Wirtschaft

Schuldenobergrenze: Biden-Regierung geht das Geld aus

Die US-Regierung steht kurz vor dem Shutdown. Wenn bald die gesetzliche Schuldengrenze überschritten wird, ist die US-Regierung formal pleite. Einzig eine schnelle Anhebung des Schuldenlimits kann hier noch Abhilfe schaffen, aber das hat seinen Preis.
18.05.2023 10:36
Aktualisiert: 18.05.2023 10:36
Lesezeit: 5 min
Schuldenobergrenze: Biden-Regierung geht das Geld aus
Der überschuldeten US-Regierung geht sehr bald das Geld aus. (Foto: iStock/Diy13) Foto: Diy13

Laut US-Finanzministerium ist das Risiko eines Zahlungsausfalls der Biden-Regierung ab Anfang Juni akut, wie Finanzministerin Janet Yellen in einen Brief an den Kongress schreibt. Anfang März stufe die Ratingagentur Standard & Poors US-Staatsanleihen von AAA auf AA+ ab und die Prämien auf Kreditausfallversicherungen für US-Staatspapieren sind so hoch wie seit 2012 nicht mehr. Das liegt aber nicht daran, dass sich das Land in einer Finanzkrise befindet oder es an Steuereinnahmen mangelt.

Bereits im Januar wurde die Schuldenobergrenze von 31,4 Billionen (Tausend Milliarden) Dollar erreicht, aber seitdem konnte es durch spezielle buchhalterische Tricks vermieden werden, dass diese dauerhaft überschritten wird. Experten gehen davon aus, dass diese Tricks im Juni ausgeschöpft sind. Goldman Sachs sieht ebenfalls in der ersten Junihälfte das Überschreiten der Schuldengrenze kommen und verweist hier auf die schwachen Steuereinnahmen vom April. Auch Fed-Chef Powell meldete sich mit mahnenden Worten. Sollte das Schuldenlimit nicht angehoben werden, könne die Zentralbank die USA nicht vor den Folgen einer Zahlungsunfähigkeit schützen.

Der konkrete Termin ist schwer zu prognostizieren, denn es hängt von den Ausgaben und Steuereinnahmen ab, die von Woche zu Woche stark schwanken können. Aktuell soll das Finanzministerium noch rund 100 Milliarden Dollar an Barmittel zur Verfügung haben. Wird die Obergrenze nicht bald angehoben, würde die Biden-Administration demnach ab Juni gezwungen sein, bestimmte Zahlungen zu kürzen oder auszusetzen, weil das neue Schuldengeld fehlt.

Dann würde vermutlich ein Großteil der Regierungs-Aktivitäten lahmgelegt („Shutdown“) und nur noch wenige integrale Mitarbeiter ihren Dienst verrichten. Auch ist zu erwarten, dass dann gewisse Sozialausgaben vorübergehend gestoppt würden.

Eine anhaltender Zahlungsausfall der USA ist sehr unwahrscheinlich, aber trotzdem seien hier mögliche wirtschaftliche Folgen aufgelistet.

  • Rating-Abstufung der USA; Starker Abverkauf und damit Zinsanstieg von US-Staatsanleihen
  • Abwertung und beschleunigter Statusverlust des Dollar
  • Wirtschaftsabschwung in den USA
  • Finanzkrise und Aktiencrash

Mit den entsprechenden globalen Ansteckungseffekten, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.

US-Schuldengrenze besteht seit mehr als 100 Jahren

​​​​Was genau ist die Schuldenobergrenze eigentlich? Die Schuldenobergrenze ist ein vom Kongress festgelegter Maximalbetrag für die Gesamtverschuldung der US-Regierung. Oberhalb dessen darf das Finanzministerium keine neuen Kredite aufnehmen.

Die Schuldengrenze existiert formal seit 1917. Vorher genehmigte der Kongress meist die Schuldenaufnahme für bestimmte Zwecke. Wie in der Geschichte üblich, wurde diese fiskalische Regel im Zuge der Kriegsfinanzierung aufgehoben, in diesem Fall des ersten Weltkriegs. 1935 wurde dann eine umfassende Schuldenobergrenze festgelegt – zumindest in der Theorie.

Denn in den folgenden Jahrzehnten wurde die Schwelle so oft nach oben korrigiert, dass es fast schon müßig wird, mitzuzählen. Seit 1917 über 100 Mal und seit 1960 satte 80 Mal - 49 davon unter republikanischen Präsidenten und 30 unter demokratischer Präsidentschaft. Es stellt sich durchaus die Frage, was der Sinn von Schuldenlimits ist, die sowieso kontinuierlich angehoben werden. Das Ganze ist ähnlich absurd wie die diversen Beitrittsvoraussetzungen und Schuldenregeln in der Eurozone, die fast kein Land erfüllt.

Pattsituation zwischen Regierung und Kongress

Ob es diesmal anders läuft und das Limit hält? Unwahrscheinlich. Wenn es um die Schuldengrenze geht, werden sich die beiden Parteien doch immer irgendwie einig. Zumal beide Seiten in den letzten Jahrzehnten nicht gerade durch Sparsamkeit ihrer Präsidenten aufgefallen sind.

