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Bestseller-Autor Weik: Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig

Lesezeit: 13 min
18.04.2023 09:35  Aktualisiert: 18.04.2023 09:35
Bestseller-Autor Matthias Weik skizziert in seinem neuen Buch den Abstieg des einstigen Exportweltmeisters – und zeigt auf, was Sie tun können, um sich für eine unruhige Zukunft zu wappnen.
Bestseller-Autor Weik: Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig
Deutschlands Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen, schreibt Matthias Weik. (Foto: dpa)

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Weik, in Ihrem neuen Buch „Die Abrechnung“ zeichnen Sie das Bild eines ehemals erfolgsverwöhnten Landes, das seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und damit seine Zukunft zu verspielen droht. Welches sind die zentralen Herausforderungen, denen Deutschland heute gegenübersteht?

Matthias Weik: Die Steuer- und Abgabenlast für Unternehmen und Bürger ist im internationalen Vergleich viel zu hoch und macht den Standort für Unternehmen und dringend benötigte hochqualifizierte Fachkräfte unattraktiv. Selbiges gilt für die im internationalen Wettbewerb viel zu hohen Energiepreise.

In Punkto Bildung gehört Deutschland längst nicht mehr zur Weltspitze. Der Anteil Jugendlicher ohne grundlegende schulische Fähigkeiten liegt dem Institut für Wirtschaftsforschung zufolge bei 23,8 Prozent. Keine einzige Universität aus Deutschland befindet sich unter den 49 besten Universitäten der Welt. Keine Universität in der EU befindet sich unter den Top 25, hingegen sieben in Europa – fünf in Großbritannien und zwei in der Schweiz. China kann bereits fünf Universitäten im Kreis der Top 50 vorweisen. Die USA allein beheimaten 17 der Top-50-Universitäten.

Hat ein Land bildungstechnisch den Anschluss verpasst, so sieht es für die Zukunft nicht vielversprechend aus. Deutschlands Wohlstand basiert auf Hirnschmalz, Wissen und hochqualifizierten Arbeitskräften. Wenn in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland fast acht Mal so viel Steuergeld an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wie an das Bundesministerium für Bildung und Forschung fließt, dann spricht dies Bände für den Wirtschaftsstandort und die Zukunft Deutschlands.

Ein weiteres Manko ist die grassierende Bürokratie sowie die mangelnde Digitalisierung. Bei der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes beispielsweise schneidet Deutschland schlechter als Griechenland ab. Auch Deutschlands Infrastruktur fährt auf Verschleiß. Marode Straßen, Brücken, Schienennetze, Weichen, Wasserwege, Schleusen, unpünktliche Züge prägen das Bild.

Ein weiteres Kernproblem ist das Thema Migration und Fachkräftemangel. In den letzten Jahrzehnten sind einerseits hunderttausende aus Deutschland ausgewandert (der deutsche Auswanderer ist unter 40 Jahre alt, beruflich erfolgreich und Dreiviertel haben einen akademischen Abschluss) und Millionen zumeist Niedrigqualifizierte eingewandert. Diese haben die Problematik des Fachkräftemangels nicht gelöst. Ende 2022 fehlten Statista zufolge 137.000 IT-Fachkräfte. Die Boston Consulting Group erwartet, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 rund 1,1 Millionen Fachkräfte in Informatik und Mathematik fehlen werden. Ohne Fachkräfte gibt es keine Energiewende und es droht ein massiver Wirtschaftseinbruch, ein Verlust an Wertschöpfung und Wohlstand.

Jetzt sind Teile der deutschen Politik von der Vision beseelt, dass eine große Einwanderungswelle hochqualifizierter Fachkräfte und Top-Experten nach Deutschland stattfinden wird. Doch diese werden nicht kommen, wenn sie in anderen Ländern wie beispielsweise Australien, Neuseeland, Schweiz, USA… kein Energiedesaster und ein besseres Forschungsumfeld vorfinden, mit weniger Bürokratieirrsinn konfrontiert sind, mehr Digitalisierung, bessere Schulen und Universitäten, ein Gesundheits- und Altenpflegesystem, das nicht auf Kante genäht ist und in dem in Zukunft nicht der Pflegekollaps in Krankenhäusern und Altenheimen droht, vorfinden und on top mehr verdienen und weniger Steuern zahlen müssen.

