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Der Habeck-GAU: Wie Deutschland die Brennstoffzellentechnik verspielt

Lesezeit: 4 min
14.05.2023 09:39  Aktualisiert: 14.05.2023 09:39
Wirtschaftsminister Habeck preist in Deutschland die Wärmepumpe als Allheilmittel an. Dabei geht der Blick für eine der effizientesten und klimafreundlichsten Methoden der Energieverwertung verloren: die Brennstoffzellenheizung.
Der Habeck-GAU: Wie Deutschland die Brennstoffzellentechnik verspielt
Robert Habeck (l, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sitzen in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. (Foto: dpa)
Foto: Bernd von Jutrczenka

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Hätte Staatssekretär Patrick Graichen, der für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den massiven Ausbau der Wärmepumpen durchboxt, eine andere Laufbahn eingeschlagen – die kommenden Jahre verliefen in Deutschland ökonomisch, technologisch und innovativ womöglich anders ab. Denn für das wirtschaftliche Überleben vieler deutscher Mittelständler und Millionen Eigenheimbesitzer vor allem von älteren Gebäuden ist Graichens Wärmepumpen-Feuereifer ein Sargnagel.

Während die einen ihre Klimasparte aufgeben müssen, stehen Besitzer nicht abbezahlter Immobilien vor kaum zu stemmenden Investitionen. Vor allem aber verspielt Deutschland seine technologische Überlegenheit auf einem Gebiet, das vor allem in Japan und den USA als eine der effizientesten und klimafreundlichsten Methoden der Energieverwertung gilt: die Brennstoffzellenheizung.

Brennstoffzellenheizung: Der Verlierer der Wärmewende?

Brennstoffzellen gehören zu den innovativsten Errungenschaften des Heizungsmarktes. Das Prinzip: Die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff werden zu Wasser umgewandelt, wobei eine große Menge Energie frei wird. Anders als bei der Knallgasreaktion, dem Highlight im Chemieunterricht, reagieren Wasserstoff und Sauerstoff dabei nicht durch die Nutzung offenen Feuers, sondern durch einen chemischen Prozess mit Hilfe von Elektroden.

Diesen Prozess nennt man auch „kalte Verbrennung“ – eine Detonation, wie beim Schulexperiment, bleibt aus. Im Ergebnis entstehen elektrische Energie und als „Abfallprodukt“ lediglich Wasser, aber null Kohlendioxid. Um möglichst viel Energie zu erzeugen, baut man Brennstoffzellen zu einem Stapel zusammen. Diese Stapel werden bei einer Heizungsanlage auf Brennstoffzellbasis Stacks genannt.

Wie fortschrittlich die Technologie ist, beweist ihre Flexibilität. Einerseits kann die Brennstoffzellenheizung mit herkömmlichem Erdgas betrieben werden. Einziger Wermutstropfen: dann entsteht nicht nur Wasser, sondern auch ein gewisser Anteil CO2. Mittels sogenanntem Reformer entzieht dabei die Brennstoffzelle dem Erdgas den Wasserstoff, produziert dabei allerdings Kohlenmonoxid, das abschließend in CO2 umgewandelt wird. Für einen Sprecher von „Zukunft Gas“, eines aus Stadtwerken und Energieunternehmen bestehenden Verbandes, liegen die Vorteile dennoch auf der Hand:

„Insgesamt spart die Brennstoffzelle gegenüber eines üblichen Gas-Niedertemperaturkessels in einem Einfamilienhaus mit 150 m² Wohnfläche rund 55 Prozent der CO2-Emissionen ein. Dazu senkt sie den Energieverbrauch um 9 Prozent und ermöglicht durch die eigene Stromerzeugung eine Verringerung des Strombezugs um bis zu 65 Prozent. Zudem wird der Strom dezentral dort erzeugt, wo er auch benötigt wird.“

Wärmepumpe wird bei Kälte zum Stromfresser

Im Gegensatz zu den von Habeck und Graichen favorisierten Wärmepumpen würde der flächendeckende Einsatz von Brennstoffzellen also mehr Wärme und Strom produzieren, dabei aber weniger CO2 erzeugen. Klingt komplex, ist es jedoch nicht.

