Politik

Lagebericht Ukraine: „Wagner“-Chef greift Verteidigungsministerium erneut verbal an

Erneut erhebt der Chef der Söldnertruppe „Wagner“ Vorwürfe gegen den russischen Verteidigungsminister. Unterdessen wird die Lage für die ukrainische Armee um Bachmut schwierig, möglicherweise steht ein Rückzug bevor.
06.03.2023 10:00
Aktualisiert: 06.03.2023 10:22
Lesezeit: 3 min
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Mitten im erbitterten Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut erhöht die dort eingesetzte Söldner-Gruppe Wagner den Druck auf die Regierung in Moskau. Wenn Wagner-Truppen nicht bald die im Februar versprochene Munition geliefert bekämen und sich deshalb zurückziehen müssten, drohe die gesamte Front zusammenzubrechen, erklärte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin auf Telegram.

Mit Blick auf ausbleibende Munitionslieferungen fügte er hinzu: „Im Moment versuchen wir herauszufinden, was der Grund dafür ist: Ist es nur gewöhnliche Bürokratie oder ein Verrat.“

Prigoschin hat wiederholt scharfe Kritik an Verteidigungsminister Sergej Schoigu geübt. So hatte er scharf kritisiert, dass seine weitgehend autonom agierenden Truppen von Russland nicht mit ausreichend Munition beliefert würden. Am Wochenende erklärte er, seine Truppen fürchteten, die Regierung in Moskau wolle sie zum Sündenbock machen, sollte Russland den Krieg verlieren.

Vor knapp zwei Wochen hatte Prigoschin Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow Hochverrat vorgeworfen, weil sie angeblich absichtlich den Wagner-Einheiten keine Munition zukommen ließen und ihnen auch beim Lufttransport Hilfe verweigerten.

Kritik am Verteidigungsminister

Schoigu besuchte am Montag die Stadt Mariupol, die russische Truppen nach langer Belagerung eroberte hatten.

Nicht nur Prigoschin, sondern auch Kommentatoren und Kriegsverfechter in Russland haben Verteidigungsminister Schoigu für den Verlauf des Krieges kritisiert, der nicht den raschen Sieg, dafür aber mehrere herbe Rückschläge brachte. Bisher hat Schoigu selten die russischen Truppen in der Ukraine besucht. Nun war er vor seiner Visite in Mariupol am Montag bereits am Wochenende auf Truppenbesuch. Schoigu habe einen vorgelagerten Gefechtsstand in der Region Süd-Donezk inspiziert, teilte sein Ministerium mit. In einem von dem Ministerium veröffentlichten Video ist Schoigu zu sehen, wie er Soldaten Orden verleiht. In einem zweiten leitet er ein Treffen von Offizieren.

Nun erhöhte Prigoschin den Druck erneut. „Wenn Wagner sich jetzt aus Bachmut zurückzieht, wird die gesamte Front zusammenbrechen", sagte der Söldner-Chef. "Die Situation wird für alle militärischen Formationen, die russische Interessen schützen, nicht schön sein.“

Schwere Kämpfe um Bachmut

Kiew könnte laut Militärbeobachtern einen Teil seiner Streitkräfte aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut abziehen. „Die ukrainischen Kräfte könnten sich, angesichts der durch Bilder mit Geolocation bestätigten Zerstörung der Eisenbahnbrücke über den Fluss im Nordosten von Bachmut am 3. März, von ihren Positionen am Ostufer des Bachmutka-Flusses zurückziehen“, schrieb das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW). Russischen Militärbloggern zufolge nahm die dort kämpfende Söldnertruppe Wagner inzwischen Teile im Osten, Süden und Norden Bachmuts ein.

Eine offizielle Bestätigung für den Abzug gab es vom ukrainischen Militär bislang nicht. Auf den Lagekarten sind die Gebiete östlich des Bachmutka-Flusses allerdings inzwischen als russisch oder sogenannte Grauzone eingezeichnet. Der ukrainische Generalstab berichtete am Montagmorgen in seinem Lagebericht über anhaltende Kämpfe in dem Raum. Beschossen worden seien sowohl die Stadt selbst als auch etliche Vororte von russischer Seite.

Seit Monaten wird um Bachmut, wo vor dem Krieg etwa 74.000 Einwohner lebten, gekämpft. Die Stadt, in deren Ruinen nach offiziellen Angaben noch etwa 5.000 Zivilisten ausharren, wurde dabei praktisch komplett zerstört. Der strategische Wert Bachmuts ist nach der Vertreibung der russischen Truppen aus dem Gebiet Charkiw gering, da nun nach dem Fall keine Einkesselung des Ballungsraums zwischen Slowjansk und Kramatorsk droht.

Für die russische Militärführung hat die Einnahme hingegen von große Symbolkraft, da sie Erfolge vorweisen muss. Beispielsweise brachte der ukrainische Präsident Selenski bei seinem Besuch in den USA eine Fahne aus Bachmut als Geschenk mit in den US-Kongress. Bachmut gilt der Regierung in Moskau zudem als strategisch wichtig für die vollständige Eroberung des Donbass - einem der wichtigsten Ziele Russlands in dem vor gut einem Jahr begonnenen Krieg.

Die ukrainische Seite hielt Bachmut lange, da die gut ausgebauten Stellungen in der Stadt es ermöglichten, den Angreifern hohe Verluste bei ihrem langsamen Vormarsch zuzufügen. Trotzdem häuften sich zuletzt Indizien und Berichte über einen geplanten Truppenabzug, nachdem die Russen Bachmut inzwischen von drei Seiten einkreisten und in Richtung der letzten Zufahrtsstraße aus dem Hinterland zur Versorgung der ukrainischen Einheiten vorrücken.

Das ukrainische Militär erklärte am Montag, am Sonntag seien 95 Angriffe in der Region Bachmut abgewehrt worden. Zugleich wurden aber auch Vorstöße der russischen Truppen nördlich von Bachmut eingeräumt. Wolodymyr Nasarenko, ein ukrainischer Kommandeur in Bachmut, erklärte auf dem Kurznachrichtendienst Telegram, die Verteidigung halte, auch wenn die Lage kritisch sei. „Die Situation in Bachmut und Umgebung ist ziemlich die Hölle, wie auf der ganzen Ostfront.“ Es habe aber keinen Befehl zum Rückzug gegeben.

Die Berichte über das Kampfgeschehen können nicht unabhängig überprüft werden. Russland war am 24. Februar 2022 in die benachbarte Ex-Sowjetrepublik einmarschiert und hat sein Vorgehen als Sondereinsatz mit dem Ziel bezeichnet, militärische Kapazitäten zu zerstören sowie gegen als gefährlich eingestufte Nationalisten vorzugehen. Die Ukraine und ihre Verbündeten sprechen von einem Angriffskrieg.

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