Fakt ist: der Industriestandort Deutschland verliert kontinuierlich an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit, und dem Land droht eine Deindustrialisierung von nie da gewesenem Ausmaß. Das Geheimnis des Erfolgs von Deutschland war es aus, mit einer starken Währung, günstig erworbenen Rohstoffen und Vorprodukten kraft menschlicher Intelligenz, einer guten Infrastruktur, Top-Unternehmen und billiger Energie hochwertige Produkte zu fertigen.

Wenn Energie jedoch im internationalen Vergleich am Wirtschaftsstandort Deutschland viel teurer oder im Extremfall kaum noch verfügbar ist, dann helfen auch die besten Spezialisten – welche zusehends fehlen - und die fortschrittlichste Unternehmensinfrastruktur nicht mehr weiter.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wer ist für diesen Zustand politisch verantwortlich? Viele der von Ihnen im Buch identifizierten Probleme haben sich ja schon vor langer Zeit eingeschlichen – etwa die marode Infrastruktur oder das schwächelnde Bildungswesen.

Matthias Weik: Ganz klar die regierenden Politiker der letzten Dekaden. In den letzten 25 Jahre wurden seitens der Politik zahllose Fehlentscheidungen – egal ob Einführung des Euros, Energiepolitik, Bildungspolitik, Digitalisierung – getroffen. Ferner wurden Milliarden an Steuergeldern, die dringend im Land benötigt wurden und werden, großzügig ins Ausland verteilt.

Im Jahr 2021 beispielsweise umfasste der Bundeshaushalt die Summe von rund 498,6 Milliarden Euro. Knapp 13,7 Prozent davon flossen im selben Jahr ins Ausland – das meiste davon an die Europäische Union. Mit rund 47 Prozent stammte fast die Hälfte aller europäischen Nettozahlungen aus der Bundesrepublik. In den vergangenen 21 Jahren wurden aus dem Hochsteuerland Deutschland 212 Milliarden Euro mehr an die EU – und somit indirekt auch an zahlreiche Niedrigsteuerländer – überwiesen als, zurückflossen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie schreiben unter anderem, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland der klare Verlierer des gegenwärtig zwischen dem Westen und Russland tobenden Wirtschaftskrieges ist. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung eigentlich nicht an der Zeit, diesen zu entschärfen. Oder anders gefragt: hat Deutschland eine realistische Chance, die energetische Abkopplung von Russland erfolgreich zu meistern?

Matthias Weik: Die politischen Eliten haben in Deutschland ein energiepolitisches Desaster angerichtet – zuerst mit dem 2011 beschlossenen Kernenergieausstieg bis 2022, dann im Jahr 2019 mit dem Beschluss zum Kohleausstieg und schließlich generell mit der Schwerpunktsetzung auf billiges russisches Gas.

Jetzt besteht die Gefahr, dass die Bundesregierung sich über die Meinung zahlloser Experten und Politiker im In- und Ausland hinwegsetzt und Deutschland mit derselben Arroganz und Beratungsresistenz in eine noch wesentlich größere energiepolitische Katastrophe reitet.

Die völkerrechtswidrige Invasion Russlands in der Ukraine hat die bisherige Energiepolitik Deutschlands vollends ad absurdum geführt. Mittlerweile wird zusehends klar, dass ein gleichzeitiger Ausstieg aus Kernkraft und Kohle, das Setzen auf billiges russisches Gas und Wirtschaftssanktionen gegen den größten Gaslieferanten des Landes aus ökonomischer Sicht nicht sonderlich klug waren.

