Politik

Ukraine: Wagner-Chef droht mit Rückzug aus Bachmut

Wagner-Chef Prigoschin greift die Militärführung Russlands erneut scharf an. Die unzureichende Versorgung hätte zu vielen Todesopfern unter den Söldnern geführt. Nun droht Prigoschin sogar damit, seine Leute aus der umkämpften Stadt Bachmut abzuziehen.
05.05.2023 15:16
Aktualisiert: 05.05.2023 15:16
Lesezeit: 3 min
Ukraine: Wagner-Chef droht mit Rückzug aus Bachmut
Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Privatarmee Wagner Group, greift die Militärführung Russlands erneut scharf an. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Der Chef der russischen Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, droht mit dem Rückzug seiner Einheiten aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine und verschärft damit den Streit mit der russischen Militärführung. Grund seien hohe Verluste und ein Mangel an Munition, woran das Moskauer Verteidigungsministerium Schuld sei, teilte Prigoschin am Freitag mit. Seine Söldner würden sich deswegen am 10. Mai in Nachschublager zurückziehen und ihre Stellungen an die russische Armee übergeben müssen.

Prigoschin erhebt schwere Vorwürfe gegen Militärführung

Damit verschärfte Prigoschin den seit Monaten schwelenden Konflikt mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Militärspitze. Die Wagner-Truppe führt die für beide Kriegsseiten verlustreichen Angriffe auf Bachmut an, das für Russland nach mehreren Rückschlägen ein strategisch wichtiges Ziel ist.

So geht die Ukraine davon aus, dass Russland Bachmut bis zum 9. Mai einnehmen will – dem Tag der Militärparade anlässlich des Sieges über Nazi-Deutschland. Zu diesem Zweck würden Wagner-Söldner aus anderen Frontabschnitten in die Stadt geschickt, sagte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen.

„Ich ziehe die Wagner-Einheiten aus Bachmut ab, denn ohne Munition sind sie dem sinnlosen Tod geweiht“, teilte dagegen Prigoschin in einer Erklärung mit, die an den Generalstabschef, das Verteidigungsministerium und Präsident Wladimir Putin als Oberbefehlshaber gerichtet war. „Meine Jungs werden ohne Munition keine nutzlosen und ungerechtfertigten Verluste in Bachmut erleiden“, sagte Prigoschin zudem in einem beigefügten Video, das ihn in voller Kampausrüstung mit einem Schnellfeuergewehr um seine Schulter hängend vor Dutzenden seiner Kämpfer zeigt. „Wenn Sie wegen Ihrer kleinen Eifersucht dem russischen Volk nicht den Sieg über die Einnahme von Bachmut geben wollen, ist das Ihr Problem.“ Der Vorwurf Prigoschins, seine Truppen würden nicht ausreichend mit Munition versorgt, ist nicht neu.

Prigoschin will Söldner nach Siegesparade abziehen

Der Söldner-Chef hatte erst vor drei Wochen erklärt, dass seine Truppen rund 80 Prozent von Bachmut unter Kontrolle hätten. Nun will er offenbar seine Söldner nur einen Tag nach der Siegesparade in Moskau abziehen. Es war aber zunächst unklar, ob man Prigoschins Erklärung für bare Münze nehmen kann, da er in der Vergangenheit häufig impulsive Kommentare abgegeben hat. Erst vorige Woche nahm er eine Aussage als „Scherz“ zurück.

Zugleich attackierte Prigoschin die Militärführung in Moskau in einem weiteren Video erneut scharf. In der von seiner Presseabteilung veröffentlichten Aufzeichnung stand er inmitten blutüberströmter Leichen, beschimpfte Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow heftig. Er warf beiden vor, seine Kämpfer nicht ausreichend mit Munition zu versorgen und machte sie persönlich für die hohen Verluste seiner Truppe verantwortlich. Der Kampf um Bachmut hat sich zur längsten und verlustreichsten Schlacht des Krieges entwickelt.

„Wir haben einen Munitionsmangel von 70 Prozent. Schoigu! Gerassimow! Wo ist die verdammte Munition?“, schrie Prigoschin in die Kamera. Die Verantwortlichen sollten zur Hölle fahren, rief er. Die Verluste der Wagner-Truppe wären fünfmal geringer, wenn sie angemessen versorgt würde. „Das sind Wagner-Jungs, die heute gestorben sind. Das Blut ist noch frisch“, sagte Prigoschin und deutete auf die Leichen um ihn herum. „Sie kamen als Freiwillige hierher und sterben, damit ihr in euren Büros fett werden könnt.“

Prigoschin hat wiederholt Schoigu und der Militärführung öffentlich Inkompetenz vorgeworfen und dass seiner Wagner-Gruppe aus persönlicher Abneigung gegen ihn absichtlich Munition vorenthalten werde. Zuletzt hatte er aber von öffentlichen Angriffen gegen Schoigu abgesehen.

Lawrow kündigt Vergeltung für Drohnenangriff an

Im Zusammenhang mit dem Drohnenangriff auf den Kreml, zu dem es nach russischen Angaben am Mittwoch gekommen sein soll, drohte Außenminister Sergej Lawrow mit Vergeltung. „Es war eindeutig ein feindlicher Akt, und es ist klar, dass die Kiewer Terroristen ihn nicht ohne das Wissen ihrer Herren begangen haben können“, sagte Lawrow auf einer Pressekonferenz in Indien. „Wir werden nicht mit Reden über 'casus belli' oder nicht, sondern mit konkreten Taten reagieren“.

„Casus belli“ ist ein lateinischer Begriff für eine Handlung, die einen Krieg rechtfertigt. Auch 15 Monate nach dem Einmarsch in der Ukraine spricht Russland weiterhin nicht von einem Krieg sondern einer militärischen Spezialoperation. Russland hat die Ukraine beschuldigt, mit einem Drohnenangriff auf den Kreml ein Attentat auf Putin versucht zu haben. Die Ukraine hat das zurückgewiesen. Die USA bezeichneten russische Vorwürfe, hinter dem Angriff zu stecken, als Lüge.

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