Viele Arbeitnehmer über 60 sehnen sich nach dem Rentenbeginn. Doch seit dem Jahr 2012 steigt das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre an. Wer etwa im Jahr 1958 geboren ist, muss bereits mit 66 Jahren in Rente gehen. Jahrgang 1964 und jünger muss bis 67 arbeiten.
Dennoch ist ein vorzeitiger Renteneintritt möglich, allerdings erst mit 63 Jahren oder später, erklärt Andreas Irion im DWN-Gespräch. „Gesunde Arbeitnehmer müssen dafür mindestens 35 Jahre lang gearbeitet haben“, sagt der Rentenberater und Vizepräsident des Bundesverbands der Rentenberater. Eine Ausnahme seien Arbeitnehmer mit einem Schwerbehinderungsgrad von 50 Prozent und höher. Diese dürften bereits mit 62 Jahren in Rente.
Allerdings würden Abschläge in Höhe von 0,3 Prozentpunkten pro Kalendermonat zwischen Rentenbeginn und Regeleintrittsalter fällig. Wer etwa im Jahr 1958 geboren sei, würde regulär mit 66 Jahren in Rente gehen. Geht er aber mit 64 Jahren in Rente, würde ein Abschlag von insgesamt 7,2 Prozent auf die aktuellen Rentenansprüche fällig (0,3 Prozentpunkte mal 24 Monate). „Dieser Abschlag gilt lebenslang“, erklärt Irion.
Lohnt sich die Rente mit 63?
Finanziell lohne sich die Rente mit Abschlägen in der Regel nicht. „Grund ist die hohe Lebenserwartung“, sagt Irion. Wer etwa bis zum regulären Renteneintritt 45 Jahre gearbeitet und 45 Rentenpunkte gesammelt hätte, hätte bei einer zwei Jahre früheren Rente bloß 43 Punkte. Auf diese würde nochmal ein Abschlag von 7,2 Prozent anfallen. „Die Bruttorente wäre um über 11 Prozent geringer. Nach Steuern sind das immer noch circa 10 Prozent“, rechnet Irion vor.
Eine weitere Option ist die Rente nach 45 Beitragsjahren – im Volksmund auch Rente mit 63 genannt. Hier dürfen Arbeitnehmer mit 45 Beitragsjahren bereits zwei Jahre vor Erreichen des Regeleintrittsalters in Rente und müssen keine Abschläge in Kauf nehmen, erklärt Irion.
Wer etwa 1958 geboren sei und regulär bis 66 arbeiten müsse, könne mit 64 Jahren in Rente gehen und erhalte eine Rente gemäß der Punktzahl, die er bis dahin angesammelt habe. „Finanziell ist das hochattraktiv. Wer einen Anspruch darauf hat, sollte das machen“, sagt Irion.
Als Beitragsjahre zählten aber im Wesentlichen bloß Berufsjahre. Arbeitslosengeld I unmittelbar vor Rentenbeginn und Ausbildung würden nicht mitzählen. Kindererziehungszeiten und Pflege von Angehörigen hingegen schon. Bei der Rente nach 35 Jahren zähle demgegenüber „fast alles“, erklärt Irion – etwa Ausbildung, Krankheit, Pflege von Angehörigen und Kindererziehungszeiten. Für das erste Kind würden etwa zehn Jahre hinzugerechnet und bei weiteren Kindern zähle der Zeitraum vom Geburtsdatum des ersten Kindes bis zum Erreichen des 10. Lebensjahres des jüngsten Kindes.
Eine weitere Option ist Irion zufolge Arbeitslosengeld I. Wer gekündigt werde, habe Anspruch auf bis zu zwei Jahre ALG I. Die Arbeitsagentur zahle 80 Prozent der Rentenbeiträge fort, sodass die Rentenansprüche weiter steigen. „ALG I ist attraktiver als die Rente nach 35 oder 45 Jahren“, erklärt daher Irion.