Bereits am 18. Juli 2018, lange vor Russlands Überfall auf die Ukraine, äußerte der damalige US-Präsident Donald Trump in Brüssel eine Vorahnung, die sich bewahrheiten sollte: „Wenn man sich das anschaut, ist Deutschland ein Gefangener von Russland. Sie sind ihre Kohlekraftwerke losgeworden, sie sind ihre Atomkraftwerke losgeworden, sie bekommen einen großen Teil ihres Öls und Gases aus Russland.“

Es steht mittlerweile reichlich LNG-Gas zur Verfügung. Dieses ist jedoch wesentlich teurer und macht somit den Wirtschaftsstandort Deutschland für energieintensive Industrien wie Chemie und Automotive – die Schlüsselindustrien Deutschlands – unattraktiv. Kommt Deutschland nicht an preiswerte Energie, dann wird die energieintensive Industrie ihre Produktion in Länder mit preiswerterer Energie verlagern und die Deindustrialisierung in Deutschland unaufhaltsam voranschreiten. Momentan sehe ich leider nicht, woher Deutschland das dringend benötigte günstige Gas herbekommen sollte.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die deutschen Energiepreise sind im internationalen Vergleich viel zu hoch. Sanktionen hatten dieses Manko zuletzt verstärkt, aber ist es nicht so, dass die Energiewende letztendlich ursächlich für die enormen Preisanstiege ist?

Matthias Weik: Das rennomierte Wall Street Journal bezeichnete Deutschlands Energiepolitik 2019 als „dümmste Energiepolitik der Welt“, die die deutschen Haushalte und Unternehmen mit den höchsten Energiepreisen Europas belaste. Der Sachverständigenrat bezeichnete in seinem Sondergutachten im Jahr 2019 die mit Hunderten von Milliarden Euro finanzierte deutsche Energie- und Klimapolitik als „ineffizient, kleinteilig und teuer.“

Energieexperten im Ausland halten von der deutschen Energiewende augenscheinlich ebenfalls nicht allzu viel. Der Weltenergierat, bestehend aus 119 Fachleuten aus mehr als 60 Ländern, wurde bezüglich der deutschen Energiewende befragt. Insbesondere in Europa stößt sie nicht nur unter Experten auf Skepsis. Lediglich 11 Prozent der europäischen Teilnehmer betrachten die deutsche Energiewende als Blaupause für die Welt. Die Hälfte der Teilnehmer aus der EU vertritt die gegenteilige Überzeugung. Weitere 39 Prozent sagen, dass sie lediglich in Teilen als Blaupause dient. 67 Prozent der europäischen Experten erwarten eine Abschwächung der Wirtschaftskraft Deutschlands aufgrund seiner Energiepolitik bis 2030.

Die „Energiewende“ hat Deutschlands Bürgern und der Wirtschaft jahrelang mit die höchsten Strompreise weltweit beschert und dem Wirtschaftsstandort Deutschland geschadet. Der größte Anteil des Strompreises in Deutschland wurde nicht durch die privaten Anbieter, sondern durch staatlich bestimmte Abgaben definiert. Die Strompreise in Deutschland waren und sind folglich nicht zufällig so hoch, sondern politisch gewollt, um eine bis dato suboptimale Energiewende voranzutreiben. Zweifellos war und ist der Staat einer der Treiber des Strompreises. Somit hatten und haben einerseits die Bürger weniger Geld in der Tasche, und andererseits verlor und verliert der Wirtschaftsstandort Deutschland aufgrund seiner im internationalen Vergleich hohen Steuern und Abgaben kontinuierlich an Attraktivität, insbesondere was energieintensive Branchen angeht.

Es stellt sich die Frage: Befinden sich nicht nur die USA, China, Indien und Großbritannien, sondern auch ein großer Teil der EU-Staaten in punkto Energiepolitik auf dem falschen Weg? Oder ist die deutsche Politik falsch abgebogen? Worin besteht der Mehrwehrt für Deutschlands Bürger, wenn Deutschland, seine im internationalen Vergleich sehr sicheren, Kernkraftwerke abschaltet, während Deutschlands Nachbarländer weiter auf Kernkraft setzen und sogar neue Atomkraftwerke bauen? Ist Deutschlands Politik tatsächlich auf dem Pfad der Erleuchtung oder wird es einen hohen Preis für ideologisch geprägte Entscheidungen einiger Politiker bezahlen müssen? Die Chance, dass die Mehrheit und insbesondere unsere Hauptmitbewerber irren und ausgerechnet Deutschlands Politiker alleine recht behalten werden, ist als gering einzuschätzen. Der Schaden einer gescheiterten Energiewende wäre für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Bürger verheerend-

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Eines der in Ihrem Buch immer wieder auftauchenden Leitmotive ist die Ideologie. Diese, so Ihre Einschätzung, bestimmt maßgeblich das Handeln der Bundesregierung. Um welche Ideologie handelt es sich dabei und warum ist sie gerade in Deutschland so stark ausgeprägt?

