Deutschland

Hamburg: Schwerer Amoklauf bei Zeugen Jehovas

Am Donnerstagabend fallen im Hamburger Stadtteil Alsterdorf Schüsse. Bei dem Angriff in einem Gebäude der Zeugen Jehovas sterben sieben Menschen und der Täter.
10.03.2023 09:00
Aktualisiert: 10.03.2023 09:11
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In einem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Hamburg hat ein Amokläufer nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft sieben Menschen erschossen und anschließend sich selbst getötet. Unter den Toten sei auch ein sieben Monate altes ungeborenes Kind, das vom Schützen im Leib seiner Mutter getroffen worden sei, sagte Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bei einer Pressekonferenz am Freitag. Die Mutter habe überlebt. Das Motiv des Angreifers, der sich anschließend selbst getötet habe, sei noch unklar. Bei ihm handele sich um einen 35-jährigen Mann, der früher Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen sei.

"Es ist eine grauenvolle Tat", sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote. "Wir haben in Hamburg ja auch schon einiges erlebt, aber eine Amoktat, ein Tötungsdelikt in dieser Dimension kannten wir bisher nicht." Es sei das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte der Hansestadt. Man habe es mit höchster Wahrscheinlichkeit dem schnellen Eingreifen einer Sondereinheit der Polizei zu verdanken, dass nicht noch mehr Opfer zu beklagen seien. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte bei einem Besuch in München, er sei fassungslos angesichts dieser Gewalt. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen." Er dankte den Sicherheitskräften und Seelsorgern im Einsatz. Scholz war einst Erster Bürgermeister der Hansestadt.

Den Schilderungen der Polizei zufolge schoss der mutmaßliche Täter Philipp F. am Donnerstagabend zunächst zehn Mal auf ein Auto vor dem Gemeindehaus im Hamburger Stadtteil Groß Borstel. Die Fahrerin sei leicht verletzt worden und habe mit ihrem Wagen fliehen können. Anschließend habe der 35-Jährige mit einer halbautomatischen Waffe auf das Gebäude geschossen, sei in den Gebetsraum eingedrungen und habe auf die dort versammelten Personen geschossen. Dabei seien sieben Menschen getötet und acht weitere zum Teil schwer verletzt worden. Beim Eintreffen der Polizei sei der Täter in das obere Geschoß geflohen und dort später tot gefunden worden. Fast 1000 Polizisten seien im Einsatz gewesen.

Laut Polizeipräsident Meyer erhielt die Polizei einige Zeit vor der Tat ein anonymes Hinweisschreiben. Darin habe eine Person darum gebeten, zu überprüfen, ob Philipp F. rechtmäßig im Besitz von Waffen sei und dem Verdacht einer psychischen Erkrankung nachzugehen. Bei einer Überprüfung in dessen Wohnung im Februar seien keine Verstöße festgestellt worden. Philipp F. sei rechtmäßig im Besitz einer Waffenbesitzkarte gewesen. Sowohl die Waffe als auch Munition seien in einem Tresor verschlossen gewesen. Auf dem Tresor habe sich eine Patrone befunden. Die Polizei habe den Besitzer deswegen ermahnt. Für weitere Schritte habe es rechtlich keine Grundlage gegeben. Meyer räumte ein, dass sich dies vor dem Hintergrund der Tat nun anders darstelle. "Man muss gucken, was man besser machen kann." Womöglich müssten Gesetze geändert werden. Es gibt nach mehreren Anschlägen in Deutschland seit längerem eine Diskussion über ein schärferes Waffenrecht.

MUNITION UND LAPTOPS BESCHLAGNAHMT

Bei der späteren Durchsuchung der Wohnung seien 15 geladene Magazine, jeweils mit 15 Patronen, und vier Schachteln mit Munition gefunden worden. Außerdem seien Laptops und Smartphones beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet würden.

