Der Bund der Steuerzahler schlägt Alarm. Hintergrund sind Bestrebungen zur Schaffung neuer sogenannter „Sondervermögen“. Nachdem der Bund im vergangenen Jahr ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro geschaffen hat, will nun auch der neue Senat in der Hauptstadt Berlin einen solchen Nebenhaushalt einführen: In den Koalitionsverhandlungen hatten sich in Berlin CDU und SPD darauf geeinigt, ein Sondervermögen Klimaschutz über fünf Milliarden Euro einzurichten, das dann gegebenenfalls im nächsten Jahr um weitere fünf Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sieht diese Entwicklung mit Sorge und warnt im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) vor der Schaffung immer neuer Sondervermögen – dies gefährde die finanzpolitische Stabilität Deutschlands.
„Umgehungstatbestand zur Aushöhlung der Schuldengrenze“
Für Holznagel sind Sondervermögen in „aller Regel ein Umgehungstatbestand zur Aushöhlung der Schuldengrenze, vor allem, wenn sie als Notlagenkreditspeicher genutzt werden“. Einige Sondervermögen entzögen sich dabei der parlamentarischen Kontrolle. Die Parlamente von Bund und Ländern, so Holznagel, gäben dann das „Kronjuwel eines jeden Parlaments aus der Hand, nämlich die Kontrolle über die Ausgaben einer Regierung“. Als warnendes Beispiel gilt ihm die Schaffung der Sondervermögen zur Bekämpfung der Corona-Folgen in den Bundesländern. Dort wurde immer wieder der Versuch unternommen, unter dem Schutzschirm der Bekämpfung der Corona-Folgen auch ganz andere Politikvorhaben, wie beispielsweise Umwelt-Politik, zu finanzieren, die mit den Folgen der Pandemie reichlich wenig zu tun gehabt hätten. Zudem habe dies dazu geführt, dass die Sondervermögen gegen das Budgetrecht der Landesparlamente verstießen, weil die Sondervermögen teilweise der Kontrolle der Parlamente entzogen waren.
Dies sah beispielsweise auch der Hessische Staatsgerichtshof genauso, als er im Oktober 2021 einem Antrag der Oppositionsparteien im Hessischen Landtag stattgab und das Corona-Sondervermögen des Landes Hessen in Höhe von zwölf Milliarden Euro für schlicht verfassungswidrig erklärte. Die Begründung des obersten Landesgerichts war eindeutig: Das Sondervermögen verstoße gegen das Budgetrecht des Parlamentes und gegen das Verbot der Neuverschuldung. Zwar räumte das Gericht in seiner Urteilsbegründung ein, dass es im Falle einer besonderen Notsituation oder einer Naturkatastrophe die Aufnahme neuer Schulden im Ausnahmefall möglich sei. Indes müssten dann aber hinreichend die Zwecke festgelegt werden, für die die Mittel des Sondervermögens verwendet werden.
Dieser Fall könnte sich wiederholen, denn der Bund der Steuerzahler beobachtet mit Sorge eine ähnliche Entwicklung in der Bundeshauptstadt. Dort sei, so Präsident Holznagel, der neue Senat dabei, ein Sondervermögen zur Erreichung der Klimaziele zu schaffen. Das Berliner Sondermögen „Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ hat es sich, so der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD, zum Ziel gesetzt, insbesondere auf den Feldern der energetischen Gebäudesanierung, der Energieerzeugung und -versorgung sowie bei der Transformation des Verkehrs und der Wirtschaft die Folgen des Klimawandels zu bewältigen.
Begründung für Sondervermögen „viel zu vage“
Dieses Vorhaben sieht Holznagel mit „größter verfassungsrechtlicher Skepsis“. Zum einen ist die Beschreibung der Aufgaben des Sondervermögens seiner Ansicht nach „viel zu vage“; es dränge sich die Vermutung auf, dass die Finanzierung ureigener Landesaufgaben in den Topf des Sondervermögens verschoben werde. So sei beispielsweise die Frage der Sanierung der landeseigenen Gebäude eine klassische Daueraufgabe – und müsse deshalb auch zwingend im normalen Landeshaushalt abgebildet werden; ganz ähnlich verhalte es sich mit dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur.
Darüber hinaus sei aber nach Ansicht des Verbandes die grundsätzliche Begründung zur Einrichtung des Berliner Sondervermögens „grundsätzlich fragwürdig“, die Bewältigung des Klimawandels als Begründung für die Schaffung eines Sondervermögens heranzuziehen und damit das grundgesetzliche Verbot der Kreditaufnahme zu umgehen. Der Artikel 109 des Grundgesetzes verfügt, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen seien.
Ausnahmen hiervon seien aber nur bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“, möglich. Beides sieht Holznagel aber „nicht gegeben“. Der Klimawandel sei keine „plötzlich hereinbrechende Katastrophe“; der Staat hatte genug Zeit gehabt, sich auf diese Aufgabe einzustellen. Zudem gehe die Wissenschaft fast einhellig davon aus, dass dies eine Aufgabe für die nächsten Dekaden sein werde – und folglich auch Teil der jährlichen Haushaltsplanung bleiben müsse. Und eine ökonomische Notsituation sehe er schon gar nicht, da die Staatseinnahmen Rekordniveau hätten und weiter steigen würden.
Für den Bund der Steuerzahler ist es eine vordringliche Forderung, Zahl und Umfang der Sondervermögen abzubauen. Allein auf Bundesebene existierten derzeit 28 Sondervermögen. Aufgrund der Regelungen in den jeweiligen Errichtungsgesetzen zur Schaffung der jeweiligen Sondervermögen finden sich aber nur von 15 der insgesamt 28 Sondervermögen Wirtschaftspläne im Haushalt, womit eine wirksame Kontrolle kaum noch möglich sei. Für Präsident Holznagel bedeutet dies, dass durch die Schaffung neuer Sondervermögen die Haushaltssituation kaum noch lesbar sei. Holznagel: „Nebenhaushalte sind zunehmend ein Instrument zur Verschleierung der tatsächlichen Haushaltssituation. Und ohne Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit ist eine wirksame Kontrolle nicht denkbar.“