europäischen Zentralbank (EZB).

EZB: Inflationsziel von 2 Prozent in weiter Ferne

Die EZB strebt zwei Prozent Teuerung als Optimalwert für die Wirtschaft im Währungsraum an. Davon ist sie aber immer noch weit entfernt. Im Januar lag die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 8,5 Prozent. Die Rate ist damit zwar schon den dritten Monat in Folge gesunken. Doch die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, verharrte im Januar bei 5,2 Prozent.

„Wir sind immer noch weit davon entfernt, den Sieg zu erringen“, sagte Schnabel. Laut der deutschen Volkswirtin müsste die EZB womöglich kräftiger handeln, sollte die Reaktion der Wirtschaft auf die Straffungsschritte der Notenbank schwächer ausfallen als es in der Vergangenheit der Fall gewesen war.

Investoren am Geldmarkt gehen derzeit davon aus, dass die EZB den Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der aktuell der richtungsweisende Zinssatz ist, bis Ende des Sommers auf rund 3,85 Prozent anheben wird. Am Donnerstag hatte die Erwartung für den Zinsgipfel noch bei rund 3,70 Prozent gelegen. Aktuell liegt der Satz nach fünf Zinserhöhungen der EZB bei 2,50 Prozent.

Weitere Zinserhöhung gilt als sehr wahrscheinlich

Schnabel zufolge ist eine Zinsanhebung um einen halben Prozentpunkt auf der nächsten geldpolitischen Sitzung der EZB am 16. März „notwendig unter praktisch allen plausiblen Szenarien.“ Das Prinzip des datenabhängigen Vorgehens und diese Intention widersprächen sich nicht.

Denn es sei sehr unwahrscheinlich, dass die hereinkommenden Wirtschaftsdaten diese Intention in Frage stellen würden, führte sie aus. Am Finanzmarkt gilt eine Zinsanhebung um einen halben Prozentpunkt im März als ausgemachte Sache. Wie es mit dem Zinserhöhungskurs danach weitergehen soll, ließ die EZB bislang offen.

Am Donnerstag hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, der dem Lager der Währungshüter zugeordnet wird, die für eine lockere geldpolitische Haltung eintreten, auf Unsicherheiten verwiesen, wie die Geldpolitik letztendlich in der Wirtschaft ihre Wirkung entfaltet. Daher müsse die Notenbank aufgeschlossen sein hinsichtlich des genauen Ausmaßes der geldpolitischen Straffung.

Noch hätten die bisherigen Zinserhöhungen nicht vollständig ihre Wirkung in der Wirtschaft entfaltet. Ebenso hatte EZB-Direktor Fabio Panetta am Donnerstag argumentiert, der zugleich für kleine Zins-Schritte der EZB eintrat.

Irlands Notenbankchef Gabriel Makhlouf wies unterdessen am Donnerstagabend in einem Vortrag darauf hin, dass die EZB noch eine Wegstrecke vor sich habe, um die Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent zurückzubewegen.

Makhlouf hatte zuvor in der Woche die Einschätzung geäußert, die Zinsen könnten in diesem Jahr noch auf über 3,5 Prozent angehoben werden. Sein EZB-Ratskollege, Griechenlands Notenbank-Chef Yannis Stournaras, versprühte dagegen am Donnerstagabend angesichts der zuletzt rückläufigen Gesamtinflationsdaten Optimismus. Seine Argumentation: Vielleicht muss die EZB die Zinsen daher nicht mehr bis in einen Bereich nach oben setzen, bei dem der Wirtschaft eine harte Landung drohen könnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rohstoffmacht China: Wie Peking Europas Mittelstand in die Abhängigkeit treibt
16.11.2025

China verschiebt seine Exportkontrollen für Seltene Erden – offiziell um ein Jahr. Doch das ist keine Entspannung, sondern eine...

DWN
Technologie
Technologie Kuka weitet Stellenabbau in Augsburg aus – 560 Jobs betroffen
16.11.2025

Der Roboterhersteller Kuka plant an seinem Stammsitz in Augsburg einen größeren Stellenabbau als zunächst angekündigt. Statt der...

DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...