Nach Erkenntnissen der Polizei war der 35-Jährige Mitglied der Zeugen Jehova, schied jedoch im Streit aus. Ob er von der Gemeinde ausgeschlossen wurde oder von selbst ging, sei nicht ganz klar. Hinweise für einen politischen Hintergrund gebe es nicht, sagte ein Vertreter der Staatsanwaltschaft. Deswegen sei auch die Generalbundesanwaltschaft nicht hinzugezogen worden. Der Täter sei bei der Hamburger Ermittlungsbehörde nicht bekannt. Es lägen allerdings Strafanzeigen vor, die von ihm eingereicht worden seien. Dabei gehe es um den angeblichen Verdacht des Betruges. Einer der Anzeigen werde auch nachgegangen.

Bei den Todesopfern handele es sich um vier Männer und zwei Frauen sowie einen weiblichen Fötus im Alter von sieben Monaten, sagte Staatsanwalt Thomas Radzuweit. Alle Todesopfer seien deutsche Staatsangehörige. Sechs Frauen und zwei Männer seien verletzt worden. Mindestens vier seien lebensgefährlich verletzt. "Dieser Amoklauf wurden von dem 35-jährigen Philipp F. begangen", sagte der Staatsanwalt.

Ein Vertreter der Zeugen Jehovas, der sich während der Pressekonferenz als Mitglied der Gemeinde in Groß Borstel präsentierte, sagte, die Glaubensgemeinschaft sei fassungslos. Er bedankte sich bei das beherzte Eingreifen der Polizei, durch die weitere Opfer verhindert worden seien. Nach seiner Schilderung befanden sich 36 Personen in dem Gotteshaus, weitere 25 seien digital zugeschaltet gewesen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Schnappen Sie sich den COME Mining Cloud-Mining-Vertrag und starten Sie Ihre Mining-Reise ganz einfach mit einem stabilen Tageseinkommen von über 7.000 $

Bei unseren Recherchen zum Bitcoin-Mining stellten wir fest, dass das traditionelle Mining-Modell für die meisten Nutzer ungeeignet ist....

DWN
Politik
Politik Trump-Krise: Mit bizarrer Aussage offenbart der US-Präsident seine größte Schwäche
13.10.2025

Donald Trump gesteht erstmals einen historischen Fehler ein: Seine angebliche Freundschaft zu Wladimir Putin habe „nichts bedeutet“....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt unter Druck: Wirtschaftskrise bremst Neueinstellungen, Stellenmarkt schrumpft
13.10.2025

Die aktuellen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass der Stellenmarkt in Deutschland schrumpft....

DWN
Finanzen
Finanzen Broadcom-Aktie hebt ab: Neuer KI-Deal mit OpenAI beflügelt den Aktienkurs – Analysten warnen
13.10.2025

Ein neuer Milliarden-Deal mit OpenAI lässt die Broadcom-Aktie in die Höhe schnellen – doch Insiderverkäufe und Marktunsicherheiten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Commerzbank-Aktie: Konzern kommt beim Stellenabbau schneller voran als geplant
13.10.2025

Die Commerzbank erzielt beim Abbau von rund 3.300 Arbeitsplätzen in Deutschland deutliche Fortschritte. Nach Angaben des Betriebsrats ist...

DWN
Panorama
Panorama Teure Lifte, volle Pisten: Skifahren bleibt trotz Preisplus beliebt
13.10.2025

Die Preise für Skipässe in den Alpen ziehen an – in Österreich um etwa vier Prozent, mancherorts noch mehr. Doch die Lust auf Schnee...

DWN
Politik
Politik Bundesnachrichtendienst warnt: Mögliche verschärfte Krise mit Russland
13.10.2025

BND-Präsident Martin Jäger zieht eine ernste Bilanz der Sicherheitslage: Eine „heiße Konfrontation“ mit Russland sei jederzeit...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis fällt wegen Überangebots: Markt sieht den Ölpreis bei 50 US-Dollar pro Barrel
13.10.2025

Die OPEC-Staaten drehen den Ölhahn wieder auf und der Ölpreis droht sich zu halbieren. Saudi-Arabien kämpft um Marktanteile, während...

DWN
Panorama
Panorama Cybercrime-Ermittler stoppen über 1.400 betrügerische Webseiten
13.10.2025

Ein gemeinsamer Einsatz von Ermittlern in Baden-Württemberg hat zu einem massiven Schlag gegen Online-Betrug geführt: Mehr als 1.400...