Matthias Weik: Wir haben in Deutschland eine Politik, die Fracking verbietet, aber Fracking-Gas in rauen Mengen importiert, die gegen Gas- und Ölbohrungen in Nord- und Ostsee ist, aber Nordseeöl aus Norwegen importiert und die Atomkraftwerke abschaltet, während Wirtschaftskonkurrenten neue Atomkraftwerke bauen, die aber Atomstrom auch zukünftig aus den Nachbarländern zu importieren beabsichtigt. Wir erleben Politiker, die eine Gaspreisbremse feiern, durch die es weder mehr Gas auf dem Markt gibt noch die Nachfrage nach dem in Deutschland knappen und in großem Umfang benötigten Gut senkt, geschweige denn für mehr Gas sorgt.

Egal ob Energiewende, Fachkräftemangel, Migration, Bildungsmisere – eiskalt werden insbesondere Deutschlands grüne Bullerbü-Ideologen von der Realität eingeholt. Ideologische Denkweisen haben in der Politik oftmals rationales Denken und Realitätssinn verdrängt. Dies hat mit dazu geführt, dass unser Wohlstand schwindet und der Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Spiel steht.

Teile unserer Politiker versuchen mit moralisch erhobenem Zeigefinger die Welt zu bekehren. Denen offenkundig nicht klar ist, dass Deutschland weder politisch noch gemessen an der Bevölkerungszahl eine Rolle spielt – und auch in punkto CO2-Emissionen nicht, mit 1,85 Prozent Gesamtanteil am globalen Ausstoß. Weder wird die Welt sich von deutschen Politikern bekehren lassen, noch wird Deutschland die Welt retten können. Ebenso wenig wird die Welt der deutschen Energie-, Steuer-, Digitalisierungs- und Migrationspolitik folgen. Warum die grüne Ideologie gerade in Deutschland so stark ausgeprägt ist, ist schwer zu sagen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In letzter Zeit beleuchteten Medien verstärkt die wirtschaftliche Verflechtung Deutschlands mit China. Besonders die Grünen fordern hier eine konfrontativere Außenpolitik und eine wirtschaftliche Abkopplung. Teilen Sie die Sorgen vor einer zu starken Abhängigkeit? Und was würde es für uns bedeuten, wenn die Wirtschaftsbeziehungen zum Reich der Mitte tatsächlich deutlich zurückgefahren würden?

Matthias Weik: Am deutlichsten zeigt sich die Abhängigkeit Deutschlands von China, wenn man die Bereiche Handel und Rohstoffe betrachtet. Bereits seit 2016 ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Rund 5.000 deutsche Firmen sind mittlerweile in China aktiv. Die deutsche Wirtschaft hat allein im ersten Halbjahr 2022 in China knapp 10 Milliarden Euro investiert.

Insbesondere deutsche Autohersteller und Chemiefirmen suchen nach wie vor den Anschluss an den riesigen aufstrebenden chinesischen Markt. Allein die vier deutschen Konzerne VW, BMW, Mercedes und BASF bestreiten ein Drittel der europäischen Direktinvestitionen in China. Laut Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, ist bei kritischen mineralischen Rohstoffen wie Seltenen Erden die Abhängigkeit, insbesondere von China, bereits wesentlich größer als die bisherige Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieträgern.

