Wirtschaft

Europas Öl-Sanktionen gegen Russland gehen nach hinten los

Die Europäer beziehen weiterhin viel Öl aus Russland – nur jetzt zu einem deutlich höheren Preis.
04.05.2023 14:16
Aktualisiert: 04.05.2023 14:16
Lesezeit: 2 min
Europas Öl-Sanktionen gegen Russland gehen nach hinten los
Die Öl-Sanktionen gegen Russland bringen Europa Nachteile: ein Tanker mit russischem Öl im Hafen von Rostock. (Foto: dpa) Foto: Bernd Wüstneck

Die von der Europäischen Union gegen Russland erlassenen Sanktionen auf dem Ölmarkt schaden in erster Linie den Europäern und nicht wie in Brüssel geplant dem russischen Staatshaushalt.

Nachdem die russische Regierung im Februar 2022 nach Jahren zunehmender Spannungen den Krieg gegen die Ukraine begann, verhängten die Staaten der EU sukzessive Strafmaßnahmen im Energiebereich, die Russland von dringend benötigten Einnahmen abschneiden sollten, was die Finanzierung des Feldzuges im Nachbarland erschwert hätte.

Mit Blick auf den Ölsektor sind zwei Sanktionen von Bedeutung: So hatte die EU im Dezember 2022 die Einfuhr von russischem Rohöl über den Seeweg verboten. Im Februar des laufenden Jahres folgte dann ein Importverbot für russische Treibstoffe wie Diesel und Benzin.

Indische Mittelsmänner

Wenige Monate nach Verhängung der Maßnahmen zeigt sich, dass die Sanktionen ihr primäres Ziel verfehlen: russisches Öl und Öl-Derivate strömen nicht nur weiterhin auf den Weltmarkt und bescheren Moskau dadurch kontinuierliche Einnahmen, sondern sie strömen auch nach Europa.

Wie Bloomberg berichtet, haben sich die Konditionen für Europa allerdings deutlich verschlechtert. Denn Drittländer verkaufen seit Verhängung der Sanktionen verstärkt importiertes russisches Öl und Kraftstoffe nach Europa weiter – zu einem deutlich höheren Preis, als bei direktem Bezug aus Russland zu bezahlen wäre.

Insbesondere Indien ermöglicht den Dreieckshandel: das Land hatte in den vergangenen Monaten den Import russischer Energieprodukte vervielfacht und verkauft einen beträchtlichen Teil davon nach Europa weiter – besonders Treibstoffe, die auf Basis vom russischem Rohöl von indischen Raffinerien produziert wurden.

Bloomberg zufolge verkaufen indische Unternehmen täglich rund 360.000 Barrel (Fass zu 159 Litern) Treibstoff nach Europa. Für Rohöl nannte das Medium keine Zahlen. Da Indien seit Kriegsbeginn seine Rohöl-Einfuhren aus Russland aber mehr als verzwanzigfacht hat, dürfte ebenfalls ein großer Teil dieser Importe umetikettiert nach Europa weitergeleitet werden. Nicht zuletzt kontrollieren die Russen eine Flotte von vielen Dutzend „Schattentankern“, um ihr Öl unerkannt zu verschieben.

Kurz vor Kriegsbeginn importierte der Subkontinent nur eine vernachlässigbare Menge russischen Öls. Für April wird nun eine tägliche Importmenge von 2 Millionen Barrel erwartet. Indien wird zudem im April wahrscheinlich noch vor Saudi-Arabien zum wichtigsten Treibstofflieferanten Europas aufsteigen.

Indien profitiert doppelt – Europa verliert doppelt

Für die Europäer stellt der Dreieckshandel einen doppelten Nachteil dar, für Indien hingegen einen doppelten Gewinn.

Zum Einen müssen europäische Länder jetzt mehr für russisches Öl bezahlen, als wenn sie es direkt in Russland kaufen würden, weil die Transport-, Zoll-, Lager-, Raffinerie- und sonstige Kosten auf die Lieferungen aufgeschlagen werden. Diese Mehrkosten treiben die Inflation in der Eurozone nach oben.

Indien hingegen kann nun dank der europäischen Sanktionen in großem Umfang russische Energieprodukte günstiger beziehen als unter normalen Bedingungen, weil Russland nicht zuletzt auch aufgrund der von den G7-Staaten erlassenen Preisdeckel gezwungen ist, sein Öl unter Weltmarktpreisen anzubieten. Für viele ärmere Länder wie Indien stellt die Umleitung günstiger russischer Energieströme eine Jahrhundertchance zur Entwicklung ihrer Volkswirtschaften dar.

Der zweite Nachteil betrifft die europäischen Raffinerien, welche nun Teile ihres Geschäfts faktisch an die indische Konkurrenz verlieren. Die Krise der PCK-Raffierie in Schwedt illustriert, welche Tücken mit dem Verzicht auf russisches Erdöl verbunden sein können.

Und nicht zuletzt haben die Sanktionen ihr Primärziel bis dato verfehlt, nämlich, den aus dem Verkauf von Energieprodukten resultierenden Einkommensstrom für Russland und die davon abgeleitete Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine zu schwächen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs schließt über 24.000 Punkten: Erholung geht am Freitag weiter
05.12.2025

Der deutsche Aktienmarkt legt zum Wochenschluss spürbar zu und der Dax überschreitet eine wichtige Schwelle. Doch der Blick richtet sich...

DWN
Politik
Politik Putin in Indien: Strategische Unabhängigkeit in der neuen Weltordnung
05.12.2025

Indien empfängt den russischen Präsidenten mit allen protokollarischen Ehren und stellt damit gängige westliche Erwartungen an globale...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Handwerkskunst aus Deutschland: Pariser Luxus-Modehäuser vertrauen auf die Stickerei Müller
05.12.2025

Die Stickerei Müller aus Franken fertigt für große Modehäuser wie Balenciaga und Yves Saint Laurent. Auf schwierige Jahre nach der...

DWN
Politik
Politik Rentenpaket im Bundestag: Folgen für Rentner und Beitragszahler
05.12.2025

Der Bundestag hat das Rentenpaket mit knapper, aber eigener Mehrheit durchgesetzt und eine Koalitionskrise verhindert. Doch hinter den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Auftragseingang in der deutschen Industrie steigt unerwartet kräftig
05.12.2025

Unerwartet starke Impulse aus der deutschen Industrie: Die Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe ziehen an und übertreffen Prognosen...