Aktuell laufen Gespräche zwischen Mitarbeitern des Kongresses und des Weißen Hauses, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Das gesetzesgebende Repräsentantenhaus wird mit einer hauchdünnen Mehrheit von den Republikanern dominiert, die im Gegenzug für eine Anhebung der Schuldengrenze eine Kürzung der Staatsausgaben fordern. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits vor, wie das Wall Street Journal berichtet.

Die Republikaner um Kongressführer McCarthy fordern einen Ausgabenplan, der maximale jährliche Erhöhungen für bestehende Posten (abgesehen von Militärausgaben) von ein Prozent bis 2024 vorsieht. Außerdem soll das Haushaltsdefizit in den nächsten zehn Jahren um knapp 5 Billionen Dollar sinken, was eine erhebliche erhebliche Reduzierung der für denselben Zeitraum prognostizierten Defizite in Höhe von mehr als 21 Billionen Dollar wäre. Erreicht werden soll das in erster Linie durch Ausgabenkürzungen bei Bundesbehörden und nicht durch die von Präsident Biden vorgeschlagenen Steuererhöhungen für Unternehmen und einkommensstarke Bürger.

Zudem schlagen die Republikaner die Rücknahme von Steuersenkungen vor, die unter anderem im Rahmen des Subventionsprogramms „Inflation Reduction Act“ verabschiedet wurden. Weitere Einsparungen sollen durch einen Stopp des „Student Loan Relief Programs“ und geringere Zinsverpflichtungen erreicht werden .

Aus Kreisen der den Senat kontrollierenden Demokraten wird verlautbart, dass der Gesetzesentwurf fernab jeder Realität sei. Biden sagte, er würde über den Haushalt verhandeln, aber besteht darauf, dass das Schuldenlimit ohne Bedingungen erhöht wird. Der Gesetzesvorschlag sei „ein rücksichtsloser Versuch“, der Regierung extreme Zugeständnisse abzuringen, heißt es in einer Erklärung des Weißen Hauses.

Unterdessen betonte Kongressleiter McCarthy einerseits, dass es ohne drastische Ausgabenkürzungen keine Einigung geben würde. Andererseits sei er sehr zuversichtlich, dass schon bis Ende der Woche eine Einigung gefunden ist.

Steigen Schulden ins Unermessliche?

Am Ende dürfte Biden leichte Kompromisse eingehen und die Schuldengrenze um circa zwei Billionen Dollar angehoben werden. Doch was dann? „Eine Milliarde hier, eine Milliarde dort, und schon bald geht es um relevante Geldsummen.“ Diesen berühmten Satz soll der republikanische Senator Everett Dirksen in Bezug auf das Ausgabeverhalten der damaligen demokratischen Regierung unter Lyndon B. Johnson (1963-1969) geäußert haben. Seitdem haben Politiker und Zentralbanker die monetäre Leiter beständig weiter nach oben erklommen, sodass es heute heißen müsste: „Eine Billion hier, eine Billion dort …. “.

Die ständig wiederkehrende Debatte um die US-Schuldengrenze ist nur ein Symptom einer hoffnungslos undisziplinierten Fiskalpolitik. Verschwenderisches Ausgabeverhalten einer US-Regierung ist keine Ausnahme, sondern die Regel – völlig gleichgültig aus welcher der zwei Parteien der Präsidenten kommt. Investment-Legende Stan Druckenmiller kommentiert das so: „Die fiskalische Verantwortungslosigkeit der letzten Dekade zu beobachten ist in etwa so wie sich einen Horrorfilm anzuschauen.“

Dass Staatshaushalte so gut wie immer schuldenfinanziert sind, wird kaum noch in Frage gestellt. Wenn die Schulden aber niemals getilgt werden, dann steigen sie logischerweise ins Unermessliche. Wichtig ist hier, nicht nur auf absolute Zahlen zu schauen, sondern vor allem auf die Relation zur Wirtschaftsleistung.

„The trend is your friend“ und verheißt in diesem Fall nichts Gutes. Amerika hat ein (Staats-)Schuldenproblem - und das nicht erst seit gestern. Die Defizite werden immer größer. Alleine in den letzten 6 Monaten ist der Schuldenberg um 1.100 Milliarden Dollar gestiegen, eine um 433 Milliarden höhere Zunahme mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Schuldengrenze wird dabei stetig mit angehoben und die Abstände zwischen den Anhebungen werden immer kürzer.

Die Biden-Administration hätte durchaus die Möglichkeit, den ersten Schritt in Richtung Haushalts-Gesundung zu gehen. Die relativ hohe Inflation ist quasi ein natürlicher Tilgungseffekt auf die reale Schuldenlast. Aber so wirklich will niemand an dieses Szenario glauben.

Der Zeitpunkt für ein Überschreiten der Schuldengrenze ist indes suboptimal, weil es in einem Umfeld steigender Zinsen sowie einer schwachen Konjunktur stattfindet. Und eines ist heute sogar fundamental anders als damals vor mehr als fünfzig Jahren unter Johnson: Die USA sind nicht mehr die unangefochtene Wirtschaftsnation Nummer Eins und der Status des Dollars als Weltleitwährung wackelt. Der immer mächtiger werdende BRICS-Block forciert seine Anstrengungen, den US-Dollar als Handels- und Reservewährung weiter zurückzudrängen. Die Finanzierung der immensen US-Defizite wird zunehmend schwieriger werden.

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Jakob Schmidt

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

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