Kaum hat der Bundestag am 20. April das problematische Gesetz zum „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ beschlossen, wird bekannt: Das Kabinett hatte bereits tags zuvor den Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes verabschiedet, wonach ab 2024 nicht nur Öl- und Gasheizungen, sondern auch Heizungen mit „Biomasse“ für Neubauten verboten bzw. allenfalls bedingt erlaubt werden sollen. Eine Holzheizung würde künftig nur noch eingebaut werden dürfen, wenn sie mit einer Solaranlage kombiniert und mit einem Staubfilter ausgestattet wird. Angeblich technologieneutral und aus ökologischen Gründen zielt die Ampel-Regierung damit offenbar schlussendlich auf den immer perfekteren Ausstieg aus fossilen und sogar aus nachwachsenden Brennstoffen. Neben Kohle, Gas und Öl sollen also Scheitholz und Hackschnitzel, jenes traditionsreiche Material zur Wärmeerzeugung, samt Pellets in Deutschland immer mehr der Vergangenheit angehören.
Diese in ihrer Vehemenz geradezu ideologisch anmutende „Wärmewende“ hat allerdings zahlreiche und schwerwiegende Argumente gegen sich – zu viele, um sie hier auf- und auszuführen. Überhaupt drängt sich die Frage auf, was Argumente in dieser gesellschaftspolitischen Debatte noch zählen. Denn – so der Schweizer Philosoph Eduard Kaeser – die „Allianz von Big Science, Big Data und Big Industry ermutigt heute ein Vorwärtsstürmen, das das Nachdenken platt walzt.“ Stattdessen gilt es darauf aufmerksam zu machen, dass mit der zunehmenden Verdrängung und Abschaffung „fossiler“ und sogar auch nachwachsender Brennstoffe womöglich nicht nur CO2-Vermeidung zwecks Klimaschutz im Zentrum stehen könnte. Vielmehr zeichnet sich jetzt als freilich eher verborgenes Motiv auch die Abschaffung all jener Heizarten ab, die sich nicht irgendwie digital messen oder kontrollieren lassen.
Die am Ende der Fahnenstange nahezu allein noch erlaubten, aber keineswegs unumstrittenen Wärmepumpen nebst Fernwärme-Technik und sonstigen Heiztechnologien werden ungefähr allesamt mit digitalen Strom- oder Wärmezählern betrieben. Von daher drängt sich der Verdacht auf, dass die sogenannte Wärmewende insgeheim das Digitalmonopol stärken und damit der Perfektionierung der Überwachungsgesellschaft dienen soll. Diese Vermutung hat einiges für sich: Der von Shoshana Zuboff in ihrem umfangreichen Bestseller identifizierte „Überwachungskapitalismus“ schlägt hier zu.
Der damit ausgesprochene Verdacht hat nichts mit irgendwelchen Verschwörungsmythen zu tun. Vielmehr beruht diese These auf analytischer Beobachtung der angeblich fortschrittlichen Regierungspolitik und logischer, freilich beunruhigender Schlussfolgerung. Elementare Traditionen und Bürgerrechte werden von einer rigorosen Verbotspolitik Schritt für Schritt – hübsch fortschrittlich – kassiert. Die freiheitliche Gesellschaft ist im Zuge der „Zeitenwende“ nicht mehr das, was sie einmal war. Und sie lässt es mit sich machen, zumal all dies sich ja in geordneten, demokratischen Zusammenhängen abspielt. Dabei haben doch schon etliche Bücher ausdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, dass die Digitalisierung in der Konsequenz dabei ist, die Demokratie auszuhöhlen – man denke hier nur an die einschlägigen Werke von Yvonne Hofstetter (2016), Christoph Kucklick (2016), Stephan Riss-Mohl (20117), Volker Böhme-Nessler (2018), Ulrike Guérot (2020), C. N. Nyder (2021), Byung-Chul Han (2021) und nicht zuletzt an mein Buch „Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion“ (2. Aufl. 2014).