Um sich nämlich ein Bild vom Stromverbrauch einer Wärmepumpe machen zu können, wendet man folgende Formel an:

Stromverbrauch = Heizleistung (kW) x Betriebsstunden x COP x Korrekturfaktor,

wobei die Werte für den Korrekturfaktor und COP (engl. Coefficient Of Performance; im Deutschen eher als Jahresarbeitszahl JAZ bekannt) in den jeweiligen Handbüchern der Hersteller stehen.

„Das bedeutet, dass die Wärmepumpe bei einer Außentemperatur von minus 10 Grad Celsius im Winter ungefähr 630 kWh Strom pro Monat verbraucht, um eine Raumtemperatur von 20 Grad Celsius auf einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern aufrechtzuerhalten“, errechnet beispielsweise die Künstliche Intelligenz ChatGPT.

Berechnungen des Fachportals „net4energy Deutschland“ wiederum kommen zu noch höheren Stromkosten der von Habeck und Graichen favorisierten Wärmepumpen. Demnach verbrauche ein Durchschnitts-Haushalt mit 2.000 Heizstunden im Jahr rund 10.700 Kilowattstunden Strom, sofern die Luft-Wärmepumpe zu Einsatz kommt. Selbst die als effizienter geltenden Wasserwärmepumpen verschlingen in der obigen Konstellation noch rund 8.000 Kilowattstunden.

Speist man den Strom für den Betrieb der Wärmepumpe aus dem öffentlichen Netz ein, mutiert die per GEG geförderte Technologie zum Klimakiller: Der Durchschnittshaushalt setzt für den Betrieb im obigen Beispiel rund 4,7 Tonnen Kohlendioxid frei. Die aktuell nicht geförderte Brennstoffzellenheizung hingegen pustet diese strombedingte Menge an CO2 nicht in die Luft. Vielmehr spart die Technologie zusätzliche Kohlendioxid-Emissionen ein, indem sie je nach Dimensionierung rund 3.000 Kilowattstunden Strom für den jeweiligen Haushalt produziert.

Brennstoffzellenheizung mit grünem Wasserstoff

Hinzu kommt ein weiterer, entscheidender Aspekt: Die Brennstoffzellenheizung lässt sich ohne Probleme mit grünem Wasserstoff betreiben, und der ließe sich schon heute als 20-prozentige Beigabe dem verwendeten Erdgas zusetzen. Daher wären Brennstoffzellenheizungen – mit oder ohne Zusatz von grünem Wasserstoff ins Erdgasnetz – klimatechnisch kaum schlechter zu bewerten als Heizungen mit Wärmepumpen.

Denn beide Systeme setzen Kohlendioxid frei, solange sie nicht mit regenerativen Energien gespeist werden. Allerdings dürfte die Bereitstellung von grünem Wasserstoff über bestehende Erdgasleitungen für Brennstoffzellenheizungen noch Jahre dauern; ebenso ist im Winter bislang die Deckung des Strombedarfs einer Wärmepumpe durch Photovoltaik eher illusorisch.

Doch während Habecks Ministerium den Einbau von Wärmepumpen ab 2024 trotzdem fördert, bleiben Brennstoffzellenheizungen außen vor, wie Ministeriums-Sprecherin Susanne Ungrad auf Anfrage gegenüber DWN erklärt: „Als Bestandteil der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sind Brennstoffzellenheizungen ausschließlich bei Betrieb auf Basis grünen Wasserstoff oder Biomethan förderfähig.“

Die Folgen dieser Einschränkung sind für die Wirtschaft fatal. Rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt von Wasserstofftechnologien ab, wie der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) attestiert, und: „Wasserstoffwirtschaft darf in einer intelligenten Industrie- und Energiepolitik nicht fehlen. Wasserstoff ist der Schlüssel für eine nachhaltige, versorgungssichere und wirtschaftlich effiziente Energiewende“, heißt es in einer entsprechenden Stellungnahme.