Nicht nur Deutschland, sondern auch Europa ist abhängig von industriellen Vorprodukten und Seltenen Erden. Der Anteil der Rohstoffweiterverarbeitung Chinas bei Lithium und Kobalt liegt weltweit zwischen 50 und 70 Prozent und bei Seltenen Erden (diese sind in vielen industriellen Anwendungen zur Herstellung von Hightech-Produkten unerlässlich, u.a. im Windkraftanlagenbau, bei LCD/LED-Bildschirmen, in Smartphones, in Notebooks und im Solaranlagenbau) bei fast 90 Prozent. Einer Analyse der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 zufolge, werden beispielsweise 65 Prozent der Rohstoffe für Elektromotoren aus China importiert. Laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur beträgt Chinas Anteil an den Produktionsstufen der Solarenergie, von der Herstellung von Polysilizium bis zu den Paneelen selbst, bereits heute über 80 Prozent. In einigen Stufen könnte der Anteil bis 2025 sogar 95 Prozent erreichen.

2021 wurde in China zehn Mal so viel Geld in die Produktion investiert wie in Europa. In einem Papier des Belfer Center for Science and International Affairs, Harvard Kennedy School, vom Dezember 2021 heißt es, dass China die USA und andere Länder überholt hat und die wichtigsten Glieder der Lieferkette für grüne Technologien, einschließlich Herstellung von Geräten, Rohstoffen und Energiespeicherung dominiert.

Abbildung: Die grüne Energie von heute ist rot

Fakt ist: Ohne China wird weder in Deutschland noch in der EU eine Energiewende stattfinden. Ferner wird sich der Wirtschaftsstandort Deutschland mit seinem Sozialstaat in seiner jetzigen Form ohne China nicht erhalten lassen. Sollte China tatsächlich Taiwan angreifen und würden die EU und Deutschland als Reaktion ebenso harte Sanktionen gegen China wie gegenwärtig gegen Russland verhängen, wäre dies der Super-GAU für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie weisen darauf hin, dass die Inflation schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges weit über dem von der EZB anvisierten Zielwert lag. Welche Verantwortung hat die EZB für die anhaltend starke Geldentwertung? Wie sollte sie in den kommenden Monaten und Jahren agieren?

Matthias Weik: Dank der EZB können sich die Euroländer derzeit auf Kosten der Sparer sanieren. Leidtragende sind die Bürger, die maßgeblich von der durch die EZB mit angefachten Inflation betroffen sind. Sie müssen für das bezahlen, was ihre irrsinnige Notenbankpolitik angerichtet hat – nicht wenige sogar mit ihrer wirtschaftlichen Existenz.

Gerne schiebt die EZB den Schwarzen Peter für die ausufernde Inflation auf Corona-Lockdowns und den Krieg Russlands in der Ukraine. Zweifellos heizen beide Krisen die Inflation an. Sie sind aber keinesfalls die Hauptursache. Kein anderer als die EZB selbst hat die gegenwärtige Inflation durch ihre expansive Geldpolitik maßgeblich miterzeugt. Im globalen Wettbewerb des Gelddruckens der Notenbanken übernimmt sie seit Jahren eine Führungsrolle.

Jedem logisch Denkenden sollte klar sein, dass die von der EZB zu verantwortende gigantische Geldmengenausweitung in keinerlei Relation zur wirtschaftlichen Entwicklung stand und steht. Jetzt muss die EZB die Zinsen deutlich erhöhen, um der Inflation Einhalt zu gebieten. Andernfalls droht eine weitere Abwertung des Euro mit entsprechenden negativen Folgen für die Importpreise.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie beklagen, dass viele hochrangige Politiker nicht über die notwendige Kompetenz zur Ausübung ihres Amtes verfügen. Fallen Ihnen dazu einige Beispiele ein? Und welche Anforderungen sollten aus Ihrer Sicht an unsere politische Führung und Bürokratie gestellt werden?

Matthias Weik: Hierzu gibt es zahlreiche Beispiele. Die gravierendsten sind wohl Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, der ehemalige Verkehrsminister Andreas Scheuer, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen um nur einige zu nennen.

