Auf Seite 68 des am 26. April beschlossenen Koalitionsvertrages zwischen der CDU und SPD in Berlin findet sich wieder, was nicht wenige Unternehmen der Hauptstadt in helle Aufregung versetzt. Im Kapitel „Arbeit“ des Vertragswerkes kündigen die Koalitionspartner die Einführung einer Ausbildungsplatz-Umlage an – wenn nicht bis zum 30. April 2025 „mindestens 2000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze“ geschaffen werden. Die Ankündigung der Schaffung einer solchen Umlage ist für den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Alexander Schirp, jedoch ein „Griff in die Mottenkiste“. Der Dachverband, in dem in Berlin und Brandenburg mehrere 10.000 Unternehmen organisiert sind, lehnt die Einführung einer solchen Umlage entschieden ab – damit werde, so Schirp, „nicht ein einziges Problem gelöst“. Das Thema einer Ausbildungsplatz-Umlage wurde, so Schirp, schon seit den 70er-Jahren immer wieder diskutiert, ohne dass es jemals zur Anwendung kam – mit guten Gründen, wie der Unternehmerverband findet.
Schwierige Suche nach Mitarbeitern
Der Grundgedanke einer Umlage gehe von der grundsätzlichen Fehlannahme aus, dass Unternehmen mit Zwang und unter Androhung von Strafzahlungen dazu gebracht werden müssten, in ihren Unternehmen auszubilden. Tastsächlich sei es aber so, dass die Unternehmen ein „ureigenes Interesse“ hätten, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das aber werde immer schwieriger, klagt der Verband: Immer mehr Schulabgänger zieht es direkt in die Universität in eine akademische Ausbildung, Abgänger mit niedrigem Schulabschluss seien aber nicht selten in der Berufswelt „kaum einsetzbar“, da es – so klagen Unternehmer – es oft an Wissen und Fähigkeiten mangele. Der Verband kritisiert dabei die Politik, dass sie mit der Einführung einer Umlage versuche, ihre ungemachten Hausaufgaben den Unternehmen vor die Tür zu kehren Schon seit Jahren beklagen Unternehmen wie Verbände in Deutschland nicht nur eine verminderte Qualität der schulischen Bildung, sondern auch eine nicht selten anzutreffende schwach entwickelte Motivation der Schulabgänger, sich in das Berufsleben einzupassen.
Die Probleme sind auch der Industrie- und Handelskammer in Berlin nur allzu bekannt. Es werde für unsere Mitgliedsunternehmen immer schwieriger, geeignete Bewerber zu finden, sagt die Projektleiterin Ausbildungsplatzoffensive der IHK Berlin, Bianca Enderlein. Die Ausbildungsplatz-Offensive der IHK versucht dabei, die Unternehmen bei der Suche nach passenden Bewerbern zu helfen. In einer ersten Beurteilung des Koalitionsvertrages kommen die Vertreter der IHK auch zu einem eindeutigen Urteil: Die angekündigte Ausbildungsplatz-Umlage ist „ein klares No-Go. Angesichts tausender unbesetzter Ausbildungsplätze bringen Maßnahmen zur Verbesserung der Bildung in Berlin“ mehr.
Einführung wäre problematisch
Zu einer sehr ähnlichen Einschätzung kommt auch der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeber (BDA), der in einem Positionspapier die Einführung einer Umlage grundsätzlich untersucht. Ergebnis: Die Einführung einer solchen Umlage sei ausgesprochen problematisch – sie führe zu „Fehlanreizen und zu einer Schlechterstellung von kleineren Betrieben“, so der BDA: Betriebe würden bei Androhung einer Umlage auch dann ausbilden, wenn sie selbst keinen Bedarf hätten und kleinere Betriebe, die oft gar nicht die Kapazität hätten, um regelmäßig auszubilden, würden zudem durch die Umlage bestraft.
In Berlin kommt noch ein weiterer Umstand dazu: Die Politik stützt sich bei der Grundlage ihrer Entscheidungen auf diesem Feld auf die Erhebungen der Bundesanstalt für Arbeit. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit enthält die betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsplätze nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung. In der Statistik aber werden beispielsweise nicht landesrechtlich geregelte Berufe wie die im Gesundheits- oder im Sozialwesen erfasst. Der Ausbildungsmarkt ist in Berlin – so die Studie „Fachliche Impulse zur Optimierung des Berliner Übergangssektors Schule-Beruf“ des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung – wesentlich größer als es die Statistik der Bundesagentur aufweist. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass der Dienstleistungssektor in Berlin deutlich größer, hingegen der Anteil des produzierenden Gewerbes an den sozial- und nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur halb so groß wie der Bundesdurchschnitt ist. Dazu komme noch, dass Berlin als Bundeshauptstadt einen besonders stark entwickelten Sektor im öffentlichen Dienst aufweise.
Hinzu kommt ein weiteres Spezifikum. Gerade in Berlin ist der Übergangsbereich zwischen Schule und Beruf mit seinen beruflichen Fördermaßnahmen besonders stark ausgebaut. Jahr für Jahr landen mehr als 4000 Schulabgänger in diesem Bereich, der allerdings, so die Studie, „umfangreiche, aber auch komplexe Strukturen“ aufweise. Dies führe dazu, so die ernüchternde Schlussfolgerung, dass die Vielfalt der Angebote zu Lasten der Transparenz gehe und dies eine passgenaue Zuweisung in geeignete Maßnahmen gefährde. Es wäre deshalb, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbandes Schirp, zielführender und eine deutlich lohnendere Aufgabe für die Berliner Politik, endlich das „unentwirrbare Gestrüpp aus Einzelmaßnahmen zur beruflichen Weiterbildung zu lichten, statt ausbildungswillige Unternehmen mit einer sinnfreien Umlage zu drohen.“