Davon allerdings scheint das Team um Habeck und Graichen weit entfernt. Statt die Infrastruktur für bereits existierende und technologisch ausgereifte Brennstoffzellenheizungen zu fördern, streitet man derzeit lieber über Gesetzesformulierungen, wie DWV-Vorstandsvorsitzender Werner Diwald in einer Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestags im November vergangenen Jahres kritisierte.

Dabei ging es um den vom Hause Habeck mit dem sperrigen Namen „Entwurf eines Gesetzes zu Herkunftsnachweisen für Gas, Wasserstoff, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien und zur Änderung der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsverordnung“ ausgestatteten Regelwerks, das nach Ansicht Diwalds eher Investitionsunsicherheiten schafft, als der Wasserstoff-Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.

Eigentlich wäre die rasche Versorgung mit grünem Wasserstoff auch ganz im Sinne der russlandphoben Regierungspolitik, „denn jede grüne Wasserstoff-Kilowattstunde trägt nicht nur zum Erreichen der Klimaziele, sondern auch zur Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Erdgas bei. Allein im Raffinerie-Sektor könnte auf diese Weise der Erdgasbedarf um 800 Mio. Nm³ und deren Emissionen um 1,7 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr schnell und kosteneffizient gemindert werden“, erläuterte Diwald dem Ausschuss.

Die als Ausschussdrucksache 20(25)216 archivierte Stellungnahme vom 8. November 2022 hat bis heute an der rigiden Haltung des BMWK gegenüber Brennstoffzellenheizungen und Wasserstoff nichts geändert - eher im Gegenteil. Entsprechend nüchtern fällt die Bewertung der habeckschen Energiepolitik durch den Verband „Zukunft Gas“ aus, wie ein Sprecher gegenüber DWN erklärt:

„Ohne notwendige Fördermittel und den politischen Willen, Wasserstoff im Wärmesektor eine Plattform zu bieten, droht der Technologie in Deutschland das Aus. Der Hochlauf der Brennstoffzellentechnologie läuft dann beispielsweise in den Benelux-Staaten oder Großbritannien weiter, die bisherigen Fördergelder in Deutschland wären verloren. Ein Wiedereinstieg bei neuer politischer Bewertung nach einigen Jahren würde einen kompletten Neustart für die Industrie bedeuten. Der aktuelle Kabinettsbeschluss zum GEG erwähnt solche Technologien, räumt ihnen jedoch nicht ausreichend Entfaltungsmöglichkeiten ein.“

Strategische Fehlentscheidung aus Berlin

Über die strategischen Fehlentscheidungen in Berlin dürfte sich vor allem die globale Konkurrenz freuen. Und so kommt es, dass ausgerechnet ein US Konzern mit seinem frisch erworbenen Brennstoffzellen-System für Privathaushalte in perfektem Deutsch vorprescht:

„Dieses kann den überschüssigen Strom für Spitzenlastzeiten bevorraten und steigert somit die Unabhängigkeit gegenüber den Stromanbietern deutlich. Alternativ lässt sich der überschüssige Strom auch problemlos in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Der integrierte Energiemanager ist selbstlernend und optimiert so die Eigenverbrauchsrate.“

Den Namen hinter der angepriesenen Spitzentechnologie kennt hierzulande jeder– nur gehört dessen gesamte Klimatechniksparte seit Ende April dem amerikanischen Giganten Carrier Global.

Der wiederum bringt die Sache mit der Brennstoffzellenheizung-Spitzentechnologie, möglicherweise auch für den Bundeswirtschaftsminister und seinen Staatssekretären irgendwann verständlich, auf der Webseite seiner Errungenschaft auf den Punkt: „Klimaneutral heizen mit Wasserstoff – Lösungen von Viessmann“.

Marita Vollborn und Vlad Georgescu sind Wissenschafts- und Medizinjournalisten sowie Bestsellerautoren. Ihre Sachbücher zählen zum Bestand der Bibliothek des Deutschen Bundestags und der US Library of Congress und befassen sich u.a. mit den geheimen Geschäften der Pharmaindustrie. 

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