Zu jedem Arbeitsplatz gehören eine Stellenbeschreibung und ein Anforderungsprofil. Beispielsweise sind die Anforderungen an einen Sachbearbeiter ohne Budget- und Personalverantwortung geringer als diejenigen, die an einen Abteilungsleiter oder einen Vorstand zu stellen sind. Zweifellos wäre manch ein Sachbearbeiter auf dem Posten eines Vorstands in einem Konzern reichlich überfordert, weil ihm die Qualifikation, die Erfahrung und vielleicht auch der Intellekt fehlen. Die Besetzung eines Jobs nach Qualifikation zählt in der freien Wirtschaft ebenso wie im öffentlichen Dienst und für Beamte in jeder Behörde.

Es ist unabdingbar, dass Ministerposten und Staatssekretärsposten ebenso ein Jobprofil erhalten und davon ausgehend, ebenso wie Topmanagerposten, strikt nach Kompetenz und nicht nach Parteibuch besetzt werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Bürokratie gilt heute in Teilen als ineffizient, überlastet und kaum digitalisiert. Warum kommt Deutschland hier nicht voran? Welche Rolle spielt der Zustand der Bürokratie aus Ihrer Sicht bei der Unfähigkeit, Großprojekte wie den Hauptstadtflughafen BER oder Stuttgart 21 zügig und durchdacht zu realisieren?

Matthias Weik: Das Thema Bürokratie- und Bürokratieabbau ist in Deutschland seit Jahrzehnten Gegenstand der politischen Debatten. Geändert hat sich bestenfalls wenig. Drastische Beispiele für die Unfähigkeit staatlicher Großprojekte, bei den Milliarden an Steuergeldern versenkt wurden und werden, sind der BER und Stuttgart 21.

Ein weiteres Beispiel ist das Thema Digitalisierung. Meiner Ansicht nach kann es lediglich zwei Gründe geben, die die digitale Misere in Deutschlands Verwaltung erklären. Entweder besteht ein Mangel an Kompetenz der Verantwortlichen, oder es besteht ein Mangel an Geld, um die Digitalisierung der deutschen Ämter und Behörden energisch voranzutreiben. Liegt es an der Kompetenz, so müssen, wie in der freien Wirtschaft üblich, die Verantwortlichen ausgetauscht werden. Liegt es am Geld, so gilt es zu überlegen, warum beispielsweise zahllose EU-Länder, die zu den Nettoempfängern gehören, in puncto Digitalisierung von Ämtern und Behörden wesentlich weiter sind als Deutschland.

In diesem Kontext drängt sich die Frage auf, warum mit deutschen Steuergeldern das Leben von Bürgern und Unternehmen außerhalb Deutschlands vereinfacht wird – und somit diese Länder einen Wettbewerbsvorteil erlangen –, während diese Vereinfachung in Deutschland auf sich warten lässt. Liegt es tatsächlich am Geld, dann stellt sich die Frage, warum Steuergelder aus Deutschland heraus verteilt werden, obwohl sie im Lande offensichtlich dringend benötigt werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Wirtschaft ruft nach Fachkräften, während jedes Jahr viele zehntausend gut ausgebildete Bürger Deutschland verlassen. Was muss sich ändern, damit der Exitus gestoppt und gut ausgebildete Menschen nach Deutschland gelockt werden?

Matthias Weik: Deutschland muss wieder attraktiv werden. Dies bedeutet, die Bürger müssen mehr netto vom brutto haben. Kurzum, Steuern und Abgaben müssen gesenkt werden. Ansonsten werden hochqualifizierte Fachkräfte nicht nach Deutschland kommen, sondern weiterhin das Land verlassen.

Abbildung 12: Arbeitskosten im internationalen Vergleich

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie fordern, den Euro abzuwickeln. Zudem soll sich die EU primär als Wirtschaftsunion verstehen und ihre politischen Ambitionen aufgeben. Sind dadurch nicht enorme Wohlstandsverluste für Deutschland vorprogrammiert? Warum ist das Euro-System ihrer Einschätzung zufolge nicht zukunftsfähig?