Allerdings müsse der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen. Unterschreibe der Angestellte einen Aufhebungsvertrag, reduziere sich die Bezugsdauer des ALG I und man erhalte während einer Sperrzeit erst einmal nichts. Allerdings gebe es auch hier Ausnahmen. „Der Arbeitgeber muss gegenüber der Arbeitsagentur ein Formular ausfüllen, in dem er ankreuzen kann, dass das Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Einverständnis beendet wurde, ansonsten aber eine Kündigung erfolgt wäre“, führt Irion aus.
Manche Arbeitnehmer suchten daher bereits Jahre vor Rentenbeginn das Gespräch mit dem Arbeitnehmer und verlangten einen Aufhebungsvertrag. Stimme der Arbeitgeber nicht zu, drohten sie mit einem Wechsel. „Bei anderen Arbeitnehmern hat der Chef ein Interesse, diese loszuwerden“, sagt Irion.
Vorzeitige Rente als Privatier
Wer viel Geld erbt oder im Lotto gewinnt, könnte als Privatier vorzeitig in Rente. Am häufigsten trete der Fall bei älteren Frauen auf, deren Männer bereits im Ruhestand seien und über ausreichend Vermögen und Rentenansprüche für beide Ehepartner verfügten. „Wer vor 63 in Rente geht, muss sich aber privat versichern, freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen oder von der Familienmitversicherung profitieren“, führt Irion aus.
Zuletzt könne ein sogenanntes Wertguthaben den Renteneintritt nach vorne ziehen. Dabei handelt es sich um ein Arbeitszeitkonto, in das Überstunden, nicht genommener Urlaub oder auch Teile des Gehalts eingezahlt würden. Es werde vom Arbeitgeber verwaltet und könne bei Jobwechsel zum neuen Arbeitgeber und bei Arbeitsplatzverlust an die Deutsche Rentenversicherung übertragen werden. „Aus dem Wertguthaben können vorzeitige Renteneintritte finanziert werden“, erklärt Irion. Auf dem Papier erhalte der Arbeitnehmer weiter Lohn und zahle Rentenbeiträge, aber tatsächlich arbeite er nicht mehr.
Etwa greifen Hochverdiener auf Wertguthaben zurück, berichtet Irion. Diese lassen sich jahrelang bloß die Hälfte des Gehalts auszahlen und sparten eine weitere Hälfte an, um bereits mit 50 oder Mitte 40 in Rente zu gehen. Auch Normalverdiener könnten damit Beitragsjahre ansammeln, um etwa die Rente mit 45 in Anspruch zu nehmen. „Arbeitnehmer sparen außerdem Steuern, weil das Einkommen im Zeitablauf geglättet wird und aufgrund des progressiven Steuersystems geringer besteuert wird“, erklärt Irion.
Der Rentenberater hat auch einen Trick, wie man bis zu zwei Beitragsjahre ansammeln kann, um anschließend etwa die Rente mit 45 in Anspruch zu nehmen. Wer ALG I beziehe, könne einen Minijob ausüben und sich so die Zeit in Arbeitslosigkeit anrechnen lassen. Ein Verdienst von 31 Euro pro Monat reiche bereits aus. „Ein Bezieher von ALG I könnte etwa beim Nachbar Blumen gießen“, erklärt Irion.
Interessierte sollten sich indes professionell beraten lassen, um die optimale Lösung zu finden. Dies sei kostenlos bei der Deutschen Rentenversicherung möglich, erklärt Irion. Diese würde korrekt beraten, aber die Mitarbeiter seien nicht geschult im Aufzeigen von Optimierungspotenzial. „Die Beratung der Rentenversicherung ist vergleichbar mit der Steuerberatung des Finanzamts.“
Wer eine Beratung im eigenen Interesse wünsche, solle sich an einen Rentenberater wenden. Bereits mit der gesetzlich festgelegten Mindestberatungsgebühr von circa 200 Euro ließe sich oftmals aufzeigen, ob Optimierungspotenzial vorhanden sei, erklärt Irion.