Darüber sprachen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit der Autorin Manuela Lenzen, deren neues Buch „Der elektronische Spiegel“ am 12. Mai im C. H. Beck Verlag erschien. Und über die Frage, was uns die Ergebnisse der KI-Forschung über unsere eigene Intelligenz verraten.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In Ihrem Buch „Der elektronische Spiegel“ geht es um menschliche und künstliche Intelligenz gleichermaßen: Sie beschreiben, wie und unter welchen Grundannahmen man Künstliche Intelligenz zu schaffen sucht und welche Rückschlüsse das wieder auf die Intelligenz lebender Organismen erlaubt. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Manuela Lenzen: Ein Ergebnis ist, dass noch nicht feststeht, ob es gelingen wird, wirklich überzeugende künstliche Intelligenz durch immer mehr Daten und immer stärkere Rechner zu realisieren, oder ob nicht noch einmal ein ganz anderer Ansatz nötig ist. Bislang fallen die großen Sprachmodelle, zu denen etwa auch ChatGPT gehört, damit auf, dass sie immer wieder auch falsche oder unpassenden Antworten geben, die zeigen, dass sie nicht verstehen, was sie da von sich geben. Derzeit werden verschiedene Strategien erprobt, um das zu ändern. Man versucht etwa, diese Systeme mit Datenbeständen zu koppeln, mit deren Hilfe sie Aussagen überprüfen können und dann auch die Quellen für ihre Antworten nennen. Eine Frage ist, wie weit das als Ersatz für Verstehen im menschlichen Sinne funktioniert – eine andere, was diesen Systemen denn fehlt, um die Welt so zu verstehen, wie der Mensch. Der Mangel an Daten oder Rechenkraft ist es offensichtlich nicht. Da rücken dann andere Faktoren und ihre Bedeutung für Intelligenz in den Fokus, etwa der Körper mit seinen Sinnesorganen, der die Daten so vorfiltert, dass unser Gehirn damit etwas anfangen kann, und die Umwelt, in der wir leben, die viele Informationen für uns bereithält, die wir nicht im Kopf haben müssen. Uns fällt etwa wieder ein, wo wir abbiegen müssen, wenn wir an der richtigen Stelle sind. Und wir erkennen einen 50-Euro-Schein, obwohl wir nicht in der Lage sind, ihn aus dem Kopf im Detail zu zeichnen. Dazu kommen unsere Sozialkontakte, Mitmenschen, mit denen wir interagieren, die uns helfen und unser Verhalten kommentieren. Menschen durchlaufen, anders als künstliche Systeme, zudem eine Kindheit, in der sie Schritt für Schritt lernen, was es so alles gibt in der Welt und was man tun kann. Wenn man sich die menschliche Intelligenz genauer ansieht, stellt man fest, dass es viele Dinge gibt, von denen nicht klar ist, ob man sie ungestraft ignorieren kann, wenn man ein künstliches intelligentes System bauen will. So führen die Bemühungen um künstliche Intelligenz dazu, die natürliche nochmal neu in den Blick zu nehmen.
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Manuela Lenzen schreibt als freie Journalistin und Sachbuchautorin vor allem über Kognitionsforschung und Künstliche Intelligenz. Ihr neues Buch „Der elektronische Spiegel“ erscheint am 12. Mai im C. H. Beck Verlag.