2021 hat Gloria Rose in der „Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis“ unterstrichen: „Demokratie lässt sich nicht so einfach digitalisieren.“ Fast gleichzeitig hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärt: „Wenn es um die Sache der Demokratie geht, ist die digitale Revolution beides – Fluch und Segen, Chance und Gefahr“, um hinzuzufügen: „Die Demokratie ist nicht irgendein Geschäftsmodell, kein analoges Relikt, reif für digitale Disruption.“ Einschlägige Gefahrenaspekte hat bereits 2014 der Anwalt und Journalist Glenn Greenwald in seinem Buch „Die globale Überwachung“ herausgearbeitet und gewarnt, eine Kontrolle über die ganze Gesellschaft sei im Anmarsch, die zugleich Konformität und Angst fördere – womit eine „sehr ernsthafte Bedrohung für die Demokratie“ gegeben sei.
Tatsächlich ist überall dort, wo die Digitalisierung Einzug hält, Kontrolle und Überwachung möglich – und wie oft wird das technisch Mögliche auch umgesetzt, ob öffentlich oder geheim! So hieß es in einem der letzten Songs von Udo Jürgens unter dem Titel Der gläserne Mensch (2014): „Zur Sicherheit – Lauschangriff! Wir werden voll überwacht: BND, NSA, wir alle stehen unter Generalverdacht… Der gläserne Mensch – gefangen im Netz, gegen jedes Recht und Gesetz“! Solche Überwachung ist beispielsweise bei den digitalen Stromzählern möglich, mit denen die betreffende Energie sich zweifellos besser erfassen, steuern und verteilen lässt, die aber auch anderen Zwecken dienlich gemacht werden kann und anfällig für Cyberangriffe bleibt. Die Broschüre „Lauschangriff durch smarte Zähler – Informationen und Ratschläge zum häuslichen Daten- und Strahlenschutz bei Strom- und anderen Zählern“ (2020) aus der Feder der Juristin Margit Krug ist diesbezüglich sehr aufschlussreich.
Nun kann man gewiss darüber streiten, ob der Effekt der digitalen Überwachungsmöglichkeiten oder der Klimaschutz das eigentliche Ziel der neuen Gesetzgebung aus Berlin darstellt – und welches von beiden Neben- oder Haupteffekt ist. Verdächtig bleibt wie gesagt, dass viele Argumente für die gut gemeinten ökologischen Absichten der rigiden Verbotspolitik insofern wenig überzeugen können, als die real hierzulande und global erreichbaren Umweltziele schwerlich in angemessenem Verhältnis zu den geplanten Maßnahmen stehen und entsprechend heftige Proteste hervorrufen – und dass die digitale Transformation als deren ideologisch-politisches Hauptziel ohnehin ein leitendes Interesse darstellt. Das Gesetz zum „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ spricht ja schon in seinem Namen aus, worum es eigentlich geht – eben um die Digitalisierung der Energiewende und weniger um diese selbst.
Dabei ist die Digitalisierung als Leitprogramm mit all ihren Implikationen in Deutschland und weltweit alles andere als unumstritten. Das belegen zahlreiche Bücher, von denen ich übrigens viele in zwei ausführlichen Sammelbesprechungen in der Theologischen Rundschau 2019 und 2022 vorgestellt habe; auch habe ich selbst über „Die digitalisierte Freiheit“ und den „Digitalen Turmbau zu Babel“ zwei einschlägige Bücher verfasst, die beide in 2. Auflage vorliegen. Die Problematik der digitalen Transformation besteht ja keineswegs nur in der sich etablierenden Überwachungskultur, sondern auch etwa in den Gefahren der Künstlichen Intelligenz. Eliezer Yudkowsky warnte als namhafter KI-Forscher in einem Kommentar des Time Magazine Ende März sogar: „Viele Forscher, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, darunter auch ich, gehen davon aus, dass das wahrscheinlichste Ergebnis der Entwicklung einer übermenschlich intelligenten KI unter den gegenwärtigen Umständen darin besteht, dass buchstäblich jeder auf der Erde sterben wird.“ Immer mehr Sorgen bereiten zudem bekanntlich international vehement zunehmende Cyber-Attacken – und nicht zuletzt die ökologischen Risiken der digitalen Revolution.
