Das Geschäftsklima im deutschen Mittelstand hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2022 verschlechtert. Nach Angaben der Auskunftei Creditreform liegt der Index im Frühjahr 2023 nur noch bei 4,0 Punkten, gegenüber 15,0 Punkten im Vorjahr. Der Index für die aktuelle Geschäftslage rutschte sogar jüngst auf minus 4,8 (Vj. plus 12,5) Punkte.
Ob die Konjunktur im Gesamtjahr noch ein leichtes Wachstum schafft, ist äußerst fraglich; die rezessiven Tendenzen sind unübersehbar. Was jetzt schon feststellbar ist: Die Unternehmensinsolvenzen steigen.
2022 waren es laut Creditreform 14.660 (2021: 14.130). 2023 hat sich der Trend bestätigt, wie aktuelle Zahlen zeigen: Laut Statistischem Bundesamt lagen die beantragten Unternehmensinsolvenzen im Januar/Februar mit 2.633 um gut 20 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Mittelstand unter Druck
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen haben es schwer. Die Binnenkonjunktur ist schwach, die Konsumnachfrage angesichts der hohen Inflation zurückhaltend. Zudem belasten die hohen Energiepreise und schmälern die Gewinnaussichten.
Und ein weiterer entscheidender Faktor trübt die Aussichten: die Zinswende. Nach langen Jahren extrem niedriger Zinsen hat die Europäische Zentralbank (EZB) seit 2022 ihre Geldpolitik deutlich gestrafft; weitere Zinserhöhungen werden erwartet. Insbesondere mittelständische Firmen haben es zunehmend schwerer, noch halbwegs günstige Finanzierungen zu erhalten.
Und wenn die alten Kredite – noch zu sehr günstigen Konditionen in den Vorjahren aufgenommen – auslaufen, werden neue Kredite deutlich teurer werden. Vorausgesetzt, man bekommt überhaupt noch zu annehmbaren Konditionen eine Finanzierung, denn die Banken werden angesichts der Unsicherheiten vorsichtiger bei der Kreditvergabe.
„Nach der Corona-Zeit sind viele Unternehmen per se schon geschwächt und Kapitalreserven zum Beispiel im Einzelhandel und bei Dienstleistern oftmals aufgebraucht“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Konjunkturexperte bei Creditreform.
Aus seiner Sicht gibt es nicht den einen Insolvenztreiber, sondern es ist die Summe mehrerer Faktoren. „Es sind mehrere Probleme: Die hohen Energiepreise und steigende Finanzierungskosten, dazu teilweise eine schwache Auftragslage und volle Lager – das alles zusammen macht vielen das Überleben schwer, das ist für manche einfach dann in der Summe ein Problem zuviel“, so Hantzsch.
Investitionen auf niedrigem Niveau
Die Unternehmensinvestitionen stagnieren auf niedrigem Niveau, „obwohl gerade jetzt investiert werden müsste, um wettbewerbsfähig zu bleiben“. Allerdings sieht es von Branche zu Branche sehr unterschiedlich aus.
Beispiel Bau: Dort, wo es in Sachen Energie und Nachhaltigkeit um bessere Gebäudedämmung geht, brummt die Konjunktur, die Auftragsbücher sind voll. Hoch- und Tiefbau dagegen, und ebenso der von der Zinswende stark getroffene private Hausbau, stehen deutlich schlechter da. Insgesamt hatte die Baubranche schon 2022 mit 12% einen überdurchschnittlichen Anteil an der Insolvenzquote. Auch der Textileinzelhandel ist ein Beispiel für eine Branche, die es schwer trifft: Größere Insolvenzen wie die von Salamander, Reno, Ahlers und Gerry Weber geben Zeugnis davon.
Von einer Insolvenzwelle kann man in Deutschland allerdings noch nicht reden, dazu sind die Zahlen noch viel zu niedrig. Sie kamen von einem sehr niedrigen Niveau, nachdem die Insolvenzzahlen nach Überwinden der durch die Lehman-Pleite ausgelösten Weltfinanzkrise gut zehn Jahre lang – bis hinein in die Corona-Krise – fast stetig nach unten gingen.
Von dem Niveau 2009 bis 2011 sind wir noch weit entfernt. Aber der Trend nach unten scheint definitiv gebrochen. Für die Banken steigen damit die Ausfallrisiken, und sie reagieren darauf mit einer strengeren Kreditvergabe. Während die Kapitaldienstfähigkeit insbesondere bei großen, weltweit tätigen Firmen dank des Aufbaus von Reserven weitgehend gut ist, ist sie im Mittelstand oft schwach. Für 2023 rechnet Creditreform-Experte Hantzsch mit „deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen – und dieser Trend dürfte in den nächsten Jahren anhalten“.
Das sieht auch Thomas Kolbe vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) so. „Nicht wenige Unternehmen haben - trotz mangelhafter Ertragskraft - über lange Jahre hinweg durch die Nullzinspolitik der EZB und staatliche Subventionen überlebt. Nach der harten Zinswende sind mehr und mehr dieser Zombie-Unternehmen nun nicht mehr dauerhaft in der Lage, aus ihrem Cash Flow den Fremdkapitaldienst zu leisten.“ Als Beispiel für eine bereits deutlich angeschlagene Branche nennt er den stationären Einzelhandel.
Kolbe sieht Deutschland bereits jetzt in einer Rezession und rechnet für das Gesamtjahr mit etwa 17.000 Unternehmensinsolvenzen, was einem Anstieg von rund 16 Prozent gegenüber 2022 entspräche. „Mittelfristig über die nächsten Jahre dürften die Zahlen wieder über das Vorcorona-Niveau steigen.“ In der Coronakrise war die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt worden.
Während Fachkräftemangel oder Lieferkettenprobleme derzeit keine große Rolle im Insolvenzgeschehen spielten, seien die schwache Konjunktur und sinkende Auftragseingänge klare Warnzeichen. Bisher habe die Politik mit immer mehr Ausgabenprogrammen die Konjunkturschwäche überdeckt, so Kolbe. Das werde aber nicht immer so weitergehen.
Dazu kämen die verschlechterten Finanzierungsbedingungen. „Schon jetzt kommen Unternehmen schwieriger an Kredite. Banken halten ihre Mittel zurück, sind restriktiver. Mit dem Kreditvolumen sinkt gleichzeitig auch die Investitionsnachfrage“, sagt Kolbe. „Gerade kleine Betriebe mit wenig Kapitalreserven haben es schwer.“