Politik

Nach tödlicher Razzia: Erneuter Gewaltausbruch in Nahost

Im Westjordanland eskaliert eine Razzia des israelischen Militärs - elf Palästinenser werden getötet. Wenige Stunden später fliegen Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
23.02.2023 10:00
Aktualisiert: 23.02.2023 10:30
Lesezeit: 2 min
Nach tödlicher Razzia: Erneuter Gewaltausbruch in Nahost
22. Februar: Brennende Reifen blockieren eine Straße bei Zusammenstößen zwischen israelischen Streitkräften und palästinensischen Demonstranten. (Foto: dpa) Foto: Ayman Nobani

Nach einer tödlichen Razzia im Westjordanland hat sich die Gewalt in Nahost erneut hochgeschaukelt. Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen griff die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Donnerstag mehrere Ziele in dem Palästinensergebiet an. Einen Tag zuvor war ein israelischer Militäreinsatz in der palästinensischen Stadt Nablus eskaliert. Elf Palästinenser wurden getötet, mehr als 100 nach palästinensischen Angaben verletzt.

Bei dem israelischen Angriff in der Nacht im Gazastreifen wurden nach Armeeangaben eine Waffenfabrik sowie ein Militärgelände der dort herrschenden radikalislamischen Hamas zerstört. Berichten aus dem Gazastreifen zufolge wurde niemand verletzt. Von den beiden Militärposten stiegen demnach Rauchsäulen auf. Mehrere Häuser in der Nähe seien leicht beschädigt worden.

Wenige Stunden zuvor hatten militante Palästinenser im Gazastreifen sechs Raketen auf Israel abgefeuert. Fünf Raketen seien abgefangen worden, eine Rakete sei in offenes Gebiet gefallen, teilte die israelische Armee mit. Offiziell bekannte sich zunächst keine palästinensische Gruppierung zu dem Angriff.

Drohung der Hamas: «Geduld ist am Ende»

Ein Hamas-Sprecher sagte, die «bewaffneten Widerstandsgruppen im Gazastreifen sind das Schild und Schwert» des palästinensischen Volkes. «Ihre Geduld ist am Ende.» Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad teilte mit, dass die Angriffe eine Warnung an die israelische Regierung seien, ihre Aggressionen einzustellen, «da die Situation sonst explodieren und weiter eskalieren wird».

Ziel des tödlichsten Militäreinsatzes seit Jahren am Mittwoch im besetzten Westjordanland war israelischen Angaben zufolge die Festnahme von drei Terrorverdächtigen. Dabei sei es zu heftigen Konfrontationen mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Die Einsatzkräfte seien unter Beschuss geraten und hätten mit Schüssen geantwortet. Insgesamt dauerte das Feuergefecht rund vier Stunden. Unter den Toten waren palästinensischen Angaben zufolge auch ein 72-Jähriger sowie ein 16-Jähriger.

Im Westjordanland und Ost-Jerusalem wurde am Donnerstag wegen der Razzia zu einem Generalstreik aufgerufen. Betroffen sind den Behördenangaben zufolge Schulen, Universitäten, Geschäfte, Banken und der öffentliche Nahverkehr. Die israelische Polizei sagte, sie sei in erhöhter Alarmbereitschaft.

Keine Entspannung absehbar

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist seit langem extrem angespannt. Seit Beginn des Jahres wurden zehn Israelis und eine Ukrainerin in Zusammenhang mit palästinensischen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 61 Palästinenser ums Leben - sie wurden etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder nach eigenen Anschlägen erschossen. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden noch nie seit dem Jahr 2000 so viele Palästinenser in den ersten zwei Monaten eines Jahres getötet.

Bereits nach einer tödlichen Razzia in der palästinensischen Stadt Dschenin vor wenigen Wochen war die Lage eskaliert. Zehn Palästinenser wurden getötet, darunter auch mindestens eine Zivilistin. Nur einen Tag später erschoss ein palästinensischer Attentäter bei einer Synagoge in Ost-Jerusalem acht Menschen - es war der schwerste Anschlag seit 2008.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schiene unter Druck: Expertenrunde soll Bahnverkehr stabilisieren
06.12.2025

Wegen anhaltender Probleme im Zugverkehr arbeitet eine neue Taskforce an kurzfristigen Lösungen für mehr Pünktlichkeit und Stabilität...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...