Politik

„Politisches Harakiri“: Ampel verdoppelt Lkw-Maut mit CO2-Aufschlag

Lesezeit: 3 min
30.03.2023 11:36  Aktualisiert: 30.03.2023 11:36
Eine neue Klima-Sondersteuer soll die Straßen-Logistik verteuern. Branchenverbände reagieren mit scharfer Kritik.

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Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, die Lkw-Maut mit einer Kohlenstoffdioxid-Sondersteuer zu belegen. Medienberichten zufolge wird diese zu einer Verdoppelung der Maut im Lkw-Fernverkehr ab 2024 führen. Den Planungen zufolge soll ein Großteil der durch die CO2-Steuer erhobenen Gelder in den Ausbau des Schienenverkehrs investiert werden.

Aus der Wirtschaft, insbesondere aus dem betroffenen Transport- und Logistiksektor, kommt scharfe Kritik.

„Habecks Rhabarberschorle per Bahn“

Der Spitzenverband für Straßengüterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) schreibt in einer Pressemitteilung:

„Habeck & Co sollten sich überlegen, ob sie sich ihre Rhabarber-Schorle künftig nicht besser mit der Bahn vor die Haustür liefern lassen! Denn die vom Koalitionsausschuss beschlossene Verdoppelung der Lkw-Maut ab 2024 ist politisches Harakiri! Ohne am Markt verfügbare Alternativen zum Diesel-Lkw und ohne Ladeinfrastruktur fehlt jedwede Lenkungswirkung zugunsten des Klimaschutzes. Damit belastet die Ampel nur den Endverbraucher, ohne es ehrlich dazu zu sagen!

Wenn diese Milliarden Mehreinnahmen dann auch noch hauptsächlich in die Schiene fließen sollen, obwohl Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer jeden Abend verzweifelt freie Stellplätze suchen, fragt man sich, ob Teile der Koalition überhaupt verstanden haben, wer Deutschland bewegt! Die jüngste Verkehrsprognose von Verkehrsminister Wissing wird offenbar einfach ignoriert. Das ist Wünsch-Dir-Was-Politik aus dem grünen Elfenbeinturm und hat nichts mehr mit der Realität zu tun!“

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Grünen erst vor wenigen Tagen von der FDP geplante Verbesserungen für Lkw-Fahrer blockierten.

BGL-Chef Dirk Engelhardt befürchtet Insolvenzen, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte. Seine Branche habe bestenfalls drei Prozent Umsatzrendite - im Fernverkehr verdoppele sich der Mautkostenanteil nun aber von circa 10 auf 20 Prozent.

Einige mittelständische Auftraggeber, etwa kleine Kies- oder Betonwerke, würden die damit steigenden Transportkosten nicht bewältigen können und dann womöglich Transportunternehmen mit in die Insolvenz ziehen.

Opposition: Inflation wird angeheizt

Oppositionsparteien kritisieren, dass die durch die CO2-Steuer ausgelösten Mehrkosten aus ihrer Sicht letztendlich von den Bürgern an der Ladentheke bezahlt werden müssen.

„Wir befürchten eine Preisexplosion in den Supermärkten“, wird der Leipziger Linke-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann von der dpa zitiert. „Es ist absehbar, dass die Supermarktketten höhere Transportkosten an die Kunden weitergeben werden. Es darf nicht sein, dass am Ende die Rentnerin an der Supermarktkasse das Investitionsprogramm für die Deutsche Bahn finanziert.“ Nötig sei vielmehr eine Senkung der Preise.

Ähnlich äußerte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka. Höhere Lebensmittelpreise belasteten vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen, sagte der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. „Es ist daher umso unverantwortlicher, dass die Ampel-Koalition nun weitere Preisanstiege beschlossen hat, anstatt für die dringend benötigten Entlastungen zu sorgen.“

Aus der CSU kam Kritik, aber auch Lob für den beschlossenen Ausbau von Autobahnen. „Mehr Geld für die Schiene ist gut, aber die Erhöhung der LKW-Maut ist eine indirekte #Steuererhöhung“, schrieb der bayerische Ministerpräsident beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Unternehmen würden die Zusatzkosten auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlegen. „Das belastet vor allem die kleinen Geldbeutel. Die #Ampel heizt die Inflation weiter an.“

Die Bundesregierung hatte neben der Erhöhung der Lkw-Maut jedoch auch beschlossen, beim Autobahn-Ausbau aufs Tempo zu drücken. Dafür sind 144 Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan vorgesehen.

Der schnelle Autobahnausbau war in der Koalition lange umstritten. Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP einigten sich aber nun nach langen Verhandlungen darauf, dass nicht nur das Schienennetz schneller modernisiert und marode Brücken schneller und einfacher saniert und ersetzt werden als bisher. Auch bei Autobahnen sollen Projekte beschleunigt und Stauschwerpunkte und Engstellen beseitigt werden. Das Ziel: weniger Staus und flüssiger Verkehr.

Habeck erwartet Tauziehen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält es für möglich, dass die beschlossene Planungsbeschleunigung dadurch ausgebremst wird, dass der langwierige Diskussionsprozess der Regierungskoalition noch einmal auf Länderebene fortgesetzt wird. „Die Gefahr besteht, natürlich“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwochabend im ZDF-Heute Journal. Hintergrund ist, dass ein überragendes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Infrastruktur-Planung im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Land festgeschrieben werden soll.

Wochenlang hatten SPD, Grüne und FDP unter anderem über diesen Punkt gerungen. Ihre Spitzenleute brauchten im Koalitionsausschuss dann von Sonntag bis Dienstag, um sich zu einigen, solange wie selten zuvor. Sie vereinbarten am Ende, eine erleichterte und beschleunigte Planung nicht nur für den Ausbau von Öko-Energieerzeugung, Stromnetzen und Bahnverkehr voranzutreiben, sondern - wie von der FDP gewünscht - auch für die Beseitigung schlimmer Autobahn-Engpässe.

Die Verhandlungen hatten große Meinungsunterschiede der in der Bundesregierung vertretenen Parteien offenbar, die Opposition sprach von einer Regierungskrise.

„Selbstverständlich findet sehr viel der Umsetzung auf Länder- oder kommunaler Ebene statt“, sagte Habeck. Das gelte für den von den Grünen ursprünglich abgelehnten Autobahnausbau ebenso wie für den Natur- und Umweltschutz, der ebenfalls Ländersache sei. Aus Habecks Sicht kommt es deshalb darauf an, dass die drei Ampel-Parteien auf die unteren Ebenen entsprechend einwirken.


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