Matthias Weik: Nicht nur ich vertrete die Meinung, dass der Euro langfristig nicht zukunftsfähig ist. Auch Fachleute wie etwa Prof. Thomas Meyer, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank haben massive Zweifel am Bestand der Währungsunion. Meyer: „Noch nie in der Geschichte hat eine so konstruierte Währungsunion souveräner Staaten überlebt, und es ist nicht die Frage, ob, sondern wann und wie diese Währungsunion zerfallen wird.“

Spürbar setzt sich die Erkenntnis durch, dass es Irrsinn war, eine Weichwährung wie beispielsweise die Italienische Lira mit einer soliden und stabilen Währung wie der Deutschen Mark zu verschmelzen und, dass es wenig sinnvoll war, unterschiedlich starke Volkswirtschaften wie beispielsweise Deutschland und Griechenland in ein Zins- und Währungskorsett zu zwingen.

Das Währungskonstrukt Euro funktioniert ausschließlich in Form einer Transferunion. Wenn jedoch mit Deutschland die stärkste Volkswirtschaft des Euroraums und somit die Stütze des Euro sukzessive in die Knie geht, dann wird sich dies auf das Vertrauen in den Euro verheerend auswirken. Dementsprechend wird der Euro auch zukünftig weiter an Bedeutung verlieren. Anders als im Zauberlehrling ist die Rettung des Euro durch den Zaubermeister nicht zu erwarten. Der Preis, den die Bürger für den Euro bezahlen müssen, wird tagtäglich höher. Ob heute die Begeisterung für den Euro noch ebenso groß ist wie bei seiner Einführung, ob es tatsächlich sinnvoll war, die harte Deutsche Mark gegen den Euro zu tauschen und sich in die Abhängigkeit der EZB zu begeben, ist ebenso fraglich. Deshalb ist es wichtig, den Euro kontrolliert abzuwickeln. Dies wird zweifellos Unsummen kosten. Ein unkontrollierter Crash hingegen wäre wesentlich teurer.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Wirtschaftsstandort ist gefährdet, an den Finanzmärkten drohen neue Krisen. Wie sollte man sein Erspartes verwalten, um sich finanziell bestmöglich für eine unruhige Zukunft aufzustellen?

Matthias Weik: Aufgrund der gegenwärtigen unsicheren wirtschaftlichen Situation ist es sinnvoll, Schulden zu bezahlen, sich auf Bargeld und Sachwerte zu konzentrieren, und zwar international.

Liquidität – Mittel wie Bargeld und Bankguthaben, aber auch Edelmetalle (Gold, Silber, Platin, Palladium), welche sich leicht und schnell umtauschen lassen – ist in der gegenwärtigen Zeit unabdingbar. Das gilt einerseits für den alltäglichen Gebrauch und andererseits für den Handel an den Märkten.

Wenig sinnvoll ist es indes, sich auf den Euro zu versteifen. Dasselbe gilt im Kontext der Anlageländer bezüglich der Bundesrepublik Deutschland.

Ferner kommt kein langfristig ausgelegtes Portfolio um Aktien, ETFs und Fonds herum. Die positiven Wertentwicklungen der Aktienindizes Dow Jones, S&P 500, DAX und MSCI World in den letzten Jahrzehnten sind nicht von der Hand zu weisen.

Spannend können auch Investments in hochwertige Uhren und Immobilien im Ausland sein. Diesbezüglich zeige ich in meinem Buch auf, wo und in was man am besten investieren sollte. Ferne habe ich ein Gastkapitel zum Thema Gründung einer Stiftung in meinem Buch. Ziel einer Stiftung ist es, Vermögen über Generationen zu erhalten. Die Option einer Familienstiftung ist keinesfalls ausschließlich Superreichen vorbehalten. Bereits ab einem Vermögen von 500.000 Euro kann eine Stiftung unter bestimmten Umständen sinnvoll sein – ab einem Vermögen von einer Million Euro durchaus.

*****

Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen. Er zählt seit Jahren, mit fünf Bestsellern in Folge zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Am 29.03.2023 ist sein sechstes Buch „Die Abrechnung“ erschienen Matthias Weik bezeichnet sich selbst nicht als Pessimist, Optimist oder gar Alarmist, sondern als Realist.


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