Wenn nun sogar das Heizen mit Holz – ein ganz urtümliches Wohnbedürfnis – zunehmend der digitalen Transformation eingegliedert werden soll, indem im Endeffekt die dafür nicht infrage kommenden Heizarten immer mehr eingeschränkt oder verboten werden, ist das ein dem Klima- und Naturschutz gewidmetes und doch unnatürlich anmutendes Vorhaben. Bleibt zu hoffen, dass die Dreistigkeit, mit der solche Pläne geschmiedet und umgesetzt werden, denn doch endlich breitere Schichten der Bevölkerung wachrüttelt. Es geht hier nicht allein um das Herunterfahren von Heizen mit nachwachsenden Rohstoffen, das ja zum Beispiel mittels Filter-Auflagen im Zaum gehalten werden könnte, sondern um die fast schon totalitär anmutende Durchsetzung digital kontrollierbarer Technologien auf breiter Front.
Nachdem digitale Technologien bekanntlich narzisstische Tendenzen fördern, verwundert es nicht, wenn der laut Wolfgang Bergmann typisch narzisstische „Hang zur Totalität“ um sich greift und auch politisch immer mehr Gestalt annimmt. Der namhafte Psychologe Leon Wurmser hat gewusst: „Absolute Idealsetzung bedarf absoluter Verleugnung dessen, was nicht dazu paßt.“ Entspricht dem nicht unsere gegenwärtige Situation, dass bestimmte „grüne“ Ideale jetzt derart absolut gesetzt werden, dass am Ende eben absolut verboten wird, was nicht dazu passt? Überzeugend sprachen die Journalisten Stefan Aust und Thomas Ammann bereits in ihrem Buch von 2014 von „Digitaler Diktatur“ als dem drohenden Endresultat des technologischen Fortschritts!
Der aktuellen Verbotspolitik eignet eine Radikalität, die gebotene Differenzierungen – etwa zwischen importiertem Plantagen-Holz für Pelletsheizungen und heimischem, in ökologisch sinnvollem Maß zu verwendendem Waldholz – zu sehr vermissen lässt und insofern kaum noch bürgerfreundlich geschweige denn freiheitlich anmutet. Gerade die „Wärme-Wende“, die auch noch das von Alters her gewohnte Heizen mit Holz auf die Dauer womöglich ganz verbieten wird, um vor allem die strombetriebenen Wärmepumpen zu pushen, erweckt streckenweise den Eindruck, als würde die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern kaum noch eigene Vernunftentscheidungen in diesen Dingen zutrauen. Dass sie damit nicht wenige vor den Kopf stößt, ja zum Teil in Verzweiflung stürzt, weil sie mit den sich abzeichnenden Zwängen in finanzielle und vielleicht auch baubiologische Nöte geraten, scheint die Verantwortungstragenden wenig zu kümmern. Gesamtgesellschaftlich sind die Dinge jedoch längst nicht ausdiskutiert. Gerade auch die Frage des natürlichen Heizens mit Holz hat noch einige Monate Debattenfrist, bis der vom Kabinett vorgelegte Gesetzesentwurf im Bundestag zum Beschluss ansteht.
Von Prof. Werner Thiede liegt eine neue Broschüre zum Thema vor:
„Im Namen des sogenannten Fortschritts. Zur zunehmenden Einschränkung bürgerlicher Schutz- und Freiheitsrechte“ (pad-Verlag 2023, 72 S.; siehe auch www.werner-thiede.de).
Links zum Themenfeld des Artikels:
reitschuster.de/post/heizwende-fuenfmal-so-teuer-wie-habeck-beteuert/
vera-lengsfeld.de/2023/04/22/nicht-in-meinem-haus/
www.die-tagespost.de/kultur/die-diktatur-der-dummen-art-229206
www.die-tagespost.de/leben/glaube/kuenstliche-intelligenz-die-womoeglich-letzte-erfindung-art-232647