Deutschland

Nach Atom-Ausstieg: Deutschland importiert Kohle- und Atom-Strom

Das durch den Atom-Ausstieg entstandene Strom-Defizit macht sich ersten Daten zufolge bereits bemerkbar.
28.04.2023 09:30
Aktualisiert: 28.04.2023 09:30
Lesezeit: 2 min
Nach Atom-Ausstieg: Deutschland importiert Kohle- und Atom-Strom
Blick in den Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerkes Isar 2. (Foto: dpa) Foto: PreussenElektra

Als Folge der endgültigen Abschaltung der letzten drei verbliebenen Kernkraftwerksblöcke fehlen in Deutschland seit dem 16. April täglich rund 4,5 Gigawatt inländisch erzeugte Stromleistung. Zusammen generierten Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland im vergangenen Jahr rund 35 Terawattstunden Strom und steuerten damit etwa 6 Prozent der deutschen Stromerzeugung bei.

Dieses Defizit wird seit dem Ausstieg höchstwahrscheinlich durch verstärkte Importe ausgeglichen. Wie die Bild-Zeitung berichtet, sind insbesondere Importe aus Frankreich, Polen und Schweden seitdem deutlich angestiegen. So deckten Importe am 15. April (dem letzten Tag, an dem die Kernkraftwerke in Betrieb waren) rund 6 Prozent der deutschen Stromversorgung. Am Tag darauf waren es bereits 14 Prozent.

Diese Werte sagen an sich wenig aus, weil Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Wetterverhältnisse, welche für die Leistung von Windkraft- und Solaranlagen von großer Bedeutung sind, an den beiden Tagen unterschiedlich gewesen sein könnten. Auffallend ist allerdings, dass an einem Sonntag mehr Strom importiert werden musste als an einem Samstag, an dem Einzelhandel und Wirtschaft (teilweise) in Betrieb sind.

Die Bild-Zeitung verglich die Werte vom 16. April daher mit jenen vom Sonntag, den 19. März, an dem deutschlandweit eine ähnliche Wetterlage wie am 16. April herrschte.

Die Zeitung berichtet: „Die Ausgangslage, nahezu identisch: An beiden Morgen betrug die Last gerade einmal rund 38 Gigawatt (GW), da der Stromverbrauch um diese Zeit traditionsgemäß sehr gering ist. Auch die Wetterverhältnisse waren nahezu identisch, weswegen an beiden Sonntagmorgen die Windenergie auf vergleichbarem Niveau (ca. 8 - 9 GW) war. Die Solarerzeugung betrug am frühen Morgen ebenfalls noch nahe 0.“

Während am 19. März 1,3 Gigawatt Strom importiert werden mussten, um die inländische Versorgung zu sichern, waren es am 16. April 6 Gigawatt. Die Differenz von 4,7 Gigawatt entspricht in ihrer Größenordnung in etwa der kombinierten Kapazität der drei verbliebenen Kernkraftwerke.

Verlust an regelbarem Strom

Bedeutsam ist, dass es sich bei den nun geschlossenen Kernkraftwerken im Gegensatz zur Windkraft und Solarenergie um steuer- und planbare Stromerzeugungskapazitäten handelte. Das bedeutet schlichtweg, dass Atomkraftwerke zu jeder Tages- und Nachtzeit beständig Strom liefern können und dieser Output fest in Planungen berücksichtigt werden kann.

Windräder und Solarpanelen hingegen können nur dann Strom liefern, wenn die Wetterbedingungen dies zulassen. Diese Technologien erlauben trotz modernen Wettervorhersagen keine plan- und steuerbare Stromversorgung.

Andersherum gesagt: selbst wenn die Zahl der derzeit in Deutschland installierten Wind- und Solarkapazitäten verdoppelt werden sollten fehlt Strom, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Diese „Dunkelflauten“-Problematik der erneuerbaren Quellen ist der Grund, warum die Kohleverstromung in den vergangenen Jahren trotz Kohle-Ausstieg (!) zur wichtigsten einzelnen Strom-Quelle in Deutschland aufgestiegen ist.

Wie eingangs beschrieben hatte die Atomkraft im Jahr 2022 noch rund 6 Prozent der inländischen Stromerzeugung bereitgestellt. Der Wegfall dieser Kapazitäten kann aufgrund der „Dunkelflauten“-Problematik nicht einfach mit einer Steigerung der Windkraftkapazitäten um 6 Prozent aufgefangen werden – und auch nicht mit einer Steigerung um 60 Prozent, solange der „grüne“ Strom nicht großtechnisch gespeichert werden kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...